Fachkräfteeinwanderung: „Brauchen alle helfenden Hände und klugen Köpfe“

Der Branchenverband VDV setzt vor allem beim Fahrpersonal auf zugewanderte Kräfte.

Fahrschulinhaber Burkhard Mülln (l.) mit dem aus dem Iran stammenden Fahrschüler Ali Sheykhi. (Foto: Fahrschule B. Mülln)
Fahrschulinhaber Burkhard Mülln (l.) mit dem aus dem Iran stammenden Fahrschüler Ali Sheykhi. (Foto: Fahrschule B. Mülln)
Claus Bünnagel

Der VDV begrüßt den Modernisierungsansatz, den die Bundesregierung bei der Fachkräfteeinwanderung verfolgt.

Das vom Kabinett verabschiedete Eckpunktepapier ist ein Schritt nach vorn und kommt keinen Tag zu spät. Fachkräfte sollen demnach nicht nur in dem Bereich arbeiten dürfen, für den sie eine Qualifikation haben, sie dürfen auch dann einreisen, wenn sie – auch ohne Abschluss – Berufserfahrung haben. Zudem sollen Nicht-EU-Migranten grundsätzlich Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, wenn sie maßgebliche Kriterien – Qualifikation, Sprache, Berufserfahrung – in einem Punktesystem erfüllen. Jetzt kommt es natürlich auf die Ausgestaltung an, denn wir brauchen bei den Bus- und Bahnunternehmen alle helfenden Hände und klugen Köpfe. (VDV-Vizepräsident Werner Overkamp)

Die Bundesregierung setzt in ihren Eckpunkten auf eine Säulensystematik aus „Fachkräften“, „Erfahrung“ und „Potenzial“. Der VDV sorgt sich jedoch um den formulierten Finanzierungsvorbehalt. Ohne zusätzliche Mittel könnten die Maßnahmen, die zu Ausgaben im Bundeshaushalt führen, nur umgesetzt werden, wenn sie in den Ressorteinzelplänen gegenfinanziert würden.

Neue Regelungen

Die Eckpunkte vereinfachen den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt: Die sogenannte BlueCard wird geöffnet für beruflich ausgebildete Erwerbsmigranten – bislang lag der Fokus allein auf Akademikern. Die Einreise ist zudem nun für Fachkräfte mit Abschluss und Berufserfahrung ohne langwieriges formales Anerkennungsverfahren für die Aufnahme von Tätigkeiten in nicht reglementierten Berufen möglich. Und schließlich können gemäß Papier auch diejenigen nach Deutschland einreisen, die eine Berufsausbildung in einem Unternehmen absolvieren.

Ich möchte hervorheben, dass die Unternehmen endlich einen größeren Entscheidungs- und Handlungsspielraum erhalten, u.a. im Rahmen einer ‚Anerkennungspartnerschaft mit Erwerbsmigranten‘, die eine qualifizierte Beschäftigung und ein paralleles Anerkennungsverfahren ermöglicht. (Overkamp)

Kern der beruflichen Integration: Sprachkenntnisse

Für den öffentlichen Verkehr sind Sprachkenntnisse eine Schlüsselkompetenz.

Sprachförderung ist daher gut investiertes Geld. Diejenigen, die fragen, wozu das Fahrpersonal oder die Kollegen in betrieblichen Funktionen überhaupt gut Deutsch sprechen müssen, sage ich: Im Regelbetrieb wäre es schön, wenn die eine oder andere Serviceansprache oder Hilfestellung auf Deutsch ergeht. Doch wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, ein Notfall, Unfall, eine Verletzung, ist Deutsch unabdingbar: Hier brauchen wir die Level B1 und B2 sowie im Level C für höher Qualifizierte. Hier geht es um Qualität: Wir können auf diese wichtige Kommunikation mit den Fahrgästen, Betriebsleitzentralen und innerhalb des Unternehmens nicht verzichten. (Overkamp)

Der VDV drängt darauf, hierfür die entsprechenden Finanzmittel und Ausbildungsstrukturen bereitzustellen.

Per Chancenkarte Einreise ohne Arbeitsangebot

Mit der sogenannten „Chancenkarte” ist eine Einreise auch ohne konkretes Arbeitsangebot möglich, sofern verschiedene Kriterien erfüllt sind – beispielsweise „Hochschulabschluss oder berufliche Qualifikation“, „früherer Aufenthalt in Deutschland“ und „Alter unter 35 Jahren“.

Wir haben uns in unseren Stellungnahmen dafür eingesetzt, dass das gesamte formale Integrationsverfahren entbürokratisiert wird. Ordnung und Regeln müssen sein, doch das ‚Transparente Verwaltungsverfahren‘ könnte zu einer spürbaren Entlastung führen. Damit beginnt die Integration in das berufliche und soziale System in Deutschland. (Overkamp)

Umsetzung ab Frühjahr 2023

Die in den verschiedenen Gesetzen notwendigen Änderungen sollen Anfang 2023 im Bundeskabinett beschlossen werden. Ab Frühjahr soll das novellierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz umgesetzt werden.

Klar ist für die Branche auch, dass wir uns auf dem inländischen Arbeitsmarkt noch stärker positionieren müssen – auch mit der VDV-Arbeitgeberinitiative – und noch stärker das Potenzial heben, was da ist. Dazu müssen wir unsere Personalabteilungen stärken, Anzeigen auf Englisch schalten, noch mehr auf Frauen und Quereinsteiger setzen. Wir müssen alle Register ziehen, und doch wird das nicht reichen. Darum sind wir als Bus- und Bahnunternehmen auf die einwandernden Fachkräfte angewiesen. Diese Themen werden wir beim VDV-Fachkräftekongress vom 28. Februar bis 1. März in Berlin vertiefen. (Overkamp)