Stau-Studie: Deutsche stehen 40 Stunden im Stau, Münchner fast doppelt so viel

Lange Leitung an der Isar: Mit 74 Stunden verlieren Fahrer*innen in München am meisten Zeit, Berlin (71 Stunden) und Hamburg (56 Stunden) holen unrühmlich auf. Der staureichste Straßenabschnitt liegt wie 2021 am Mittleren Ring. Im weltweiten Vergleich sind allerdings London (156 Stunden), Chicago (155 Stunden) und Paris (138 Stunden) die staureichsten Städte. Höhere Kosten halten nicht vom Autofahren ab.

Immer wieder unrühmlich vorn: Der Mittlere Ring in München führt auch in diesem Jahr das Stauschwerpunkt-Ranking an. | Foto: J. Reichel
Immer wieder unrühmlich vorn: Der Mittlere Ring in München führt auch in diesem Jahr das Stauschwerpunkt-Ranking an. | Foto: J. Reichel
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Der Telematik- und Vernetzungsspezialist INRIX hat seine jüngste Global Traffic Scorecard für das vergangene Jahr vorgestellt. Die Stau-Studie identifiziert und bewertet Stau- und Mobilitätstrends in mehr als 1.000 Städten in 50 Ländern. Für das Jahr 2022 näherte sich das Verkehrsaufkommen wieder dem Vorkrisenniveau von 2019 an, in Deutschland liegt es sogar darüber, konstatierten die Analysten. Diese Entwicklung spiegelte sich in den Zeitverlusten für deutsche Autofahrer*innen wider. In fast allen der zehn staureichsten Städte in Deutschland war der Zeitverlust durch verstopfte Straßen um einige Stunden höher als noch 2021.

Dabei bleibt München mit 74 Staustunden die staugeplagteste Stadt Deutschlands, gefolgt von Berlin mit 71 Staustunden (65 Stunden in 2021) und Hamburg mit 56 Stunden (47 in 2021). Potsdam, wo der Umbau des Leipziger Dreiecks in der Innenstadt den Verkehr auch 2022 zum Stocken brachte, erreicht wieder Platz vier und steigert seinen Zeitverlust auf 55 Stunden (46 Stunden in 2021). Auf den Plätzen fünf und sechs folgen Darmstadt und Leipzig mit 47 bzw. 46 Stunden Stauzeit.

Immerhin: In München und Nürnberg rückläufiger Verkehr

Die Auswertung erbrachte aber auch gute Nachrichten für Münchener Autofahrer*innen: Obwohl die Stadt weiterhin auf dem ersten Platz landet, verbrachten Pendler dort im Jahr 2022 durchschnittlich fünf Stunden weniger im Stau als noch 2021 (74 Stunden im Vergleich zu 79 Stunden 2021). München und Nürnberg sind die einzigen Städte im Top 10 Ranking, die einen Rückgang des Verkehrs gegenüber der Zeit vor der Corona-Pandemie vorweisen können. In allen anderen der Top 10 staureichsten Städte in Deutschland stieg der Zeitverlust für Pendler durch Stau und stockenden Verkehr leicht an.

Trotz Spritpreisbremse steigende Kosten - was wenige abhält

Trotz der Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe – der sogenannten „Spritpreisbremse“ – in den Sommermonaten stiegen die Kosten für Autofahrer*innen, die der Zeitverlust im Stau verursacht, um 28 € auf 399 € (2021: 371 €). Dies hält aber anscheinend nur wenige Menschen vom Autofahren ab: Das Verkehrsaufkommen, gemessen in Fahrzeugkilometern an Wochentagen, stieg um 21% im Vergleich zu 2021 und liegt damit sogar um acht Prozent über dem Niveau von 2019. Busse und Bahnen tun sich dahingegen weiterhin schwer – ihr Fahrgastaufkommen lag im ersten Halbjahr 2022 immer noch gut ein Fünftel (21%) unter dem vom ersten Halbjahr 2019.

Immer wieder: Der Mittlere Ring in München als Top Stauschwerpunkt

Wie schon im letzten Jahr führt der Mittlere Ring in München die Liste der staureichsten Straßen in Deutschland an, diesmal allerdings mit dem Abschnitt zwischen Stettnerstraße und Plinganserstraße. Wer diese Strecke im Jahr 2022 regelmäßig zu Stoßzeiten fuhr, für den summierten sich die täglichen 13 Minuten Zeitverlust auf 51 Stunden im Jahr. Viel Geduld mitbringen mussten auch Hamburger Autofahrer*innen im Elbtunnel (A7 HH-Volkspark bis HH-Waltershof): An diesem Stauschwerpunkt verloren sie rund 40 Stunden Zeit. Fast genauso hoch war der jährliche Zeitverlust in Köln auf der A3 zwischen Dreieck Köln-Heumar und Kreuz Leverkusen sowie auf der A59 zwischen Dreieck Köln-Heumar und Troisdorf. Insgesamt sind Berlin, Hamburg und Köln gleich mehrfach in den Top 10 der Stauschwerpunkte vertreten, Berliner Straßen sogar dreimal. Allerdings fällt die B96 – im Jahr 2020 noch Spitzenreiter – auf den sechsten Platz zurück.

Pendlerkosten im internationalen Vergleich moderater gestiegen

Deutschland hat mit der „Spritpreisbremse“ eine zeitweilige Senkung der Energiesteuer eingeführt, um die Kosten, die Verbraucher an der Zapfsäule zahlen, zu senken und die Folgen der Ukraine-Krise und der Pandemie zu mildern. Das zeitigte offenbar Erfolg: Der weltweite Anstieg der Kosten für Pendler machte sich in Deutschland weniger bemerkbar als in den meisten europäischen Nachbarländern, im Vereinigten Königreich und den USA. Laut der INRIX-Analyse stiegen die jährlichen Kraftstoffkosten pro Pendler in Los Angeles im Vergleich zu 2021 um etwa 315 $ (286 €). Auch Pendler in London zahlten 2022 etwa 212 £ (253 €) mehr für ihre Fahrt zur Arbeit als im Vorjahr, während sie in Berlin nur 51 € mehr aufbringen mussten.
 

Auch außerhalb der Ballungsräume stiegen die Kosten für das Pendeln. Durchschnittlich zahlten Autofahrer*innen in den USA im Jahr 2022 etwa 134 $ (122 €) und im Vereinigten Königreich etwa 122 £ (146 €) mehr als 2021. Deutsche Fahrer hingegen kostete ihr Arbeitsweg mit dem Auto etwa 60 € mehr als im Jahr 2021. Staustunden im weltweiten Vergleich Weltweit führt London die Liste der staureichsten Städte wieder an. Dort verloren Autofahrer*innen im Jahr 2022 durchschnittlich 156 Stunden im Berufsverkehr – das sind 5% mehr als im Vorjahr (148 Stunden). Auf dem zweiten Platz liegt Chicago, wo der Zeitverlust durch Stau und stockenden Verkehr im Vergleich zum Vorjahr um fast 50% auf nun 155 Stunden zunahm. Das drittplatzierte Paris verzeichnet einen leichten Rückgang der Staustunden auf 138 (140 Stunden in 2021). Neben London und Paris gehören aus Europa auch Palermo mit 121 Staustunden (109 in 2021) und Dublin mit 114 Staustunden (89 in 2021) unter die Top 10.

„Trotz der geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten stieg weltweit die Zahl der Fahrzeugkilometer wieder an, ebenso wie die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrten in die Innenstädte. Auch der traditionelle Pendlerverkehr am Morgen und am späten Nachmittag kehrte zurück“, erklärt Bob Pishue, Transportation Analyst bei INRIX.

Dennoch erreiche man noch nicht wieder das Vorkrisenniveau von 2019. Langfristig werde das Verkehrsaufkommen allerdings weiter steigen. Lediglich für den Falle einer weltweiten, starken Rezession könnten die Zahlen für 2023 leicht rückläufig sein, so die Prognose.

Daten als Schlüssel zur Lösung der Verkehrsprobleme

Der Anbieter sieht den Zugang zu verlässlichen Daten als ersten Schritt, um die Überlastung von Verkehrsinfrastrukturen durch Staus in Angriff zu nehmen. Der Einsatz von Big Data für intelligente Verkehrssysteme sei der Schlüssel zur Lösung von städtischen Mobilitätsproblemen. INRIX-Daten und -Analysen zu Mobilität, Verkehr und Verkehrssignalen, Parken und Bevölkerungsbewegungen unterstützten etwa Stadtplaner und Ingenieure bei datenbasierten Entscheidungen. Dadurch können die Entscheider Ausgaben priorisieren, Nutzen maximieren und Kosten jetzt und in Zukunft senken, wirbt der Anbieter.