Urteil: Kreuzungsräumer oder Rotlichtverstoß?

Rot ist Rot, auch wenn man die Haltelinie bei Grün überfahren hat. Kommt es danach zu einem Stopp und die Ampel springt um, darf man nicht weiterfahren.

(Foto: pixabay)
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Martina Weyh

Zeigt die Ampel grün, so muss das Überfahren der Haltelinie und das Einfahren in den Kreuzungsbereich nahtlos ineinander übergehen. Muss der Verkehrsteilnehmer kurz nach dem Überfahren der Haltelinie verkehrsbedingt halten und die Ampel springt wieder auf Rot, darf er nicht weiterfahren – so lautet die Entscheidung des Berliner Kammergerichts, das mit seinem Beschluss am 24. Januar 2022 (3 Ws (B) 354/21 - 122 Ss 155/21) ein Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten bestätigte.

Der Sachverhalt

Im September 2021 hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten einen Autofahrer wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 250 € und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Als drittes Fahrzeug war er zwar bei Grün über die Haltelinie gefahren, musste aber bereits 50 cm danach wegen Rechtsabbiegern vor der noch vier Meter von seinem Fahrzeug entfernten Ampel halten. Erst nachdem die Ampel wieder Rot zeigte, konnte er seine Fahrt fortsetzen. 

Er scherte nach links aus, um an den ihn an der Weiterfahrt hindernden Fahrzeugen vorbeizufahren. Dabei kam es beinahe zu einem Zusammenstoß mit einer Straßenbahn.

Gegen das Urteil legte der Autofahrer Rechtsbeschwerde ein, u.a. mit der Begründung, er sei berechtigter Kreuzungsräumer gewesen und habe keinen Rotlichtverstoß gegangen.

Der Beschluss des Kammergerichts

Das sah das Kammergericht Berlin anders und bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Der Autofahrer habe das Haltegebot vor der Kreuzung nach § 37 Abs. 2 Satz 7 StVO missachtet und einen Rotlichtverstoß begangen. Er sei kein Kreuzungsräumer gewesen.

Bereits das Einfahren legt einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 StVO nahe, so das Gericht. Danach darf trotz grünem Lichtzeichen bei stockendem Verkehr nicht in die Kreuzung eingefahren werden, wenn auf ihr gewartet werden müsste.

Gehen das Fahren über die Haltlinie bei grünem Licht und das Einfahren in den Kreuzungsbereich nicht nahtlos ineinander über, weil es zwischen beiden Verkehrsvorgängen zu einem verkehrsbedingten Halt (z.B. infolge eines Fahrzeugstaus) vor der Ampel kommt, so darf der Kraftfahrzeugführer nicht in den geschützten Bereich einfahren, wenn er diesen erst nach Rotlichtbeginn erreicht. Denn für ihn gilt ab dem Zeitpunkt des Umschaltens der Ampel auf Rot das Haltgebot vor der Kreuzung, auch wenn er zuvor bei Grün die vorgelagerte Haltlinie überfahren hat.