Urteil: Reiseveranstalter haben Wahlrecht bei Storno-Entschädigung

Das OLG Naumburg stellte klar, dass AGB-Klauseln, die ein Wahlrecht zwischen pauschaler und konkreter Berechnung vorbehalten, wirksam und nicht durch § 651 h BGB oder durch die Pauschalreiserichtlinie verboten sind.

Laut Urteil des OLG Naumburg ist der Entschädigungsanspruch nicht auf die Höhe der vereinbarten Pauschalbeträge gedeckelt. (Foto: Pixabay)
Laut Urteil des OLG Naumburg ist der Entschädigungsanspruch nicht auf die Höhe der vereinbarten Pauschalbeträge gedeckelt. (Foto: Pixabay)
Claus Bünnagel

Das OLG Naumburg hat mit Urteil vom 2. März 2023 (AZ 4 U 72/22) über coronabedingte Stornierungen zwischen einem Reiseveranstalter und dem Bundesland Sachsen-Anhalt entschieden. Geklagt hatte ein Reiseveranstalter von Schul- und Klassenfahrten gegen das Bundesland Sachsen-Anhalt.

Absage wegen Coronapandemie

Die Schulen hatten im April 2020 drei für Juli 2020 geplante Schulfahrten abgesagt, weil diese aufgrund der Coronapandemie untersagt wurden. Die Verträge mit dem Reiseveranstalter hatten die Schulen im Namen des Bundeslands Sachsen-Anhalt geschlossen. Die gebuchten Reisen beinhalteten die An- und Abreise, Beherbergung sowie ein Programm und fielen dadurch unter das Pauschalreiserecht (§§ 651 a ff BGB). Die AGB des Reiseveranstalters waren Vertragsbestandteil.

Differenzbeträge eingeklagt

In seinen AGB hat sich der Reiseveranstalter vorbehalten, im Falle einer Stornierung die Berechnung der Stornokosten entweder pauschal oder konkret vornehmen zu können. Eine solche Klausel ist auch in Ziff. 5.5 der Musterreisebedingung für Pauschalangebote des bdo (aktuelle Fassung 29. November 2022) enthalten. Im verhandelten Fall hat der Reiseveranstalter daraufhin eine konkrete Berechnung der Stornokosten vorgenommen und die Gutschriften der Leistungsträger vom Reisepreis abgezogen. Das Bundesland Sachsen-Anhalt hat daraufhin Stornogebühren gezahlt, jedoch die Beträge aus den in den AGB vereinbarten Stornopauschalen ausgezahlt. Der Reiseveranstalter klagte daraufhin die Differenzbeträge ein.

Das Urteil

Das Bundesland Sachsen-Anhalt sah zwar durchaus ein, dass es Stornokosten bezahlen muss, war aber der Ansicht, § 651 h BGB lasse kein Wahlrecht des Reiseveranstalters zwischen einer konkreten Abrechnung und pauschalen Stornogebühren zu. Dieser Ansicht war auch die Vorinstanz, die die Klage abwies (LG Halle 3 O 159/21, 17. Mai 2022).

Im Berufungsverfahren stellte das OLG Naumburg klar: AGB-Klauseln, die ein Wahlrecht zwischen pauschaler und konkreter Berechnung vorbehalten, sind wirksam und nicht durch § 651 h BGB oder durch die Pauschalreiserichtlinie verboten. Der Entschädigungsanspruch ist nicht auf die Höhe der vereinbarten Pauschalbeträge gedeckelt. Für die konkrete Berechnung der Entschädigung kann der ursprüngliche Reisepreis, abzüglich ersparter Aufwendungen, angesetzt werden. Das Urteil ist rechtkräftig.

Für Reiseveranstalter ist das Urteil ein positives Signal, da Unsicherheit darüber besteht, ob ein solches Wahlrecht in den AGB mit der Pauschalreiserichtlinie vereinbar ist. Das OLG Naumburg ist die bisher höchste Instanz, die über diese Frage urteilte. Fraglich bleibt, ob andere Gerichte diesem Urteil folgen, denn bisher liegt keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) oder des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vor. Dennoch empfiehlt es sich für Reiseveranstalter mit einer entsprechenden AGB-Klausel, sich bis auf weiteres auf das Urteil 4 U 72/22 des OLG Naumburg vom 2. März 2023 zu berufen.