IW-Analyse: Marode Straßen bremsen die Wirtschaft aus

Nach 2013 und 2018 hat das IW jetzt zum dritten Mal in Folge Unternehmen zu ihren Problemen mit der Infrastruktur befragt und das Ergebnis Straßennetze bereiten größte Sorgen.

Straßenschäden und Baustellen: Deutsche Unternehmen leiden immer stärken unter der maroden Infrastruktur. (Foto: Pixabay)
Straßenschäden und Baustellen: Deutsche Unternehmen leiden immer stärken unter der maroden Infrastruktur. (Foto: Pixabay)
Claus Bünnagel
(erschienen bei Transport von Christine Harttmann)

Gesperrte Autobahnen, überlastete Seehäfen und Ausfälle im Schienengüterverkehr sorgten in den letzten Monaten neben den hohen Energiepreisen und Materialengpässen für Verdruss bei den Unternehmen in Deutschland. Was genau das für Unternehmen bedeutet, wollte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wissen. Im Sommer 2022 hat es daher zum dritten Mal nach 2013 und 2018 die Betriebe danach gefragt, wie sich der Zustand zentraler Infrastrukturen auf ihre laufende Geschäftstätigkeit auswirkt.

Schlechte Noten für die Straße

Die Ergebnisse hat das Institut Mitte jetzt veröffentlicht und auch ein erstes Fazit gezogen. Gut fällt es nicht aus. Es bestehe dringender Handlungsbedarf. So sei die Zahl der Unternehmen, die unter der Verkehrssituation leiden, stark gestiegen. Inzwischen sehen sich laut der Befragung 80 Prozent der Unternehmen durch Infrastrukturmängel in der Geschäftstätigkeit beeinträchtigt. Das seien über 20 Prozentpunkte mehr als im Hebst 2013, teilt das IW mit. Gegenüber 2018 habe sich vor allem der Anteil der deutlich beeinträchtigten Unternehmen von 16 auf 27 % erhöht. Besonders betroffen seien größere Firmen.

Die stärksten Beeinträchtigungen verursachen weiterhin die unzureichenden Straßennetze. Insgesamt erklärten 78 % der befragten Unternehmen, dass Mängel an der Straßeninfrastruktur ihre Geschäftstätigkeit hemme. Von den Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, die sich durch Infrastrukturmängel beeinträchtigt sahen, hatten 83 % Probleme mit Straßen und Brücken. Auch Ostdeutschland und Baden-Württemberg sind beim Straßenverkehr besonders betroffen.

 

Eine deutliche Beeinträchtigung durch die marode Straßeninfrastruktur machten deutschlandweit 32 % der Unternehmen geltend. Damit katapultierten sie den Straßenverkehr in die Schlusslicht-Position. Dennoch stellen die Analysten fast: Verglichen mit anderen Infrastrukturbereichen hat sich die Problemlage im Straßenverkehr wenig verschärft.

Stau im Meer

Die deutlichsten Veränderungen gegenüber 2018 zeigte – neben der Energieversorgung – der Schiffsverkehr. Gegenüber 2018 treten auch hier die Probleme viel häufiger auf: 42 % der generell beeinträchtigten Unternehmen machen Probleme mit Wasserstraßen und Häfen geltend, 2018 waren es „nur“ 15 %. Das könnte laut IW vor allem daran liegen, dass es in der Vergangenheit vor allem in der Binnenschifffahrt hakte. Für sehr viele Unternehmen ist die aber prinzipiell gar kein, oder kein großes Thema. Derzeit jedoch stauen sich wiederholt Containerschiffe vor den Seehäfen. Auch der Abtransport ins Hinterland kommt dadurch aus dem Takt. Durch diese Störungen des Schiffsverkehrs hat daher vor allem die Zuverlässigkeit internationaler Lieferketten schwer gelitten. Und das trifft dann sehr viele Betriebe.

Für den Luft- und Schienenverkehr zeichnet die IW-Analyse ein ein ähnliches Bild wie beim Schiffsverkehr. Allerdings beobachteten die Analysten geringere Effekte. Ebenso wie der Schiffsverkehr tauchte der Luftverkehr in den Jahren 2013 und 2018 bei den Befragungen des IW als eher nachrangiges Problem auf. Im Jahr 2022 änderte sich das deutlich. Auch wenn der Luftverkehr weiter am unteren Ende der Problemskala liegt, hat er inzwischen das Bewertungsniveau des Schienenverkehrs erreicht. Bei Letzterem ist besonders der Anteil der deutlich beeinträchtigten Unternehmen erkennbar gestiegen. Anders als beim Luftverkehr ist hier erneut ein großer Unterschied zwischen den Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und dem Rest auszumachen. Bei den größeren Firmen sahen sich fast 44 % der antwortenden Unternehmen im Schienenverkehr beeinträchtigt. Bei den kleineren Unternehmen waren es je nach Größenklasse zwischen 30 und 34 %.

Mehr Geld, mehr Eile geboten

Die Probleme bei den Verkehrsnetzen seien hausgemacht, resümiert der IW. Sie haben sich über viele Jahre durch eine Unterfinanzierung aufgebaut. Seit 2015 stellt der Bund zwar wieder mehr Investitionsmittel für Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung, diese werden aber durch die steigenden Baupreise aufgezehrt. So ist die preisbereinigte Investitionssumme im Jahr 2022 gerade einmal auf dem Niveau von 2009 angelangt. Für alle Verkehrsarten braucht es deshalb deutlich mehr Geld. Auch das deutsche Planungsrecht bremst den Ausbau aus. Die Prozesse dauern viel zu lange und binden zu viele Kapazitäten in den Behörden. Zudem fehlen entlang der gesamten Investitionskette – von der Planung über Bau und Betrieb der Infrastruktur – Fachkräfte. Diese Mangellage wird voraussichtlich zunehmen. Die Projekte werden daher oftmals nicht oder nur sehr stockend umgesetzt. Bislang dauert es vom Beginn der Vorplanung eines neuen Schienenweges im Schnitt fast 23 Jahre, bis der erste Zug über die Gleise rollt – viel zu lange.

 

Drei Problemfelder nennt der IW schließlich noch, die von der nationalen Politik dringend angegangen werden müssen: Investitionsmittel, Genehmigungsverfahren und Fachkräftemangel. Oder, wie IW-Infrastrukturexperte Thomas Puls das Ergebnis der Befragung zusammenfasst:

„Damit die deutsche Infrastruktur wieder auf die richtige Spur kommt, muss die Bundesregierung ihre Anstrengungen deutlich verstärken. Erstens braucht es deutlich mehr Geld für Straßen, Schienen und Häfen. Zweitens muss die die im Koalitionsvertrag angekündigte Planungsbeschleunigung umgesetzt werden. Viel zu oft bleiben Infrastrukturprojekte im bürokratischen Fahrwasser stecken. Die Lage der Infrastruktur mahnt zur Eile.“