VDV: Trotz Personalmangel stellten 74 % der Verkehrsunternehmen 2023 verstärkt ein
Das Leitmotiv der heute in Düsseldorf beginnenden VDV-Jahrestagung ist „Menschen im Fokus – Fachkräfte, Fahrgäste, Vielfalt“. Das Thema Fach- und Arbeitskräftemangel ist folgerichtig ein Diskussionsschwerpunkt einer Branche, die im Wandel begriffen ist:
„Es sind Ergebnisse, die inmitten einer besorgniserregenden Entwicklung hoffnungsfroh stimmen“, so VDV-Präsident Ingo Wortmann bei der Vorstellung der Ergebnisse aus der VDV-Branchenumfrage Personal. „Wir sehen ein gesteigertes Interesse der Bewerber, für Bus und Bahn zu arbeiten, und insgesamt mehr Bewerbungen. Gleichzeitig geben 74 % der befragten Unternehmen an, dass sie 2023 mehr Kollegen eingestellt haben als noch im Vorjahr, bei dem wir bereits sehr hohe Werte hatten. Wir können sagen: Die deutschlandweiten Einstellungsoffensiven laufen auf Hochtouren – und das müssen sie auch, denn es ist noch ein weiter Weg, die demografisch verursachten Effekte wettzumachen und uns personell aufzustellen für Angebotsausbau und Mobilitätswende.“
Bei der vierten VDV-Branchenumfrage Personal nehmen 135 VDV-Mitgliedsunternehmen des öffentlichen Personen- und des Schienengüterverkehrs teil.
Personalbedarf nimmt zu
75 % der befragten Unternehmen geben an, dass der Personalbedarf zugenommen habe – 23 % davon geben sogar „stark zugenommen“ an. Und die Verkehrsunternehmen vor Ort haben ihre Hausaufgaben gemacht: drei Viertel haben insgesamt mehr eingestellt als noch im letzten Jahr. Mehr als ein Viertel der Unternehmen hat mehr als 15 % Personal neu eingestellt. Am dringlichsten wird laut VDV-Branchenumfrage „Personal im Fahrdienst“ gesucht, gefolgt von „gewerblich-technischem Personal“.
Wortmann: „Aber man kann hinschauen, wo man will, wir suchen in allen Bereichen!“
Tatsächlich ist der Bedarf an Ingenieurinnen und Ingenieuren, IT-Spezialisten, beim kaufmännischen Personal sowie bei „Auszubildenden auf einem vergleichbar hohen Niveau.
Bis 2030 gehen jährlich 6.000 Fachkräfte in Rente
Die Unternehmen prognostizieren in der VDV-Branchenumfrage Personal, dass sie die Zahl ihrer Mitarbeitenden bis 2030 um rund 21 % erhöhen müssen, um den politisch geforderten Wachstumszielen der Verkehrswende genügen zu können – ein Aufwuchs, der zusätzlich zu den Folgen des demografischen Wandels kommt: Die Branche geht davon aus, dass bis 2030 jährlich ca. 4.000 bis 6.000 Fachkräfte in den Ruhestand wechseln werden. Schon jetzt gehen Branchenfachleute davon aus, dass bereits rund 20.000 Busfahrer im ÖPNV bei den öffentlichen und privaten Busunternehmen in Deutschland fehlen. Rund 100.000 Fahrer befinden sich deutschlandweit aktuell in gewerblichen Beschäftigungsverhältnissen im ÖPNV. Dabei gaben fast die Hälfte der Unternehmen an, aus personellen Gründen den Betrieb zumindest zeitweilig eingeschränkt zu haben.
„Der Altersdurchschnitt ist im Fahrdienst laut Branchenumfrage mit über 50 Jahren nochmal deutlich höher als im technischen Bereich oder in der Verwaltung mit je rund 45 Jahren“, so Wortmann.
Rheinbahn braucht zusätzliche Investitionen
Annette Grabbe, Vorstandssprecherin der Rheinbahn, ergänzt: „Alleine für die Rheinbahn rechnen wir mit notwendigen Investitionen in Höhe von 6 bis 7 Mrd. Euro bis zum Jahr 2035. Die Unternehmen des Nahverkehrs können diese notwendigen Finanzmittel nicht selbst erwirtschaften. Unsere Branche braucht daher Planungssicherheit und einen klaren Finanzierungsrahmen.“
Mit rund 20 % Frauen in der Belegschaft ist deren Anteil in der Branche in den vergangenen Jahren zwar deutlich gestiegen.
Ingo Wortmann: „Allerdings reicht das bei Weitem nicht aus, hier müssen wir uns stärker engagieren, um den Bedürfnissen einzelner Zielgruppen besser gerecht zu werden. Viel hängt da bereits von der Ansprache und den passenden Arbeitszeitmodellen ab. Doch angesichts von aktuell nur 12 % Teilzeitbeschäftigung und 75 % geteilten Diensten müssen wir künftig dafür sorgen, bessere Rahmenbedingungen für unsere Kolleginnen und Kollegen zu schaffen – nicht nur, um neue Leute einzustellen, sondern auch, um das vorhandene Personal nachhaltig zu binden.“
Personalsuche im Ausland
Nur 13 % der Unternehmen rekrutieren bereits aktiv im Ausland – der am häufigsten angegebener Grund, dies noch nicht zu tun: Die Personalabteilungen schätzen ein, ihren Bedarf am heimischen Arbeitsmarkt decken zu können.
„Wir müssen uns die Arbeitsmarktdaten kritisch anschauen, ob das künftig reicht. Auch bei der Rekrutierung im Ausland gibt es noch viel Potenzial, das wir als Branche gemeinsam heben können“, so Wortmann.
VDV-Arbeitgeberinitiative: Stellenportal mit 9.000 offenen Stellen
Allein über die branchenweite Arbeitgeberinitiative in-dir-steckt-zukunft.de und den dortigen Stellenmarkt sind derzeit über 9.000 offene Arbeitsplätze in allen Bereichen zu finden.
„Wenn 46 % der Unternehmen grundsätzlich ein gesteigertes Interesse an der Arbeit in der Branche wahrnehmen und 75 % registrierten, dass die Anzahl der Bewerbungen gleichbleibend (44 %) oder höher (31 %) sind, dann kann man für den Moment zufrieden sein. Doch für das Aufrechterhalten des Betriebs, für Ausbau und Modernisierung reicht das nicht aus – wir müssen in der Branche noch mehr unsere Kräfte bündeln“, so Wortmann.
Die VDV-Arbeitgeberinitiative könnte hierbei ein wichtiger Teil der Lösung sein. Denn sie bietet durch vielfältige Service- und Kooperationsangebote kleinen wie großen Unternehmen die Möglichkeit, ihre eigenen Personalgewinnungsmaßnahmen zu stärken und gleichzeitig mit einem bundesweiten Branchen-Karriereportal noch mehr Menschen auf die Arbeitswelt der Verkehrsunternehmen aufmerksam zu machen.
In unserem Anhang finden Sie Branchendaten zur VDV-Jahreskonferenz und zur VDV-Branchenumfrage Personal 2024.
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