VDV warnt: Bund darf das 9-Euro-Ticket nicht halbherzig umsetzen

Der Branchenverband sieht drohende kurzfristige Liquiditätsengpässe sollten die Zusagen zur ÖPNV-Finanzierung nicht vollständig eingehalten werden.

Nach Ansicht des Branchenverbandes reicht es nicht aus, nur die durch das 9-Euro-Ticket entstehenden Einnahmeausfälle auszugleichen – auch die zusätzlich anfallenden Kosten müssten berücksichtigt werden. (Foto: pixabay)
Nach Ansicht des Branchenverbandes reicht es nicht aus, nur die durch das 9-Euro-Ticket entstehenden Einnahmeausfälle auszugleichen – auch die zusätzlich anfallenden Kosten müssten berücksichtigt werden. (Foto: pixabay)
Martina Weyh

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV hat den Bund auffordert, die Zusagen zum zusätzlichen Finanzierungsbedarf des Nahverkehrs in diesem Jahr vollständig einzuhalten und damit die Umsetzung des 9-Euro-Tickets nicht zu gefährden.

Dazu gehören neben der Übernahme aller Kosten für die 9-Euro-Ticket-Aktion in Höhe von mindestens 2,5 Mrd. Euro und den 1,2 Mrd.Euro für den Corona-Rettungsschirm der Branche auch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel in diesem Jahr in Höhe von 1,5 Mrd. Euro zur Abdeckung der deutlich erhöhten Kosten für Strom und Diesel.

„Der Bund darf die notwendigen finanziellen Rahmenbedingungen nicht halbherzig umsetzen, sondern muss seine Zusagen einhalten, sonst läuft die Branche spätestens mit der Einführung des 9-Euro-Tickets zum 1. Juni in eine Kosten- und Liquiditätsfalle“, so VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Der Bund hat mit dem Beschluss zur Einführung eines 9-Euro-Tickets für die Monate Juni bis August eine tiefgreifende Maßnahme beschlossen, um die Bürgerinnen und Bürger nicht nur bei Energie- und Spritpreisen, sondern auch in der öffentlichen Mobilität vorübergehend zu entlasten. Diesen Beschluss unterstützt die Branche ausdrücklich, weil sie darin ein geeignetes Instrument zur befristeten Entlastung der Fahrgäste und zur (Rück)Gewinnung von Kundinnen und Kunden sieht.

Zugleich weisen die Verkehrsunternehmen mit Nachdruck darauf hin, dass eine solche Tarifabsenkung generell und besonders angesichts aktuell stark steigender Kosten durch Energiepreise, Personal und Angebotsausweitung weder durch die Verkehrsunternehmen noch durch Bund und Länder dauerhaft finanziert werden kann.

Nach Ansicht des Branchenverbandes zeigt die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern zur Übernahme der zusätzlichen Kosten schon jetzt, welche Herausforderungen bei der nachhaltigen Finanzierung des ÖPNV entstehen können, wenn man die Tarifeinnahmen politisch motiviert drastisch absenkt.

„Bundesverkehrsminister Dr. Wissing hat das 9-Euro-Ticket zurecht als Feldversuch bezeichnet, bei dem aktuell auch völlig offen ist, welche Kosten tatsächlich auf die Branche zukommen werden. Von daher unterstützen wir die Forderung der Verkehrsministerkonferenz, dass auch etwaige Mehrkosten, die den Verkehrsunternehmen aus dieser Aktion entstehen, durch den Bund ausgeglichen werden müssen. Schließlich war es auch der Bund, der diese Maßnahme beschlossen hat“, betont VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.

Umsetzungsmaßnahmen laufen

Im Bestreben, das 9-Euro-Ticket zum 1. Juni einzuführen, wie von Bund und Ländern beschlossen, hat die Branche bereits zahlreiche Maßnahmen in Gang gesetzt, wie etwa den Aufbau einer ergänzenden digitalen und bundesweiten Ticketplattform. Alle zu ergreifenden Maßnahmen benötigen aber einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf, um das Personal und die Fahrgäste zu informieren, die Vertriebswege umzustellen, etc.

„Wir sind hier bereits in Vorleistung gegangen, um den politischen Wunsch nach Einführung zum 1. Juni umzusetzen, denn sonst läuft uns die Zeit weg. Hier sei beispielhaft der Aufbau einer ergänzenden bundesweiten Ticketplattform für Neukundinnen und ‑kunden genannt. Wir können jetzt nicht mehr weiter warten, sondern müssen umsetzen“, so der VDV-Hauptgeschäftsführer.

Finanzierungsfragen müssen jetzt abschließend geklärt werden

Vor diesem Hintergrund müssten Bund und Länder jetzt dringend die Finanzierungsfragen abschließend klären. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass nicht nur in anderen Branchen, sondern natürlich auch im ÖPNV aktuell die Energie- und auch die Personalkosten erheblich steigen würden. Insofern reiche es nicht aus, einfach nur die durch das 9-Euro-Ticket entstehenden Einnahmeausfälle auszugleichen, sondern auch die zusätzlich anfallenden Kosten müssten berücksichtigt werden.

Die Unternehmen seien sonst nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gezwungen, das Betriebsangebot soweit zurückzufahren wie die aktuelle Kostensituation dies noch zulasse. Dies sei weder politisch noch aus Sicht der Branche oder mit Blick auf die Ziele des Koalitionsvertrages ein wünschenswertes Szenario.