Offener Brief von acht baden-württembergischen Städten

Hintergrund ist die Förderung des regionalen Tourismusmarketings und die Berücksichtigung des Städtetourismus zum Restart nach der Coronapandemie.

Die großen kreisfreien Städte in Baden-Württemberg befürchten, bei der finanziellen Unterstützung zum Restart des Tourismus 2021 zu kurz zu kommen. Im Bild das Karlsruher Schloss. (Foto: Karlsruhe Tourismus)
Die großen kreisfreien Städte in Baden-Württemberg befürchten, bei der finanziellen Unterstützung zum Restart des Tourismus 2021 zu kurz zu kommen. Im Bild das Karlsruher Schloss. (Foto: Karlsruhe Tourismus)
Claus Bünnagel

„An die Herren Thomas Bareiß MdB, Parlamentarischer Staatssekretär Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, und Minister Guido Wolf MdL, Ministerium der Justiz und für Europa Baden-Württemberg.

Sehr geehrter Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sehr geehrter Herr Minister, 
wir schreiben Ihnen im Namen der in der Signatur stehenden acht kreisfreien Städte Baden- Württembergs (Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Heilbronn, Ulm, Baden-Baden, Pforzheim, Freiburg). Ende 2020 wurde vom Land Baden-Württemberg beschlossen, den Tourismus des Lands zum ,Restart‘ nach den Corona-Einschränkungen mit 4,5 Mio. Euro zu unterstützen. Das ist ein wichtiges Signal und sehr zu begrüßen. 

Städtetourismus vergessen

Die Mittel fließen in Marketingkampagnen der TMBW und als direkter Zuschuss zu den sechs regionalen Organisationen des Lands (Destinationsmanagementorganisationen für den Schwarzwald, den Bodensee mit Hegau, die Region Stuttgart, die Schwäbische Alb, das Württembergische Allgäu-Oberschwaben und das Nördliche Baden-Württemberg) zu. Für die Städte bleibt hier nichts übrig. 

Durch die seit Jahren bestehende Organisationsstruktur, nur die Destination und somit nur den ländlichen Bereich in Baden-Württemberg zu fördern und zu vermarkten, wird nun in der Krise die von uns schon seit Jahren angemahnte Schwachstelle deutlich: Der Städtetourismus in Baden- Württemberg wurde und wird bei dieser Vorgehensweise vergessen! 

Dieser hat sich als herausragender Player im touristischen Geschehen des Landes etabliert, sei es im Bereich Kultur, Hotellerie, Einzelhandel oder im Tagungs- und Geschäftsreisesegment, und war der entscheidende touristische Wachstumsfaktor der letzten Jahre. Dazu kommt, dass bei allen Städten ebenso ein nachhaltiges und begehbares grünes Umfeld vorhanden ist und sie damit für den Tourismus in Baden-Württemberg ein starker Anziehungspunkt sind. Die Übernachtungszahlen der vergangenen Jahre sprechen für sich.

Es ist richtig, zum einen die Regionen als eine Säule, zum anderen das Land allgemein als zweite Säule zu fördern, jedoch bedürfen die großen Städte Baden-Württembergs einer besonderen und eigenständigen Betrachtung als zusätzliche dritte touristische Säule. 

Land öffnet zuerst

Die Naherholungsdestinationen in den ländlichen Gegenden und an den Seen werden als Erstes wieder öffnen und wieder besucht werden; das hat der Sommer 2020 deutlich gezeigt. Das Gegenteil gilt für die Städte, da ein Crowding, eine größere Menschenansammlung auf längere Zeit hin tabu sein wird. Wir werden es unvergleichbar schwerer haben, Sie selbst sprechen sogar von Mitte 2022! 

Der Städtetourismus wird – bedingt auch durch die Abhängigkeit von den internationalen Märkten und den globalen Reisebeschränkungen – erst 2024 wieder das Niveau aus den Jahren 2018/2019 erreichen, so die persönliche Einschätzung von 18 Experten aus den Bereichen Finanzwesen, Hotelimmobilien, Hotelbetrieb, Städtetourismus, MICE, Trendforschung, Wirtschaftsberatung und Investment (Umfrage mrp hotels im Dezember 2020). Mit einer ersten Erholung ist frühestens Ende 2021 zu rechnen.

Restart auch für die Städte

Daher ist es dringend geboten, jetzt einen ,Restart‘ für die Städte von Seiten des Lands direkt finanziell für Marketingaktivitäten zu unterstützen und uns nicht als Bittsteller bei den Regionen im Regen stehen zu lassen. Die Städte brauchen eine differenzierte Marketingstrategie. Das bedeutet, jede Stadt muss mit ihren eigenen herausragenden Merkmalen werben können und nimmt ihr jeweiliges Umland mit – und nicht umgekehrt. Auch eine Unterordnung zum zentralen Thema ,Natur‘, wie es die TMBW vorschlägt, macht aus Sicht aller Städte keinen Sinn. 

Mit diesen Erläuterungen und Anmahnungen fordern wir, dass der Städtetourismus nicht in den allgemeinen Fördergeldern für Regionen oder des gesamten Lands untergeordnet wird, sondern einer speziellen Betrachtung, Beachtung und direkter Bezuschussung bedarf. 

Restart-Hilfspaket nötig

Wir benötigen ein eigenständiges ,Restart-Hilfspaket‘, das wir gezielt für die Bewerbung der Städte mit ihrer städtebaulichen Vielfalt, ihren breiten kulturellen Angeboten sowie ihrem pulsierenden Stadtleben und all seinen positiven sozialen Effekten einsetzen können. Davon profitiert das ganze Umland. Außerdem können wir damit in städtespezifische Strategien investieren und Angebotsbausteine umsetzen, die die zukünftigen Themen des Städtetourismus bestimmen werden: Resonanz, Resilienz, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Sicherheit. 

Die jetzigen Hilfsmaßnahmen und Förderprogramme des Bundes und der Länder werden darüber entscheiden, wie es mit dem Wirtschaftsmotor Tourismus im Allgemeinen, aber auch mit dem Städtetourismus in Baden-Württemberg im Speziellen weitergeht. 

Sehr geehrter Herr Parlamentarischer Staatssekretär Bareiß, sehr geehrter Herr Minister Wolf, wir appellieren an Sie, uns, dem ,Städtekreis Tourismusmarketing Baden-Württemberg‘, als gleichberechtigtem Partner neben den sechs regionalen Organisationen, ebenso ein Investitionsprogramm des Lands zur Verfügung zu stellen. 

Wir zählen auf Ihre Unterstützung zum Wohle des Städtetourismus Baden-Württemberg.“