Klimaschutz & Verkehr: Was wirksam ist, wird nicht gewünscht

Eine GDV-Umfrage in der Generation Mitte zeigt, dass viele klimaschutzdienliche Maßnahmen im Verkehr als nicht wirksam eingeschätzt werden - weil unerwünscht und unbequem. Ein Fall von "kognitiver Dissonanz".

Ausgeblendet: Ein Verbrennerverbot hält nur eine Minderheit von 11 % für wirksam, höhere Kaufprämien für E-Autos nur ein Viertel der Generation Mitte. | Foto: Compleo
Ausgeblendet: Ein Verbrennerverbot hält nur eine Minderheit von 11 % für wirksam, höhere Kaufprämien für E-Autos nur ein Viertel der Generation Mitte. | Foto: Compleo
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Die jüngste repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Auftrag des Versicherungsverbandes GDV unter 30 bis 59-Jährigen (Generation Mitte) hat eine große Diskrepanz in der Einschätzung von wirksamen Maßnahmen beim Thema Klimaschutz und Mobilität ergeben. Konfrontiert mit einer Liste von 18 Maßnahmen, die der Politik für mehr Klimaschutz bereitstehen, konnten die alljährlich Befragten beliebig viele Faktoren auswählen und als wirksam oder weniger wirksam einstufen.

Auf die Frage, "Was sind aus Ihrer Sicht wirksame Maßnahmen für mehr Klimaschutz?" erhielten Vorschläge wie "Keine Neuzulassung von Autos mit Benzin oder Dieselantrieb" (11 %), "höhere Preise für fossile Brennstoffe" (12%), "höhere Abgaben für Autos mit hohem Ausstoß von Treibhausgasen" (24%), "Höhere Preise für Flugreisen" 37%), "Obergrenze für den Ausstoß von Treibhausgasen" (38%), "Allgemeines Tempolimit auf Autobahnen" (40%), "Ausbau von Radwegen"(40%) relativ wenig Wirksamkeit beigemessen. Dagegen hielten zwei Drittel der 1.055 Vertreter der "Generation Mitte" die "Forschungsförderung für die Entwicklung neuer klimafreundlicher Antriebe und Kraftstoffe" oder "Niedrigere Preise für Bahntickets und den ÖPNV" sowie den "raschen Ausbau von erneuerbaren Energien" für höchstwirksam.

Wissenschaftlich fundierte Wirksamkeit diametral

Die Einschätzungen stehen in diametralem Gegensatz zu den Erkenntnissen und Berechnungen von Wissenschaftlern und Forschern, die im Rahmen des Ariadne-Projekts unter 25 Universitäten und Forschungseinrichtungen in Deutschland im Oktober 2021 vorgenommen wurden, wie Spiegel Online jetzt im Vergleich dargestellt hat. Die Wissenschaftler messen etwa einem "Höheren Preis für Kraftstoffe" die höchste Wirksamkeit im Hinblick auf die Einsparung von Treibhausgasen bei. Der Korridor reicht hier von 6,6 bis 42,6 Megatonnen CO2 pro Jahr. Auch die Verschärfung von CO2-Grenzwerten für Pkw bekommt hohe Wirksamkeitswerte der Forscher mit 2,3 bis 20 Megatonnen jährlicher CO 2-Einsparung.

Pkw-Maut und Abschaffung des Diesel-Privilegs brächten viel

Top liegt auch eine Pkw-Maut mit Fahrleistungskoppelung (12,8 mt CO2/Jahr), kostenloser ÖPNV (2,6-3,8 mg CO2/Jahr). Auch die Abschaffung des Diesel-Privilegs wird hochwirksam bewertet und könnte 3,7 Megatonnen CO2 pro Jahr einsparen. Mehr Güter auf die Schiene bringt es auf 1,8 bis 3,5 mt, ein Tempolimit auch auf 2 bis 3,5 mt, ein Verbrennerverbot in Städten könnte 2,7 mt CO2-Ersparnis beitragen, die Parkraumbewirtschaftung eine bis 1,4 mt CO2. Bei der Einschätzung der Wirksamkeit des Ausbaus des Radverkehrs gehen die Prognosen mit 0,1 bis 1,3 mt CO2/Jahr weiter auseinander, ÖPNV-Ausbau könnte allenfalls 0,2 bis 0,4 mt CO2 einsparen, die Kfz-Steuer nach CO2-Ausstoß brächte laut der Forscher allenfalls 0,3 mt CO2-Ersparnis, eine Flugverkehrssteuer sogar nur 0,1 mt Reduktion.

Nicht entweder oder - sondern sowohl als auch

Im Ergebnis wird deutlich, dass es nicht einige wenige, sondern eher alle diese Maßnahmen braucht, um die Klimaziele im Verkehr einzuhalten und bis 2030 auf die angepeilte Reduktion um 80 Millionen Tonnen CO2 zu kommen. Für die Allensbach-Wissenschaftler liegt der Schluss nahe: "Alle Maßnahmen, die Opfer bedeuten, sind weniger populär". Soziologen sprechen in diesem Fall von kognitiven Dissonanzen: Das, was unerwünscht ist, wird gleich als unwirksam abgestempelt. Sodass den effektiven Klimaschutzmaßnahmen von den Befragten entsprechend weniger Wirksamkeit beigemessen wird, obwohl man es besser wüsste.

Klimakrise: Nur ein Viertel fühlt sich von persönlich bedroht

Die Generation Mitte findet denn auch nur zu einem Viertel die Klimakrise als persönlich starke oder sehr starke Bedrohung (26 %), jedoch zu 69 % für die nachfolgenden Generationen. Konsequent liegt der Klimawandel auch nur auf Platz sieben des Rankings auf die Frage: "Was macht Ihnen große Sorgen?". Weit mehr als der Klimawandel (42 %) besorgt sich die mittlere Generation um die steigenden Preise (72 %), die eventuelle Steuererhöhung (61 %). Die Allensbacher fassen diese Haltung zusammen mit der Conclusio: "Kampf gegen Klimawandel? Ja, aber nicht auf meine Kosten".