Urteil: Erstattung des vollen Reisepreises auch ohne Reisewarnung

Allerdings komme es jeweils auf die konkrete Betrachtung der einzelnen Umstände an, was eine schematische Betrachtung verbiete.

Nach Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main müssen Reiseveranstalter in bestimmten Fällen auch ohne Vorliegen einer Reisewarnung den Preis einer stornierten Reise voll erstatten. (Foto: Pixabay)
Nach Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main müssen Reiseveranstalter in bestimmten Fällen auch ohne Vorliegen einer Reisewarnung den Preis einer stornierten Reise voll erstatten. (Foto: Pixabay)
Claus Bünnagel

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat mit einem nun veröffentlichten Urteil (AZ.: 32 C2136/20 (18)) entschieden, dass der Reiseveranstalter in bestimmten Fällen auch ohne Vorliegen einer Reisewarnung den Preis einer stornierten Reise voll erstatten muss. Das Gericht betont jedoch, dass es immer auf die konkrete Betrachtung der einzelnen Umstände ankomme und sich eine schematische Betrachtung verbiete. Es beschreibt dann auch die Situation in Italien Anfang März recht ausführlich. 

Fall: Reise nach Neapel

In dem vom Gericht geurteilten Fall hatte ein Reisegast eine für den 14. April 2020 geplante Reise nach Neapel am 7. März 2020 abgesagt. Eine Reisewarnung bestand zu diesem Zeitpunkt nicht. Das Gericht ging dennoch von einem stornokostenfreien Rücktrittsrecht aus, da bereits zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände und damit eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise am Bestimmungsort prognostiziert werden konnten. Die Stornogebühren in den verwendeten AGB würden somit nicht zum Tragen kommen. 

Konkreter Einzelfall entscheidend

Für die Beurteilung ausreichend sei eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung, eine Reisewarnung sei dafür nicht zwingend. Das Gericht betont, dass sich bei der Prognoseentscheidung über das Vorliegen unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstände zum Zeitpunkt der Stornierung durch den Kunden jede schematische Betrachtung verbiete und es auf die Geschehnisse des konkreten Einzelfalls ankomme. Das Gericht sah Italien Anfang März 2020 als von Corona bereits stark betroffenes Land an. Das Virus habe sich damals in ganz Italien ausgebreitet, das Gesundheitssystem sei überlastet gewesen, Patienten hätten teilweise nicht mehr angemessen behandelt werden können, Schutzmasken hätten gefehlt. Schon am 4. März seien dort alle Schulen und Universitäten geschlossen worden. 

Zeitpunkt der Rücktrittserklärung entscheidend

Das Gericht sieht den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung als maßgeblich für die Situation am Urlaubsort an. Somit kann nach wie vor von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass Stornogebühren verlangt werden können, wenn zum Zeitpunkt der Stornierung für das Reiseziel keine Reisewarnung vorliegt und es vom Robert-Koch-Institut nicht als Risikogebiet ausgewiesen ist.