Verdi legt ÖPNV für bessere Arbeitsbedingungen lahm

(dpa) Kein Bus, keine U-Bahn, keine Straßenbahn: Pendler mussten sich am Freitag in rund 80 Städten einen alternativen Arbeitsweg suchen. Grund war der nächste Warnstreik der Gewerkschaft Verdi – dieses Mal im öffentlichen Nahverkehr.

Ein Bus der Hallesche Verkehrs-AG (HAVAG) steht während eines Warnstreiks auf einem Betriebshof. (Foto: Deutsche Presse-Agentur GmbH/Jan Woitas)
Ein Bus der Hallesche Verkehrs-AG (HAVAG) steht während eines Warnstreiks auf einem Betriebshof. (Foto: Deutsche Presse-Agentur GmbH/Jan Woitas)
Claus Bünnagel

Leere U-Bahnhöfe, verwaiste Bushaltestellen, Streikposten mit Feuertonnen – mit einem ganztägigen Warnstreik hat die Gewerkschaft Verdi am Freitag in Dutzenden Städten weite Teile des öffentlichen Nahverkehrs lahmgelegt. Busse, U- und Straßenbahnen blieben in den Depots, Pendler und Schüler mussten anderweitig zur Arbeit beziehungsweise zur Schule gelangen. Es ist in Deutschland der dritte Arbeitskampf innerhalb von sieben Tagen, der Teile des Verkehrs betrifft. Unterstützt wurde der Ausstand am Freitag von der Bewegung Fridays for Future (FFF). An zahlreichen Streikposten mischten sich junge Aktivisten unter die Beschäftigten. 

„Es gab eine sehr hohe Streikbeteiligung, und wir hoffen, dass die Arbeitgeber dieses Signal verstanden haben“, teilte die stellvertretende Verdi-Bundesvorsitzende Christine Behle mit.

Hohe Streikbeteiligung in allen betroffenen Bundesländern

Am stärksten betroffen war das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gut ein Drittel der bundesweit rund 90 000 zum Warnstreik aufgerufenen Beschäftigten arbeiten laut Verdi in NRW. Die Gewerkschaft meldete aber auch in zahlreichen anderen Bundesländern eine hohe Streikbeteiligung. Insgesamt waren der Gewerkschaft zufolge bundesweit mehr als 80 Städte und rund 40 Landkreise betroffen. In 15 Bundesländern kam es zu Ausständen. Lediglich Bayern war nicht betroffen, weil dort die Tarifverträge noch laufen.

Beim größten deutschen Nahverkehrsunternehmen, den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), endete der Arbeitskampf bereits am Vormittag. Verdi erkennt hier auf Arbeitgeberseite ein grundlegendes Verständnis für die Anliegen und Sorgen der Gewerkschaft an. In anderen Bundesländern sei die Tarifrunde deutlich konfliktträchtiger, sagte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt am Freitag bei einem Streikposten in Berlin.

Arbeitsbedingungen stehen im Fokus 

Die Gewerkschaft verhandelt derzeit parallel in 15 Bundesländern über neue Tarifverträge. In den meisten Runden geht es vor allem um die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Verdi fordert unter anderem kürzere Arbeitszeiten ohne finanzielle Einbußen, längere Ruhezeiten zwischen einzelnen Schichten, mehr Urlaubstage oder mehr Urlaubsgeld. Damit sollen die Beschäftigten entlastet und der Beruf attraktiver werden.

Sämtliche Verkehrsunternehmen leiden unter dem anhaltenden Personalmangel. Insbesondere Busfahrer sind schwer zu finden. In Berlin ist die BVG aus diesem Grund seit Monaten mit einem eingeschränkten Busfahrplan unterwegs.

In Brandenburg, im Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird auch über höhere Löhne und Gehälter verhandelt. Verdi fordert etwa in Bandenburg 20 % – mindestens aber 650 Euro – mehr pro Monat für die Beschäftigten. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll laut Verdi ein Jahr betragen. In Hamburg wird über einen neuen Haustarifvertrag für die Verkehrsbetriebe verhandelt.

Unterstützung kommt von Fridays for Future

Seit Jahren schon unterstützt die Klimabewegung Fridays for Future die Gewerkschaft bei ihren Tarifrunden im ÖPNV im Rahmen der Aktion „Wir fahren zusammen“. Zahlreiche Aktivisten kamen am Freitagmorgen zu den Streikposten und solidarisierten sich mit den Beschäftigten.

„Gerade in einer Zeit, in der ganz viele Menschen das Gefühl haben, es bricht in diesem Land so viel auseinander, man kann nicht miteinander sprechen, alle sind gegeneinander, die Politik ist komplett zerstritten und jeden Tag kommt eine Krise auf uns zu, ist dieses Bündnis der Moment, in dem wir zusammen zeigen: Nein, es geht anders“, sagte FFF-Aktivistin Luisa Neubauer am Freitag in Berlin. 

Sie verwies auf das Ziel der Bundesregierung, die Zahl der Fahrgäste auf der Schiene und auch im ÖPNV bis 2030 zu verdoppeln.

„Wer soll das alles fahren, wenn die Menschen sich diese Arbeitsbedingungen nicht geben wollen?“, fragte die Aktivistin.

Dritter Verkehrsstreik in sieben Tagen

Für Fahrgäste bedeutete der Warnstreik gleichwohl eine weitere Belastung im Verkehr. Am vergangenen Wochenende hatte die Lokführergewerkschaft GDL den Fern-, Regional- und Güterverkehr der Deutschen Bahn bestreikt. Am Donnerstag führte ein weiterer Verdi-Warnstreik zu zahlreichen Flugausfällen an elf deutschen Flughäfen. Tausende Passagiere waren betroffen. Hintergrund sind die Tarifverhandlungen für das Luftsicherheitspersonal. Am Hamburger Flughafen ging der Ausstand am Freitag gleich weiter, weil Verdi dort auch für die Bodendienstleister neue Tarife erstreiten will. 

Die nächsten Verhandlungsrunden im ÖPNV sind etwa in NRW und Berlin für Mitte Februar angesetzt. In Nordrhein-Westfalen will die Gewerkschaft den Druck vorher noch einmal erhöhen, wie der dortige Verhandlungsführer Peter Büddicker am Freitag sagte. Ob es noch einmal zu einer Warnstreikaktion in allen 15 Bundesländern kommt, blieb aber zunächst offen.