Spritpreis-Debatte: Gipfel der Heuchelei statt Wettbewerb der Ideen
Gerade hat die Regierung ein vom Verfassungsgericht oktroyiertes verschärftes Klimaschutzpaket verabschiedet, da will man schon nichts mehr davon wissen und verfällt in alte Muster: Grünen-Bashing ist halt doch zu verlockend, mitten im Wahlkampf, der sich quasi mit der Erde rasch erhitzt. Es hilft nur nicht weiter - und ersetzt schon gar keine konstruktive Politik.
Destruktion in Sachen Klimaschutz ist man ja gewohnt von der AfD oder der FDP oder vom CSU-Bundesverkehrswendebremsminister Andreas Scheuer, der viel zu oft sagt, was alles nicht geht, aber viel zu selten, wie es denn geht, mit dem effektiven Klimaschutz in der Mobilität, abseits von nebulösen Weisser-Ritter-Technologien.
Und der so auch jetzt wieder die je nach politischem Bedarf entdeckten "kleinen Leute" vorschiebt und den Grünen vorwirft, sie wollten "Verbote, Beschränkungen und den ländlichen Raum abhängen". Dass jetzt auch noch der sonst so besonnene und zur stammtischfreien Differenzierung fähige und sonst so besonnene Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einstimmt in den "Kanon des Populismus" und fabuliert, wer an der Spritpreisschraube drehe, zeige, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger seien, überrascht dann aber. Das zeugt doch eher von den Nöten der SPD, eine klare Position zu finden.
Unterschlagen wird von ihm wie allen anderen: Die Grünen sehen als einzige Partei ein Energiegeld als Ausgleich vor in Form eines Energiegelds vor.
Das ist gar nicht so unplausibel aufgesetzt: Wer viel CO2 ausstößt, der blecht halt auch viel. Wer also meint, einen fetten, spritintensiven SUV fahren und ein riesiges Haus bewohnen zu müssen, der darf das gerne tun, aber er erhält dann eben kein "Energiegeld" aus den zusätzlichen CO2-Steuereinnahmen zurück. Dagegen bekommt der/die Kleinwagen-Fahrer*in mit Familie und eine bescheidenen Behausung pro Kopf für Kraft- und Heizstoffe mehr retour.
Pendelnde Geringverdiener bekommen vielleicht noch was raus
Möglicherweise führt das sogar zu einer Überkompensation, was auch nicht schlecht wäre im Sinne des dringend nötigen sozialen Ausgleichs: Die Schere zwischen Arm und Reich ist in den Merkel-Jahren immer weiter auseinander gegangen - und Autofahren oft bereits ein Luxus, wenn man irgendwie eine Wohnung in der Stadt behalten will oder bezahlen muss. "Klimaschutz lässt sich sozial gestalten, man muss es nur wollen", konterte die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock insofern treffend. Die Koalition solle sich einfach an die eigenen Beschlüsse halten und sie umsetzen. Punkt. Klar ist: Natürlich muss der Spritpreis steigen, was denn sonst. So hat es die Koalition ja auch festgeschrieben, bis 2025 um 15 Cent pro Liter, 16 Cent bis 2023, wie von den Grünen jetzt vorgeschlagen, klingen da nicht allzu fern.
Und zugleich, könnte man hinzufügen, müsste der (Fahr)Strompreis sinken, das wäre ohnehin die beste E-Mobilitätsförderung abseits von teuren Kaufprämien.
Ab 2030 wollen die Grünen dann nur noch E-Autos neu zulassen. Auch das geht völlig in Ordnung, angesichts der Tatsache, dass bei den Lebenszykluskosten schon heute trotz hoher öffentlicher Fahrstrompreise E-Autos vor Verbrennern liegen, wenn sie nicht gerade der Luxusklasse entstammen. Aber da hat man ohnehin weniger Sorge um die Kosten. Und sollte sich mehr Sorgen um das Klima machen und mit gutem Beispiel voranfahren. Weil man es sich leisten kann - und deshalb auch (mehr) leisten muss!
Es beißt die Maus keinen Faden ab: Wollen wir die Erderhitzung in den Griff bekommen, können wir nicht in den reflexhaften Denk- und Debattenrastern der Vergangenheit verharren. Wir brauchen einen Wettbewerb der konstruktiven Ideen, ein Ringen um die beste Klimaschutzlösung und keine Destruktion. Das ist sonst Wahl-Krampf statt Wahl-Kampf. Und diesen "Luxus" können wir uns nicht mehr leisten.
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