Verbände kritisieren Regierung: Verkehrsminister "Totalausfall für Klimaschutz"

Regelrecht erzürnt reagieren Umweltverbände nach der verheerenden Beurteilung der Klimaschutzpläne der Regierung durch den eigenen Expertenrat. Sie fordern von der Ampel-Koalition die Einhaltung der Klimagesetze und speziell im säumigen Verkehrssektor Sofortmaßnahmen wie Abbau fossiler Subventionen, Tempolimit und höheren CO2-Preis.

Ungenügend: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) muss sich nach der Stellungnahme des Expertenrats massive Kritik von Verbänden anhören - und dringend nachbessern in Sachen Klimaschutz. Etwa auch durch Förderung kleinerer und leichterer Elektroautos. | Foto: BMDV
Ungenügend: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) muss sich nach der Stellungnahme des Expertenrats massive Kritik von Verbänden anhören - und dringend nachbessern in Sachen Klimaschutz. Etwa auch durch Förderung kleinerer und leichterer Elektroautos. | Foto: BMDV
Claus Bünnagel
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Nach der Veröffentlichung der negativen Beurteilung des Expertenrats zum Klimaschutzprogramm der Regierung haben mehr als 40 Verbände in Deutschland die Bundesregierung aufgefordert, entschlossener gegen den Klimawandel vorzugehen. In dem Schreiben, aus dem die DPA berichtet, plädieren unter anderem der Verkehrsclub Deutschland, die Arbeiterwohlfahrt und der Bund für Umwelt und Naturschutz haben für einen Kohleausstieg, auch im Osten Deutschlands, bis 2030 und für ein Tempolimit auf Autobahnen und Landstraßen. Spezielle Kritik äußern die Verbände an Verkehrsminister Wissing. Dieser sei ein, so das Papier, "Totalausfall" für den Klimaschutz. Die von ihm geplanten Reformen des Klimaschutzprogramms würden die Klimavorgaben sogar noch weiter abschwächen, so die Verbände.

Sie votieren darüber hinaus für ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und von 80 km/h auf Landstraßen. Zudem sollten klimaschädliche Subventionen abgebaut werden, etwa bei Dienstwagen oder der Besteuerung von Kerosin im Luftverkehr. Sie fordern des weiteren einen Kohleausstieg bis 2030 nicht nur wie bislang geplant im Westen, sondern auch in Ostdeutschland und parallel einen Plan zum Gasausstieg. Bei der energetischen Sanierung von Gebäuden brauche es ebenfalls mehr Tempo. Außerdem solle der CO2-Preis, der Heizen und Tanken mit fossilen Brennstoffen teuer macht, schneller angehoben werden. Spätestens ab 2024 eingeführt werden solle auch das von der Ampelkoalition geplante Klimageld, das Bürger entlasten soll. Bisher ist das ab 2025 geplant.

"Wir fordern Bundeskanzler Olaf Scholz auf, sein Kabinett endlich auf Klimakurs zu bringen und das Erreichen der Klimaziele bis 2030 sicherzustellen", erklärte die Geschäftsleiterin Politik des Dachverbands Klima-Allianz Deutschland, Stefanie Langkamp.

Der von der Regierung berufene Expertenrat hatte jüngst die Klimapolitik der Bundesregierung massiv kritisiert und für nicht auf Kurs mit ihren Zielen befunden. Laut Plan soll Deutschland bis 2030 65 Prozent weniger Treibhausgase im Vergleich zu 1990 ausstoßen.

„Das Urteil des Expertenrats ist eindeutig: Die Klimapolitik der Bundesregierung verstößt gegen Recht und Gesetz. Hier ist Führung von Olaf Scholz gefragt. Der Bundeskanzler muss dafür sorgen, dass der fortgesetzte Rechtsbruch beim Klimaschutz durch die gesamte Regierung endlich endet und alle Ministerinnen und Minister das Nötige tun, um die Klimazielerreichung sicherzustellen", appellierte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.

Das gelte besonders im Problemsektor Verkehr, aber auch im Gebäudebereich. Der Versuch, durch eine Änderung des Klimaschutzgesetzes Verantwortlichkeiten zu verschleiern und die Klimaziele in andere Sektoren oder folgende Jahre zu verschieben, werde nicht funktionieren, mahnte Bals. Gerade Letzteres sei mit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar. Die Regierung müsse sofort einen Plan vorlegen, wie die riesige Lücke zwischen Klimazielerreichung und den bisherigen Anstrengungen geschlossen werden kann. Eine Nachbesserung des Programmes vor Kabinettsbeschluss ist unumgänglich, konstatiert er.

Germanwatch fordert von der Bundesregierung, dass sie in den kommenden Wochen zusätzliche wirksame Maßnahmen im Verkehrs- und Gebäudesektor auf den Weg bringt, um schleunigst ein gesetzeskonformes Klimaschutzprogramm zu beschließen. Vorschläge dazu liegen längst auf dem Tisch: Im Verkehrsbereich ist kurzfristig wirksam vor allem der Umbau des Dienstwagenprivilegs hin zu kleineren batterieelektrisch betriebenen Pkw und die Einführung eines Bonus-Malus Systems in der Kfz-Steuer. Mittelfristig komme es auf den verstärkten Ausbau von Schienen- und ÖPNV-Infrastruktur und ein Ende des Autobahnneubaus an. Im Gebäudesektor braucht es neben dem Hochlauf erneuerbarer Heizungs- und Fernwärmesysteme vor allem eine ambitionierte Sanierungsstrategie, um den Energieverbrauch der Gebäude zu senken. Vorrang sollte der vor der ersten Wärmeschutzregulierung gebaute Bestand haben.

Klimanotfallplan gefordert

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert die Bundesregierung auf, das Klimaschutzprogramm sofort massiv und klimazielkonform nachzubessern. Der Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen hat heute bestätigt, dass das Programm vollkommen unzureichend und gesetzeswidrig ist. Der zeitgleich veröffentlichte Projektionsbericht des Umweltbundesamts prognostiziere eine massive Verfehlung der Klimaziele in allen künftigen Jahren. Angesichts dieser Ergebnisse fordert die DUH ein „Klimanotfallprogramm“.

„Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik. Wir fordern deshalb vor allem für den Verkehrssektor ein Klimanotfallprogramm. Die Ampel-Koalition bricht mit dem Pseudo-Klimaschutzprogramm deutsches Recht und versucht zugleich, das gesetzlich vorgeschriebene Sofortprogramm für den Verkehrssektor zu unterschlagen und das Klimaschutzgesetz massiv zu schwächen", befand DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Man werde vor Gericht wirksamen Klimaschutz im Verkehrssektor durchsetzen, kündigte Resch weiter an und nannte konkret Tempo 100 auf Autobahnen, 80 außerorts, 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, den Abbau klimaschädlicher Subventionen, den Ausbau klimafreundlicher Mobilität.