Nettostromerzeugung: Rekordanteil von 55,8 % für Erneuerbare

Die Windkraft allein kam im ersten Halbjahr 2020 auf einen Anteil von mehr als 30 %, wie das Fraunhofer ISE ermittelt hat. Aber auch die Erzeugung der Photovoltaikanlagen erreichte im ersten Halbjahr 11,4 %. Starke Rückgänge gab es dagegen für die Kohlekraftwerke.

Vor allem die Windkraft hat im ersten Halbjahr in Deutschland stark zugelegt. (Foto: Pixabay/Al3xanderD)
Vor allem die Windkraft hat im ersten Halbjahr in Deutschland stark zugelegt. (Foto: Pixabay/Al3xanderD)
Claus Bünnagel

Das erste Halbjahr 2020 ist durch die Auswirkungen der Coronapandemie auf das Wirtschaftsleben sicherlich nur eine Momentaufnahme. Dennoch sind die Ertragszahlen für die erneuerbaren Energien in Deutschland beeindruckend. Mit 55,8 % erreichten sie im ersten Halbjahr 2020 einen Rekordanteil an der Nettostromerzeugung. Dies ist ein starker Anstieg gegenüber den 47 % aus dem Jahr 2019, wie das Fraunhofer-Institut für Solar Energiesysteme ISE ermittelte. Im Monat Februar erreichten Photovoltaik und Windkraft sogar einen Anteil von 61,8 %. Nach Auswertungen des Fraunhofer ISE dürfte auch der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung bei mehr als 50 % in einem Halbjahr gelegen haben.

Günstige Witterungsbedingungen

Die Witterungsbedingungen seit Jahresanfang waren besonders günstig für die Erzeugung von Windstrom. Es wurden 75 TWh produziert, was eine Steigerung um 11,7 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum darstellt. Allein die Windkraft erreicht so einen Anteil von rund 30,6 % an der Nettostromerzeugung im ersten Halbjahr 2020. Im Februar lag er sogar bei 45 %, wie das Fraunhofer-ISE berichtet.

Auch die Photovoltaikanlagen liefen besonders zwischen April und Juni auf Hochtouren und produzierten jeweils mehr als 6 TWh. Insgesamt sind etwa 27,9 TWh Solarstrom in den ersten sechs Monaten produziert worden. Dies ist gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 eine Steigerung um 11,2 % und entspricht einem Anteil von 11,4 % in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. Die Biomasse verzeichnete dem Fraunhofer ISE zufolge ebenfalls einen leichten Anstieg und kam auf 23,7 TWh. Rückläufig war hingegen die Produktion aus Wasserkraft, die sich auf circa 9,5 TWh summierte.

Weniger Last durch Lockdown

Insgesamt sind aus den erneuerbaren Energiequellen 136,1 TWh erzeugt worden – nach 125,6 TWh im ersten Halbjahr 2019. Der starke prozentuale Anstieg ergibt sich auch aus der seit dem zweiten Quartal gesunkenen Stromnachfrage infolge des Lockdowns der Industrie wegen der Coronapandemie. Die Last ging nach den Angaben des Fraunhofer-ISE im ersten Halbjahr deutlich von 245,7 auf 234,2 TWh im Jahresvergleich zurück. Auch die Stromproduktion sank um 21,7 auf 243,8 TWh. Ein Teil des Rückgangs entfalle auf die gesunkenen Exporte.

Erzeugung der Kohlekraftwerke bricht ein

Während Photovoltaik und Windkraft kräftig zulegten, ging die Erzeugung der Kohlekraftwerke im ersten Halbjahr drastisch zurück. Braunkohlekraftwerke produzierten etwa 33,6 TWh netto. Das sind 19,1 TWh oder 36,3 % weniger als im ersten Halbjahr 2019, wie es von den Freiburger Forschern heißt. Die Nettoproduktion aus Steinkohlekraftwerken brach um 46 % auf nur noch 14,4 TWh ein. Die Ursachen für diese Entwicklung seien die gestiegenen Kosten für CO₂-Zertifikate, die durchschnittlich bei 21,91 Euro pro Tonne CO₂ rangierten, sowie der stark gesunkene Day-Ahead-Börsenstrompreis, der im ersten Halbjahr nur bei durchschnittlich 22,94 ct/kWh lag. Bei einer Emissionen-Belastung von etwa 1 t CO₂ pro erzeugter MWh Kohlestrom sei die Wirtschaftlichkeit der Kohlekraftwerke kaum mehr gegeben.

Halbierung des Gaspreises

Hinzu kommt auch noch die Halbierung des Gaspreises in diesem Zeitraum auf gut 8 Euro/MWh. Da Erdgaskraftwerke geringere CO2-Zertifikatskosten haben, fand ein „Fuel Switch“ von Kohle zu Erdgas statt, wie es von den Freiburger Forschern hieß. Die Produktion der Gaskraftwerke stieg so um knapp 14 % auf 28 TWh im ersten Halbjahr. Die Erzeugung der AKW ging hingegen weiter zurück. Sie lagen mit 30,1 TWh fast 13 % unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums.

Die Bruttoerzeugung enthält auch die Eigenerzeugung der Industrie – Betriebe im verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden – sowie die internen Verluste der konventionellen Kraftwerke. Beide Anteile werden nicht in das öffentliche Stromnetz eingespeist und nicht bei den Werten zur Nettostromerzeugung berücksichtigt, die den Strommix abbildet, der aus der Steckdose kommt.