Mobilität ist mehr als Automobilität
Genau ein Jahr nach dem ersten Mobilitätsgipfel der Bundesregierung fordert ein Bündnis aus Verbänden und Gewerkschaften klare Prioritäten in der Verkehrspolitik. IG Metall, EVG, Allianz pro Schiene, ADFC und Zukunft Fahrrad appellieren an die Koalition, in der verbleibenden Amtszeit ihre Verkehrspolitik stärker an ökologischen und sozialen Kriterien auszurichten und die Industrie für veränderte Arbeitsplätze zu wappnen. Ziel muss dem Bündnis zufolge eine gesetzlich verankerte Mobilitätsgarantie für alle Menschen in Deutschland sein. Am Anfang müsse ein eindeutiges Bekenntnis zu neuen Prioritäten in der Verkehrspolitik stehen, sagte der der EVG-Vorsitzende Martin Burkert.
„Mobilität ist mehr als Automobilität. Autobahnen und Bundesstraßen hat Deutschland genug, Schienenstrecken und Radschnellwege zu wenig“, so Burkert.
Dieser neuen Priorisierung müsse auch eine andere Art der Finanzierung folgen. „Es braucht einen verkehrsträgerübergreifenden Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild, der für mehrere Jahre aufgestellt wird. Nur so gibt es eine sichere Finanzierungsgrundlage für die Verkehrswende", findet Burkert.
„Finanzmittel aus dem Neubau von Bundesfernstraßen müssen zur Gegenfinanzierung umgeschichtet und Steuern im Mobilitätsbereich neu ausgerichtet werden", fordert der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege.
Auch bei der Radinfrastruktur sieht das Bündnis großen Nachholbedarf. ADFC-Bundesvorsitzender Frank Masurat findet, um das im Nationalen Radverkehrsplan vereinbarte Ziel von doppelt so viel Fahrradverkehr und gleichzeitig mehr Sicherheit für Radfahrende zu erreichen, müsse die Bundesregierung das Straßenverkehrsgesetz fahrradfreundlich reformieren. Das aktuelle Gesetz bremse die Kommunen beim Bau von sicheren und attraktiven Radwegen aus. Das Bundesverkehrsministerium habe dazu einen Gesetzesvorschlag gemacht, der vom Bundestag beschlossen wurde. Doch jetzt stehen einige Bundesländer mit vorgeschobenen Argumenten auf der Bremse.
"Es ist zynisch, dass sie die Privilegien des Autoverkehrs zulasten der Sicherheit von Radfahrerinnen und Radfahrern zementieren wollen. Wir appellieren dringend an Bund und Länder, noch in dieser Legislatur eine Einigung zu finden. Die Reform des Straßenverkehrsgesetzes bringt nicht weniger Verkehrssicherheit, sondern mehr", appelliert Masurat.
Darüber hinaus brauche es weitere Anreize, um auf nachhaltige Verkehrsmittel umzusteigen. Bei allen steuerlichen Lenkungsinstrumenten im Verkehrssektor müsse gelten, dass die am wenigsten klimaschädlichen Verkehrsmittel am stärksten gefördert werden. Die Bundesregierung könnte die steuerlichen Regelungen jederzeit entsprechend anpassen, erklärte Elena Laidler-Zettelmeyer, Leitung Strategische Kooperationen bei Zukunft Fahrrad.
„Anreize werden auch durch eine vereinfachte Besteuerung geschaffen. Eine unkomplizierte Anwendung eines Mobilitätsbudgets im betrieblichen Kontext schafft Wahlfreiheit und fördert den Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel abseits vom Dienstwagen", fordert Laidler-Zettelmeyer.
Zur Verkehrswende gehört für das Bündnis auch, veränderte und neue Arbeitsplätze mitzudenken und deren Qualität zu sichern. Die Verkehrswende habe das Potenzial für eine Beschäftigungsoffensive. Dafür brauche es eine aktive Industriepolitik und gute Weiterbildungsmöglichkeiten für Beschäftigte von Unternehmen, die in der Transformation stecken. Betriebsräte müssen dabei von Anfang an eng eingebunden werden, fordert der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner.
„Die Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, Arbeitsplätze in Deutschland und Europa zu fördern. Sie sollte per Gesetz sicherstellen, dass mindestens 50% der Busse und Bahnen ‚made in Europe‘ sind, wenn die öffentliche Hand Verkehrsdienstleistungen vergibt oder öffentliche Verkehrsunternehmen Fahrzeuge für den Personentransport beschaffen", appelliert Kerner weiter.
Das Bündnis regt an, in Deutschland eine Mobilitätsgarantie einzuführen – so wie sie in Österreich und der Schweiz bereits existiert. „Das bedeutet Mindeststandards im ganzen Land und einen gesetzlichen Anspruch auf Mobilitätsdienstleistungen“, sagte Dirk Flege im Namen aller Beteiligten.
„Die Verkehrswende ist auch eine Chance, dass vieles besser wird – ökologisch, ökonomisch und sozial.“
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