PendelLabor Frankfurt: Pedelec statt Cadillac!

Mit einem Pilotprojekt untersucht das Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt, wie sich Autopendler zum Umstieg bewegen lassen, auf öffentlichen Nahverkehr, E-Autos, lokales Co-Working-Spaces oder auch Pedelecs. Damit mehr Leute umsteigen, braucht es aber vor allem: Attraktivere Radinfrastruktur.

Besser per Bike pendeln: Gravel Collective Tour während der diesjährigen Eurobike in Frankfurt. Aktuell läuft ein Mobilitätsexperiment, das Autofahrer zum Umstieg bewegen will. | Foto: Eurobike/Dan Zoubek
Besser per Bike pendeln: Gravel Collective Tour während der diesjährigen Eurobike in Frankfurt. Aktuell läuft ein Mobilitätsexperiment, das Autofahrer zum Umstieg bewegen will. | Foto: Eurobike/Dan Zoubek
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Nach wie vor dominiert der Pkw das Pendelgeschehen in Deutschland: Gut zwei Drittel der Arbeitnehmer*innen fahren mit dem Auto, nur ein Zehntel nimmt regelmäßig das Rad, so die Statistik von 2020. Von einer "ungebrochenen Dominanz des Autos", spricht daher das Bundesamt für Statistik. Kein Wunder: Der Fahrzeugbestand wuchs zuletzt auf den Rekordstand von 48,5 Millionen zugelassener Pkw in Deutschland, immer mehr Haushalte haben Zweit- oder gar Drittwagen. Und die wollen eben bewegt werden. Und zwar gerne auch auf kurzen Strecken: Sogar unter fünf Kilometern liegt der Pkw-Anteil noch bei 40 Prozent, das Fahrrad erobert hier immerhin ein Viertel. Ab fünf bis zehn Kilometer zeigt das Auto dann die Rücklichter und liegt mit 69 Prozent in Front, elf Prozent schwingen sich dann noch in den Sattel.

"Im Vergleich zu anderen Ländern sind Deutsche Weltmeister darin, auf kurzen Strecken mit dem Auto zu fahren", konstatierte jüngst Claudia Nobis, Verkehrsforscherin am Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR) gegenüber Spiegel Online.

Und sie bestätigt die Bundestatistiker, dass die meisten Arbeitswege durchaus fahrradtauglich wären: Die Hälfte der Pendler hat nach eigenen Angaben einen Arbeitsweg unter zehn, 27 Prozent von maximal fünf Kilometer". Die Hemmschwelle für die Radnutzung liegt etwa bei zehn Kilometern. Mittels Pedelec lasse sich diese auf rund 17 Kilometer erhöhen, schätzt Forscherin Jana Heimel von der Hochschule Heilbronn, die das Projekt PendelRatD leitet, ähnlich dem Frankfurter Projekt PendelLabor. Hier sah man ebenfalls Handlungsbedarf für die Erforschung der Bedingungen, unter denen Pendler umsteigen würden. 

"Das Pendleraufkommen in Deutschland stieg in den letzten Jahren immer weiter an – mit den bekannten Folgen für Ökologie, Gesundheit und Lebensqualität, die in den sogenannten Einpendlerstädten deutlich spürbar sind. Aber auch die Nebenfolgen des Pendelns in den Herkunftsorten und Transitkommunen sind nennenswert. Im Forschungsprojekt PendelLabor werden Ansatzpunkte für Maßnahmen identifiziert und über innovative Planungspraktiken in die Gesellschaft eingebracht, mit dem Ziel, eine sozial-ökologische Transformation des Mobilitätssystems zu fördern", heißt es zur Begründung des Projekts.

Teilnehmer können sich während der Projektphase aussuchen, ob sie statt dem eigenen Auto etwa ein E-Auto, den ÖPNV, ein Pedelec respektive Fahrrad oder einen lokalen Co-Working-Space ausprobieren wollen. Mit letzterem entstehen viele Pendelwege natürlich erst gar nicht. Als "Mobilitätsexperiment" beschreiben denn auch die Forscher in Vorhaben. Mitmachen kann jeder/jede Volljährige(r), der/die bisher den gesamten Pendelweg oder den überwiegenden Teil mit dem Auto zurücklegt, einen einfachen Pendelweg von drei Kilometer oder länger, häufiger als zwei Mal pro Woche zurücklegt. Und natürlich, sofern man im Hochtaunuskreis, dem Kreis Groß-Gerau woht und in Frankfurt, Hochtaunuskreis, Kreis Groß-Gerau oder einer an Frankfurt angrenzenden Kommune arbeitet, studieret oder eine Ausbildung macht. Ganz schön viele Parameter, aber das Interesse ist dennoch groß. Denn viele würden die Vorteile oft erst "learning by doing" erkennen.

Fast nur Vorteile: Gesundheit, Umwelt, Kosten

Zu denen zählt Forscherin Heimel im Falle des Fahrrads/Pedelecs allem voran die Gesundheit durch tägliche Bewegung. Dann natürlich den Faktor Umwelt, mit deutlich reduziertem CO2-Ausstoß. Auch der Faktor Lärm werde häufig unterschätzt, ebenso der Aspekt des Platzbedarfs durch ein Auto. Nicht zuletzt kämen aber die Kosten ins Spiel: Kauf und Unterhalt eines Fahrrads oder Pedelecs sind günstiger. Auf ebener Strecke rechnen die Forscher beim Pedelec mit 0,5 kWh/100 km an Energie, da kann kein noch so sparsames E-Auto (ca. 15 kWh/100 km) mithalten. Für 20 Cent pendelt man damit durch die Woche, listet Spiegel Online auf, während ein Benzin-Auto mindestens 16 Euro pro Woche verschlinge.

Routinen sind schwer zu brechen

Die Heilbronner Forscher ermittelten bei einer Umfrage im Großraum Stuttgart/Heilbronn auch noch die interessante Zahl, dass die Hälfte der Autofahrer am liebsten mit dem Rad pendeln würden. Dass sich das nicht in Umsteigerzahlen äußere habe mit verschiedenen Faktoren zu tun. Für manche sei der Pkw immer noch ein Statussymbol oder in der Arbeit wichtig. Viele haben auch keine Lust oder kennen schlicht den Weg nicht. Daher säßen die meisten aus Gewohnheit im Auto. Von über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen der "autogerechten Stadt" spricht auch DLR-Forscherin Nobis und verweist auf "eingeübte Routinen", die zu brechen, es starker Gründe bedürfe. Nach ihr müsste das Radfahren deutlich attraktiver werden, mit sicheren und breiten Radwegen und Abstellmöglichkeiten. Andererseits müsste aber auch das Autofahren deattraktiviert und "sanfte Hürden" eingebaut werden, etwa teureres Parken.

Arbeitgeber müssten weniger Parkplatz vorhalten

Heimel verweist auch auf Vorteile für den Arbeitgeber, weil weniger Platz in der Firma, etwa ein Zehntel, benötigt wird. Zudem seien Radfahrer im Schnitt zwei Tage pro Jahr weniger krank. Es brauche also eine Förderung von Politik, aber auch Arbeitgebern, etwa auch mit Dienstradmodellen. Das seit 2018 laufende Heilbronner Projekt zeitigt schon mal erste Erfolge: So wollen 85 Prozent der Teilnehmer*innen auch nach der Testphase weiter mit dem Rad pendeln. Ein Drittel habe sich ein Rad oder Pedelec zugelegt, die Hälfte erwäge Kauf oder Leasing.