Daimler Buses: Bus-Rohbau ab 2028 nur noch in Tschechien

Das ist eine Maßnahme im Rahmen der strukturellen Veränderungen, die die Geschäftsführung und der Gesamtbetriebsrat im gemeinsamen „Zukunftsbild“ beschlossen haben – damit soll die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und der deutschen Standorte gewährleistet werden.

Harte Einschnitte auf dem Weg in die Zukunft, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Die verschärfte Marktsituation mit vielen neuen E-Bus-Wettbewerbern forderte eine kostenseitige Neuaufstellung, im Bild v.l.: Till Oberwörder, CEO Daimler Buses, und Bruno Buschbacher, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von EvoBus. (Foto: Daimler)
Harte Einschnitte auf dem Weg in die Zukunft, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Die verschärfte Marktsituation mit vielen neuen E-Bus-Wettbewerbern forderte eine kostenseitige Neuaufstellung, im Bild v.l.: Till Oberwörder, CEO Daimler Buses, und Bruno Buschbacher, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von EvoBus. (Foto: Daimler)
Martina Weyh

Die Geschäftsführung von Daimler Buses und der Gesamtbetriebsrat der EvoBus GmbH haben ein sogenanntes „Zukunftsbild“ zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und der deutschen Standorte vereinbart. So wird das Unternehmen verschiedene strukturelle Änderungen umsetzen, um die jährlichen Kosten in Deutschland dauerhaft zu reduzieren.

Unter anderem werde ab dem Jahr 2028 der Bus-Rohbau für die Werke Ligny-en-Barrois, Mannheim und Neu-Ulm vollständig am Standort Holýšov in Tschechien erbracht. Im Gegenzug konnte der Gesamtbetriebsrat die Verlängerung der bestehenden Zukunftssicherung für die Beschäftigten der EvoBus GmbH in Deutschland von aktuell 2024 bis Ende 2033 erreichen, heißt es in der begleitenden Pressemitteilung. Damit seien betriebsbedingte Kündigungen in diesem Zeitraum ausgeschlossen. Darüber hinaus will Daimler Buses bis Ende des Jahrzehnts rund 150 Mio. Euro in die beiden deutschen Standorte investieren.

„Wir haben gemeinsam mit dem Betriebsrat in intensiven Gesprächen ein Zukunftsbild vereinbart, dass unsere langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen soll. Damit schaffen wir für unsere Produktionsstandorte in Mannheim und Neu-Ulm eine langfristige Perspektive. Wir sind und bleiben der einzige Hersteller, der weiterhin in Deutschland Stadt- und Reisebusse fertigt“, so Daimler Buses CEO, Till Oberwörder.

Man habe eine klare Roadmap für Fahrzeuge mit vollelektrischem Antrieb definiert. Es gebe jedoch viele neue Wettbewerber, die E-Busse anbieten. Diese verschärfte Marktsituation führe dazu, dass das Daimler Buses die Produktion kostenseitig besser aufstellen müsse. Das betreffe insbesondere die deutschen Werke.

„Mit dem Zukunftsbild für EvoBus haben wir in Summe ein tragfähiges Ergebnis erreicht. Beide Seiten mussten sich in den Verhandlungen bewegen. Wir sichern die Traditionsstandorte Mannheim und Neu-Ulm langfristig ab und geben den Kolleginnen und Kollegen eine verlässliche Zukunftsperspektive. Beide Standorte haben künftig eine führende Rolle bei der Entwicklung und Produktion“, erläutert Bruno Buschbacher, Gesamtbetriebsratsvorsitzender EvoBus, die Entscheidung. „Ein solches Ergebnis war nur möglich, weil die Kolleginnen und Kollegen über beide Standorte hinweg geschlossen und solidarisch für ihre Interessen eingetreten sind.“

Der Gesamtbetriebsrat von EvoBus habe die Verlagerung des Rohbaus ins Ausland akzeptieren müssen, weil das Unternehmen nur so die notwendige Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen könne. Eine Blockade hätte für EvoBus in den kommenden Jahren nur noch mehr Unsicherheit gebracht und letztlich ein Sterben auf Raten bedeutet.

„Wir bedauern diesen Schritt, müssen aber der Realität ins Auge sehen. Nun ist es die Aufgabe des Managements, die notwendigen Investitionen an den deutschen Standorten zu tätigen, für die vereinbarte Ersatzbeschäftigung zu sorgen und EvoBus in eine erfolgreiche Zukunft zu führen“, so Buschbacher.

Flexibilität im europäischen Produktionsverbund soll ausgebaut werden

Als Bestandteil des Zukunftsbilds will Daimler Buses die Zusammenarbeit im europäischen Produktionsverbund ausbauen. Künftig sollen die Fahrzeugstückzahlen in Abhängigkeit der Auftragslage flexibel verteilt werden. Für die beiden Standorte Mannheim und Neu-Ulm ist die Mindestgröße der Stammbelegschaft in der Produktion nach Daimlerangaben auf jeweils 1.500 festgelegt. Eine Deckelung der Produktionsstückzahlen werde es in Deutschland nicht geben. Damit hätten die Werke Mannheim und Neu-Ulm die Chance, an künftigem Wachstum teilzuhaben.

Mannheim und Neu-Ulm: Kompetenzzentren im Produktionsverbund

Der Plan – alle neuen Mercedes-Benz Stadt- und Setra Reisebusse für den europäischen Markt werden zukünftig in den Daimler Buses Werken Mannheim und Neu-Ulm entwickelt und anlaufen. Dabei wird Mannheim das Kompetenzzentrum für E-Stadtbusse und sich ab 2024 vollständig auf die Produktion von elektrisch angetriebenen Stadtbussen fokussieren. Zusätzlich soll das Werk stärker in die Komponentenfertigung einsteigen.

Neu-Ulm bleibt das Kompetenzzentrum für Reisebusse und wird weiterhin als einziger Standort Setra Reisebusse fertigen. Ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts sollen in Neu-Ulm auch elektrisch angetriebene Überlandbusse und ab Ende der Dekade Reisebusse mit batterieelektrischem sowie wasserstoffbasiertem Brennstoffzellenantrieb vom Band laufen.

Die Zukunft – elektrisch angetriebene Modelle im Gesamtportfolio

Bis zum Jahr 2030 plant Daimler Buses in jedem Segment lokal CO2-neutrale Modelle auf der Basis von Batterien oder Wasserstoff anzubieten. Dabei liege der Fokus zunächst auf den Kernmärkten Europa und Lateinamerika.

Bis 2039 sollen im Kernmarkt Europa nur noch lokal CO2-neutrale Neufahrzeuge vertrieben werden. Im Stadtbus-Segment soll dies bereits ab dem Jahr 2030 in Europa der Fall sein. Auf dem Weg zur weltweiten Elektrifizierung der Personenbeförderung plant der Bushersteller ab Mitte der Dekade den ersten vollelektrischen Überlandbus auf den Markt zu bringen.

Ab Ende dieses Jahrzehnts sollen Reisebusse mit batterieelektrischen und wasserstoffbasierten Antrieben folgen. Daimler Buses setzt analog der Doppelstrategie des Mutterkonzerns Daimler Truck ebenso auf beide Technologien – denn nur so können maßgeschneiderte Zero-Emission-Lösungen für die vielfältigen Bedürfnisse der Kunden angeboten werden, ist das Unternehmen überzeugt.

Über das Daimler-Buses-Werk in Mannheim

Der Standort Mannheim ist das Kompetenzzentrum für Stadtbusse aller Antriebsarten sowie Teil des Produktionsverbundes von Daimler Buses. Das Werk beschäftigt rund 3.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zentralen Funktionen sowie in der Montage. In der Produktion am Standort laufen neben konventionell angetriebenen Stadtbussen auch die vollelektrisch angetriebenen eCitaro vom Band – die rein batterieelektrische Variante bereits seit 2018 und in Kürze auch der eCitaro mit Range Extender mit einer wasserstoffbasierten Brennstoffzelle zur Verlängerung der Reichweite.

Über das Daimler-Buses-Werk in Neu-Ulm

Der Standort Neu-Ulm ist das Kompetenzzentrum für Reisebusse aller Antriebsarten und Teil des Produktionsverbundes von Daimler Buses. Das Werk beschäftigt rund 3.600 Beschäftigte in zentralen Funktionen sowie in der Omnibusfertigung. Im Werk Neu-Ulm findet die Endmontage von Mercedes-Benz und Setra Reisebussen statt. In der eigenen Sitzfertigung entstehen zudem Überland- und Reisebussitze für beide Marken. Gleichzeitig befinden sich das Kompetenzzentrum Lackierung für den gesamten Produktionsverbund, die zentrale Ersatzteilversorgung für Mercedes-Benz- und Setra-Omnibusse, das Daimler Buses Entwicklungszentrum für Sicherheits- und Assistenzsysteme, der Versuch sowie das Kompetenzzentrum für 3D-Druckteile in Neu-Ulm.