Elektrifizierung von Busunternehmen in Bayern – der Moment ist jetzt

Eines machte die heute (19. April) vorgestellte gemeinsame Studie von LBO und VDE deutlich – der Umstieg auf emissionsfreie Verkehre ist eine große Herausforderung für kleine und mittelständische Betriebe, wirtschaftlich als auch in der Umsetzung. Und auch das ist klar, es ist eine große Chance und angesichts der CVD alternativlos ­– soll die Verkehrswende auch in der Fläche gelingen, ist ein radikales Umdenken erforderlich, dass alle Firmenbereiche berührt.

Die Studie benennt die Herausforderungen für kleine und mittlere Busunternehmen abseits von Ballungsräumen bei der Implementierung der E-Mobilität und gibt Handlungsempfehlungen, v.l.n.r.: Patrick Heininger und Patrick Zank (VDE Renewables), Stefan Pfisterer (Allianz), Dr. Sandra Schnarrenberger (LBO-Präsidentin), Uwe Schäfer (HDNA), Stephan Rabl (LBO-Geschäftsführer), Burkhard Holder (Geschäftsführer VDE Renewables) (Foto: LBO)
Die Studie benennt die Herausforderungen für kleine und mittlere Busunternehmen abseits von Ballungsräumen bei der Implementierung der E-Mobilität und gibt Handlungsempfehlungen, v.l.n.r.: Patrick Heininger und Patrick Zank (VDE Renewables), Stefan Pfisterer (Allianz), Dr. Sandra Schnarrenberger (LBO-Präsidentin), Uwe Schäfer (HDNA), Stephan Rabl (LBO-Geschäftsführer), Burkhard Holder (Geschäftsführer VDE Renewables) (Foto: LBO)
Martina Weyh

Wie gelingt die Verkehrswende auch abseits der Ballungsgebiete, im ländlichen Raum bei kleinen und mittelständigen Busunternehmen? Antworten darauf gab es bei der heutigen Präsentation (19. April) der vom Bundesverkehrsministerium (BMDV) geförderten Studie des Landesverbandes Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) gemeinsam mit VDE Renewables. Und auch von Unternehmen, die diesen Weg bereits beschritten haben, wie der Busunternehmer Martin Scharf, der im LBO-Arbeitskreis Digitale, Vernetzte Mobilität & Technik vertreten ist.

Wo ist der Weg, welche Herausforderungen sind zu meistern?

Unter der Überschrift „Alles Strom oder was? – Busunternehmen auf dem Weg zur Dekarbonisierung“ wurden die Ergebnisse vorgestellt und den kleinen und mittelständischen Busunternehmen in Bayern ein praxisnaher Leitfaden an die Hand gegeben, um die Verkehrswende auch in der Fläche erfolgreich zu bewältigen.

„Der Mittelstand ist in Bayern wie bundesweit das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs. Wir dürfen ihn deshalb auf dem Weg in einen klimaneutralen Verkehr nicht abhängen. Die meist familiengeführten Busbetriebe in Bayern müssen bei dieser historischen Transformation fachlich und organisatorisch begleitet werden“, so LBO-Geschäftsführer Stephan Rabl.

Soll die Verkehrswende gelingen, müsse der öffentliche Personennahverkehr auch in ländlichen Gebieten auf alternative Antriebe umgestellt werden. Dazu gehörten der Schulbusverkehr, ebenso wie Linienfernbusse oder touristische Reisen mit dem Omnibus. Ein zentraler Bestandteil dieser Entwicklung werde der energieeffiziente E-Bus sein, egal ob in Form eines batterieelektrischen Fahrzeugs oder als Wasserstoffbus.

„Verkehrsbetriebe, die sich frühzeitig anpassen, können sich als innovatives Unternehmen positionieren“, erklärte Burkhard Holder, Geschäftsführer von VDE Renewables.
 

Im Rahmen der Studie, für die Patrick Heininger und Patrick Zank von VDE Renewables verantwortlich zeichneten, wurden repräsentative Mitgliedsunternehmen des LBO ausgewählt und Gegebenheiten und Bedürfnisse in Interviews und bei Begehungen der Betriebshöfe identifiziert und ausgewertet. Der daraus entstandene Leitfaden enthält Checklisten, die den Betrieben bei der Umstellung helfen sollen: Etwa dazu, was bei der Beantragung von Fördergeldern zu beachten ist, welche Auswirkungen auf die Versicherbarkeit des Betriebs entstehen oder wie der Netzanschluss erfolgreich gelingen kann.

Der Fokus der Untersuchung wurde dabei auf rein batterie-elektrische Antriebe und deren unterschiedliche Versionen gelegt. Brennstoffzellen, beziehungsweise auf Basis von Wasserstoff angetriebene Fahrzeuge wurden zwar auch betrachtet, jedoch aufgrund der Rückmeldungen aus den Interviews nicht in gleicher Detailtiefe, erklärte Patrick Heininger.

Deutlich wurde in Heiningers Vortrag, ebenso wie in dem seines Kollegen Patrick Zank – die Einführung elektrischer Antriebssysteme beschränkt sich nicht nur auf die Veränderung der Infrastruktur. Auch Disposition, Personalmanagement und Werkstatt sind betroffen.

„Eine One-fits-all Lösung gibt es nicht.“

So individuell wie jedes Unternehmen sei auch die Umsetzung der Elektromobilität an den Betriebshöfen. Insgesamt gelte es, die regulatorischen und herstellerspezifischen Vorgaben mit den lokalen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen. Und das fange gleich beim Betriebshof an – hier stellen sich grundsätzliche Fragen, ob ein Aus- und Umbau aufgrund der örtlichen Gegebenheiten überhaupt möglich oder ob der Erwerb und Umzug auf ein neues geeigneteres Grundstück nötig ist. Auch ein Fahrzeugmehrbedarf zwischen 5 und 25 % im Vergleich zu Dieselbussen gelte es wegen der geringeren Reichweite der Elektrobusse zu bedenken.

Ein weiterer Knackpunkt sind die Netzbetreiber, denn diese können einen Antrag auf eine erhöhte Anschlussleistung ablehnen, wenn das Netz bereits an seiner Kapazitätsgrenze ist. Hier gelte es, diese bereits zu einem sehr frühen Planungszeitpunkt einzubeziehen, um keine bösen Überraschungen zu erleben. VDE-Renewables-Geschäftsführer Burkhard Holder sagte den bayerischen Busunternehmen bei den nötigen Verhandlungen mit den Netzbetreibern seine Unterstützung zu.

Förderungsmöglichkeiten

Einen vertieften Einblick in die verschiedenen Förderungsmöglichkeiten gab es von Jascha Lackner, Programm Manager Bus bei der NOW GmbH, die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums u.a. für die Entwicklung und Umsetzung von Förderrichtlinien verantwortlich zeichnet. Die Zahl der Elektrobusse habe sich in den letzten fünf Jahren verzehnfacht, berichtete Lackner.

Im vergangenen Jahr lag der Anteil der monatlichen Neuzulassungen von E-Bussen durchschnittlich bei 16,5 %.

Anders als am Anfang würden die Förderaufrufe stärker auf die KMU ausgelegt. Die Förderrichtlinie Bus hat ein Volumen von 1,75 Mrd. Euro und ist technologieoffen – Batterie-, Batterieoberleitungs- und Brennstoffzellenbusse werden mit 80 % vom Bund gefördert, Biogasbusse mit 40 % und die notwendige Infrastruktur ebenfalls mit 40 %. Zum Portfolio gehört auch die Förderung von Machbarkeitsstudien. Lackner empfahl den Busunternehmen als Entscheidungshilfe den Online-Leitfaden „ebus TOOL", der neben

  • Grundwissen zu Elektrobussen
  • Einsatzfälle und Kostenstrukturen
  • Informationsplattform

auch

die Berechnung und Analyse von 

  • Betriebsabläufen
  • Kostenvergleich
  • Klimaauswirkungen

beinhaltet.

Brandschutz

Mit einem hartnäckigen Gerücht räumte Stefan Pfisterer, Risikoingenieur bei der Allianz und Mitglied im GDV-Expertennetzwerk Feuer, in seinem Redebeitrag auf. Immer wieder gehe das hartnäckige Gerücht um, dass Busdepotbrände vermehrt mit Elektromobilität einhergingen. Das sei mitnichten der Fall, so der Allianzfachmann, die Brandlast sei bei Diesel- und E-Bussen vergleichbar. Während es bei Dieselbussen meist während des Fahrbetriebs zu Bränden käme, passiere dies bei E-Bussen eher im Depot beim Laden beispielsweise durch Schäden am Akku.

Pfisterer führte die Fahrzeugverdichtung auf den Betriebshöfen als einen der Gründe für die ansteigenden Zahlen bei Großbrandereignissen an. Bei einem Abstand von weniger als einem Meter zwischen den Fahrzeugen, wie es auf den meisten Betriebshöfen Realität sei, breite sich ein Feuer in rasender Geschwindigkeit von einem auf den anderen Bus aus und was in dem meisten Fällen zu einer vollständigen Flottenzerstörung im Brandabschnitt führe.

Der Risikoingenieur legte den Teilnehmern die VdS-Broschüre „Brandschutz in Betriebshöfen für Linienbusse“ ans Herz. Dort ist der aktuelle Expertenstand zum Themenbereich abgebildet. Der Ratgeber kann kostenlos auf der VdS-Webseite heruntergeladen werden und steht auch im Anhang dieser Meldung zum Download bereit. Und noch einen Lesetipp hatte Pfisterer fürs Auditorium dabei: die VDV-Schrift 825, die sich mit den Anforderungen an Betriebshöfe und Werkstätten beim Einsatz von Linienbussen mit sauberen und/oder emissionsfreien Antrieben beschäftigt und auch den Bereich Planung, Bau (Um- oder Neubau) von Betriebshöfen umfasst.

Die Podiumsdiskussion am Ende machte noch einmal deutlich, wie wichtig die zeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Elektrifizierung ist. Denn von heute auf morgen geht gar nichts – von der Machbarkeitsstudie über die Planung und Beantragung von Fördergeldern bis zum Umbau des Betriebshofs und dem Aufbau einer Elektrobusflotte mit Anschlusstransformator und professioneller Ladeinfrastruktur dauert es mindestens zwei Jahre – eher länger, wie Martin Scharf am Beispiel seines eigenen Betriebes aufzeigte. 

Die Studienergebnisse en détail mit zahlreichen Checklisten stehen auf der LBO-Webseite kostenlos zum Download bereit »