Senioren verschulden häufiger Unfälle

Mindestens 65 Jahre alte Autofahrer trugen in mehr als zwei Dritteln der Unfälle mit Personenschaden die Hauptschuld.

Ältere sind überproportional oft an Unfällen mit Personenschaden beteiligt. (Foto: Pixabay)
Ältere sind überproportional oft an Unfällen mit Personenschaden beteiligt. (Foto: Pixabay)
Claus Bünnagel
(erschienen bei VISION mobility von Claus Bünnagel)

Die Erkenntnisse der jüngsten Erhebung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sind eindeutig: Im vergangenen Jahr trugen die mindestens 65 Jahre alten Autofahrer in mehr als zwei Dritteln (69 %) der Unfälle mit Personenschaden die Hauptschuld. Mit steigendem Alter erhöhte sich die Zahl sogar noch: Die über 75-Jährigen waren sogar bei 77 %, also mehr als drei Viertel aller Unfälle, die Hauptverursacher. Das ist bei Weitem der höchste Wert aller Altersgruppen. Bei den unter 65-jährigen Fahrern waren 55 % Hauptverursachende. In dieser Altersklasse verschuldeten vor allem ganz junge Fahrer im Alter von 18 bis 20 Jahren überproportional viele Verkehrsunfälle, nämlich 71 %.

Zahlen richtig einordnen

Zugleich sind ältere Menschen – gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung – allerdings seltener in Verkehrsunfälle verwickelt als jüngere. So waren im vergangenen Jahr lediglich 15 % der über 65-Jährigen an Unfällen mit Personenschaden beteiligt, und das, obwohl ihr Anteil an der Bevölkerung 22 % betrug.

„Diese Zahlen gilt es einzuordnen: Die geringere Unfallbeteiligung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass ältere Menschen generell nicht mehr so präsent im Straßenverkehr sind, vor allem, weil sie nicht mehr zur Arbeit pendeln. Gerade Hochbetagte besitzen auch oft gar kein Auto mehr. Laut Statistik hatten im vergangenen Jahr noch 77 % der Haushalte mit Haupteinkommenspersonen von 65 bis 69 Jahren mindestens ein Auto, in der Altersgruppe der Hochbetagten über 80 Jahren waren es nur noch 65 %“, erläutert Isabella Finsterwalder, Pressesprecherin des Automobilclub KS e.V.

Distanzen gehen im Alter zurück

Auch die als Autofahrer zurückgelegte Strecke geht nach Angaben des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr ab 60 Jahren mit steigendem Alter deutlich zurück.

„Das bedeutet im Gegenzug, dass wir die von älteren Menschen verursachten und überproportional häufig schweren Unfälle besonders ernst nehmen müssen“, so Finsterwalder.

Insgesamt waren 2022 rund 390.300 Pkw-Fahrer in einen Unfall mit Personenschaden involviert – in mehr als der Hälfte, nämlich in 57 % der Fälle, waren die Fahrer auch hauptverantwortlich für den Unfall.

Unfallursachen verglichen mit der Altersgruppe

Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Fahrern gab es zudem bei den Ursachen für die Autounfälle. Vor allem Fehlverhalten beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren führte bei den Fahrern 65+ in 22 % der Fälle zum Unfall, bei den unter 65-Jährigen hingegen lediglich bei 19 %. Auch die Missachtung von Vorfahrt bzw. Vorrang war bei den Älteren mit 22 % häufiger Unfallursache als bei den Jüngeren unter 65 (17 %). Hingegen wurde älteren Menschen nach Angaben von Destatis deutlich seltener zur Last gelegt, den Abstand nicht eingehalten zu haben (11 zu 16 %), mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren zu sein (5 zu 11 %) oder ihr Auto unter Alkoholeinfluss (1 zu 4 %) gesteuert zu haben.

Schwerwiegendere Unfallfolgen für ältere Menschen

„Aus der Untersuchung des Statistischen Bundesamtes lässt sich aber noch eine weitere Erkenntnis ableiten: Bei älteren Menschen sind die Unfallfolgen im Durchschnitt massiver als bei jüngeren“, stellt Finsterwalder klar.

So wurden 22 % der verunglückten älteren Menschen schwer verletzt, während es bei den unter 65-Jährigen mit 15 % deutlich weniger waren. Der Anteil der Senioren an allen Verunglückten betrug insgesamt 15 %, bei den Todesopfern war er mit 37 % wesentlich höher. Überhaupt liegt bei einem Verkehrsunfall die Überlebenswahrscheinlichkeit für mindestens 65-Jährige deutlich unter der bei Jüngeren – der Anteil der Getöteten an den Verunglückten liegt bei den unter 65-Jährigen bei 1 %, bei den Senioren ist er mit 2 % doppelt so hoch.

„Das ist nachvollziehbar, denn zum einen lässt mit zunehmendem Alter die körperliche Widerstandskraft nach, zum anderen sind ältere Menschen häufiger zu Fuß und damit ungeschützt unterwegs und entsprechend einem höheren Risiko für schwere Verletzungen ausgesetzt“, erläutert die Pressesprecherin des Automobilclub KS e.V. die Ergebnisse des Statistischen Bundesamts.

Was das bedeutet

Berufskraftfahrer müssen alle fünf Jahre ihren Führerschein verlängern und im Rahmen dieses Verfahrens auch ihre Fahrtüchtigkeit unter Beweis stellen. Deshalb und angesichts obiger Zahlen wäre es angebracht, allen Fahrern ab einem Alter von 50 Jahren eine solche Pflicht aufzuerlegen. Doch mächtige Lobbyinteressen von Verbänden und die Politik haben sich diesem Anliegen bislang in den Weg gestellt. Angesichts einer weiteren stetigen Überalterung der mitteleuropäischen Gesellschaft wird das Problem jedoch dringlicher werden in den nächsten Jahren. Handlungsbedarf ist angesagt.