Bertelsmann-Studie: Warum der Abbau fossiler Subventionen stockt

Wie es sein kann, dass trotz Klimakrise 65 Milliarden Euro fossiler Subventionen fließen, hat eine Studie der Bertelsmann-Stiftung untersucht. Der Abbau sei zwar Plan der Ampel, die Umsetzung scheitere aber an Klientelpolitik und Definitionsfragen, so das ernüchternde Ergebnis.

Der Verkehr tritt auf der Stelle: Erst jüngst bescheinigte der Expertenrat der Bundesregierung dem Sektor eine gewaltige Klimaschutzlücke. Auch überkommene Fossil-Subventionen tragen dazu ihren Teil bei. | Foto: Audi
Der Verkehr tritt auf der Stelle: Erst jüngst bescheinigte der Expertenrat der Bundesregierung dem Sektor eine gewaltige Klimaschutzlücke. Auch überkommene Fossil-Subventionen tragen dazu ihren Teil bei. | Foto: Audi
Claus Bünnagel
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

In einer neuen Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft untersucht, weshalb trotz der Koalitionspläne zum Abbau klimaschädlicher Subventionen weiterhin große Summen in Incentivierungen fossiler Energien fließen. Darüber berichtet die Süddeutsche Zeitung vorab. Dazu zählt etwa das Diesel- und Dienstwagen- sowie Kerosinprivileg oder die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge. In Summe fließen 65 Mrd. Euro in solche Förderungen, wie das Umweltbundesamt (UBA) im Jahr 2021 errechnet hatte.  Der Abbau "überflüssiger, unwirksamer und klima- und umweltschädlicher Subventionen" sei zwar Teil des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP.

"Doch die Vorzeichen für die Umsetzung stehen nicht nur aus klientelpolitischen Gründen denkbar schlecht. Denn schon bei der Frage, was genau unter diesen Adjektiven zu verstehen ist, gibt es innerhalb der Ampelkoalition auch nach zwei Jahren noch kein gemeinsames Verständnis. Sogar die Frage, was überhaupt eine Subvention ist, wird von verschiedenen Akteuren ganz unterschiedlich beantwortet", so das ernüchternde Fazit der Bertelsmann-Analysten laut SZ. 

Es herrsche heilloses Durcheinander, schon bei der Definition, was überhaupt eine Subvention ist, monierte Bertelsmann-Ökonomin Sara Holzmann laut SZ. Es brauche erst mal einen "gemeinsamen Nenner".

UBA zählt 35 Subventionen, die Regierung nur 14

Das wird etwa auch aus dem zweijährlichen und für Mittwoch wieder anstehenden Subventionsbericht der Bundesregierung klar. Das UBA listet beispielsweise 35 Steuervergünstigungen auf, die die Anwendung fossiler Energien unterstützten und damit eine wirksamere Klimaschutzpolitik konterkarierten. Im Bericht der Regierung schrumpft das auf 14 Maßnahmen zusammen, weil etwa die Kerosinsteuerbefreiung oder die pauschale Dienstwagenbesteuerung definitionsgemäß nicht darunter fallen.

Lindner übernimmt nahtlos von Scholz

Der letzte Bericht fiel just in die Verantwortung des damaligen Finanzministers und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), dessen Nachfolger Christian Lindner (FDP) die Subventionsdefinition nahtlos übernahm. Und sogar noch die Steuervorzüge für Dienstwagen für gerechtfertigt hält. Schließlich sei der meistgenutzte Dienstwagen ein Passat, keine S-Klasse oder Bentley, führte Lindner vor kurzem dazu aus.

"Das sind die Dienstwagen der pendelnden Mitte Deutschlands", gab der Liberale zu Protokoll.

Von wegen "pendelnde Mitte": Nur 5 % mit Dienstwagen

Die Fakten liegen laut UBA anders, wie die SZ weiter klarstellt: Demnach würden nur 5 % der Beschäftigten in Deutschland vom Arbeitgeber ein Dienstmobil gestellt bekommen, meist Männer. Diese zahlten weniger Einkommenssteuer als eine Kollegin ohne Dienstwagen. Darüber hinaus seien die Geschäftswagen meist überdurchschnittlich motorisiert und emissionsintensiv. Die Steuerzahlergemeinschaft kostet das Privileg über drei Milliarden Euro.

Eigentlich hätten alle drei ein Interesse

Umso bizzarrer mutet die fortgesetzte Fossilsubvention an, als alle Ampelpartner ein Interesse haben sollten: Die SPD aus sozialen Gründen, die Grünen aus Klimaschutzgründen und die FDP könnte ihr Dogma, ohne Steuererhöhungen Spielräume im Haushhalt zu schaffen, so realisieren. Die Liberalen halten stattdessen laut der Analyse an den von 1968 stammenden Kriterien des Stabilitätsgesetzes fest. Das sei aus der Zeit gefallen, urteilen die Bertelsmann-Forscher. Von 1990 stammt etwa das Diesel-Privileg, das zu der Zeit mit der Begründung eingeführt worden war, man müsse den Güterverkehr vor der neuen Konkurrenz aus Mittel- und Osteuropal schützen. Heute ist das Argument obsolet, die Subvention noch immer da, mit 8,2 Mrd. Euro jährlich. Die Entfernungspauschale habe vielleicht noch eine sozialpolitische Komponente, müsse aber so modifiziert werden, dass sie dem Klima nicht mehr schade.

"Viele Subventionen haben ihre Legitimation verloren und sollten komplett gestrichen werden. Davor scheuen die Parteien aber zurück", kritisiert der Bertelsmann-Experte Marcus Wortmann.

Zudem solle bei der Einführung neuer Subventionen, wie sie gerade im Hinblick auf die klimagerechte Transformation debattiert werden, darauf geachtet werden, dass die Hilfen befristet sind, regelmäßig überprüft werden und sukzessive wieder zurückgeführt würden, so Wortmann weiter.