Deutscher Städtetag fordert Tempoverschärfung bei der Verkehrswende

Der Präsident des obersten Verbandes der Kommunen und Städte Markus Lewe hält die Verkehrsinfrastruktur für "dramatisch unterfinanziert" und verlangt eine Neuaufteilung des öffentlichen Raums zugunsten von Fahrrad, Fußverkehr und ÖPNV.

Klare Worte in Richtung Regierung: Städtetagspräsident Lewe mahnte, die Verkehrswende müsse endlich auf Touren kommen. | Foto: Dortmund-Agentur/Roland Gorecki
Klare Worte in Richtung Regierung: Städtetagspräsident Lewe mahnte, die Verkehrswende müsse endlich auf Touren kommen. | Foto: Dortmund-Agentur/Roland Gorecki
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

"Wir dürfen nicht zaghaft und zögerlich sein, wenn es um den Umbau unserer Verkehrssysteme geht. Und wir müssen klotzen statt kleckern", mit diesem dringenden Appell forderte der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe bei der Hauptversammlung des kommunalen Spitzenverbandes in Dortmund. Der Oberbürgermeister von Münster mahnte weiter, die kommunale Verkehrsinfrastruktur sei "dramatisch unterfinanziert", Lewe sieht einen Investitionsstau von über 38 Milliarden Euro. Für die Trendwende zu nachhaltiger Mobilität bräuchten die Kommunen über bisherige Programme hinaus eine Investitionsoffensive von Bund und Ländern mit zusätzlichen Mitteln von 20 Milliarden Euro für mindestens zehn Jahre, zwei Milliarden Euro jährlich. "

"Auch der Klimaschutz im Verkehr ist zu lange vernachlässigt worden. Deshalb muss jetzt schnell gehandelt werden. Die Verkehrswende muss auf Touren kommen. Wir müssen einer nachhaltigen, umweltfreundlichen und klimaschonenden Mobilität für alle zum Durchbruch verhelfen. Das wollen viele Menschen und das wird unsere Städte lebenswerter machen", forderte Lewe die Bundesregierung zum Handeln auf.

Der ÖPNV lebt von der Substanz

Die Städte fordern dazu von Bund und Ländern ein Gesamtkonzept für nachhaltige Mobilität, in dem der Klimaschutz eine wichtige Rolle spielt. Es brauche vor allem mehr attraktive Angebote, vom Auto auf die Bahn, auf ÖPNV, Fahrrad und Fußwege umzusteigen, befand Lewe. Auch die Städte würden etwa in emissionsarme Busse und Bahnen investieren, die Verkehrsmittel besser vernetzen und die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ausbauen. Aber in Anbetracht von rund elf Milliarden Fahrgästen, die mit steigender Tendenz jährlich im ÖPNV in Deutschland unterwegs seien, lebe der ÖPNV  seit Jahren von der Substanz. Tunnel- und Gleisanlagen müssten saniert, Busse und Bahnen neu beschafft und Haltestellen umgebaut werden. Der Bund müsse jetzt rasch sein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, das Bundesprogramm für Großprojekte im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) von rund 330 Millionen auf 1 Milliarde Euro anzu-heben. Für den Aus- und Umbau von Straßen, Bahnen und Schienen seien zudem die Länder gefordert, die GVFG-Mittel bedarfsgerecht zu erhöhen, für die sie ab 2020 finanziell verantwortlich sind.

"Der Fahrradverkehr nimmt deutlich zu, immer mehr Menschen fahren selbst weitere Strecken mit dem Rad und elektrische Tretroller werden in Kürze ebenfalls verstärkt Radwege nutzen. Deshalb brauchen wir auch eine Radwege-Offensive von Bund, Ländern und Kommunen", forderte Lewe.

Ineffizient: Nur 1,4 Menschen in einem Pkw pro Fahrt

Außerdem hält der oberste Kommunalvertreter es für notwendig, den begrenzten öffentlichen Raum in den Städten neu aufzuteilen. Im Durchschnitt transportieren Pkw nur 1,4 Menschen pro Fahrt, brauchen dafür aber die meiste Fläche pro Fahrgast. Lewe machte deutlich:

"Wir brauchen im öffentlichen Raum mehr Flächen für Begegnungen und für nachhaltige Mobilität. Das Gesicht unserer Städte soll nicht Parkplatz oder vierspurige Straße sein". 

In der Konsequenz müsse es heißen: weniger Platz für Autos, dafür mehr Raum für die Menschen, die mit ÖPNV, dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind. Diese neue Balance müssten die Städte im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern aushandeln, so Lewe weiter. Der Erfolg messe sich vor allem an der Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den ansässigen Unternehmen. Der Deutsche Städtetag vertritt rund 3400 Städte und Gemeinden mit fast 52 Millionen Einwohnern gegenüber Bundesregierung, Bundesrat und Europäischer Union.