Corona-Virus: Rechtliche Folgen bei Stornierungen

Hier finden Sie alle notwendigen Informationen für Busreiseveranstalter.

Stornierungen wegen des sich gerade in Norditalien ausbreitenden Corona-Virus könnten ein echtes Problem für Busreiseveranstalter darstellen. (Foto: Pixabay/freakwave)
Stornierungen wegen des sich gerade in Norditalien ausbreitenden Corona-Virus könnten ein echtes Problem für Busreiseveranstalter darstellen. (Foto: Pixabay/freakwave)
Claus Bünnagel

Das Corona-Virus breitet sich immer weiter aus. Die meisten Fälle sind aktuell in den norditalienischen Regionen Lombardei und Venetien gemeldet. Nach mehreren Todesfällen und über 200 infizierten Personen hat die italienische Regierung drastische Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung vorgenommen: Zehn Gemeinden in der Provinz Lodi in der Lombardei rund 60 km südöstlich von Mailand wurden abgeriegelt: Codogno, Castiglione d’Adda, Casalpusterlengo, Fombio, Maleo, Somaglia, Bertonico, Terranova dei Passerini, Castelgerundo und San Fiorano. Die elfte Gemeinde ist die Stadt Vo in der Provinz Padua in Venetien. Die Ortschaften dürfen weder verlassen noch betreten werden. Derzeit besteht seitens des Auswärtigen Amtes jedoch keine Reisewarnung für Italien. Die rechtlichen Folgen bei der Stornierung von Pauschalreisen haben wir für Sie aufgelistet. 

Rücktritt des Kunden vor Reisebeginn 

Vor Reisebeginn kann ein Reisender nach § 651 h Abs. 1 BGB vom Reisevertrag zurücktreten. In diesem Fall verliert der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Jedoch kann grundsätzlich eine angemessene Entschädigung (z.B. vertraglich zugrunde gelegte Stornopauschalen) verlangt werden. In welchen Fällen kein Entschädigungsanspruch besteht, regelt § 651 h Abs. 3 BGB. Danach kann ein Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. 

Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären (siehe auch 5.2. der bdo-Musterbedingungen für Pauschalreisen). Unter unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände fallen grundsätzlich: Kriegshandlungen, Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Erdbeben, aber auch unvermeidbare, erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit bei objektiver Betrachtung. Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, ist immer anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. 

Hinweis: Auf eine subjektive Einschätzung kommt es dabei nicht an. Wer als Reisegast „aus reiner Angst“ vor Ansteckung zurücktritt, kann sich nicht auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände berufen. Entscheidend ist eine objektive Einschätzung der Lage vor Ort. Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes sind ein starkes Indiz dafür, dass unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen.

Aktuelle Reisewarnungen finden Sie unter https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/10.2.8Reisewarnungen oder https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/reise-und-sicherheitshinweise (Suchbegriff „Italien“).

Rücktritt des Reiseveranstalters vor Reisebeginn 

Bei Vorliegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände ist der Reiseveranstalter berechtigt, vor Reisebeginn vom Reisevertrag zurückzutreten, wenn er an der Erfüllung des Reisevertrages gehindert ist (z.B. wenn Sperrzonen verhindern, dass das Reiseziel angefahren werden kann). Der Rücktritt muss dabei unverzüglich nach Kenntnis des Rücktrittsgrunds gegenüber den Reisenden erklärt werden. Zwar verliert der Reiseveranstalter dadurch seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, jedoch ist er auch nicht mehr verpflichtet, die Reise durchzuführen und ist keinen Gewährleistungsansprüchen von Seiten der Reisenden ausgesetzt. 

Ob die Voraussetzungen für die Annahme unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände tatsächlich vorliegen, entscheidet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Sollte bei einer Pauschalreise ein eingeplantes Ziel wegen Abriegelung aufgrund des Ausbruchs des Corona-Virus nicht angefahren werden können oder die Anreise aufgrund sehr langer Wartezeiten durch Kontrollen und drohender Quarantänemaßnahmen nicht zumutbar erscheinen, kann das Busunternehmen die Reise wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände absagen (Rücktritt vor Reisebeginn, § 651 h Absätze 3 und 4 BGB). 

Wichtig ist, dass Busunternehmen ihre Verträge mit Leistungsträgern prüfen und klären, welche Stornoregelungen auf B2B-Ebene vertraglich vereinbart worden sind. Es ist zu empfehlen, sich ggf. frühzeitig mit seinen Leistungsträgern vor Ort in Verbindung zu setzen. Die Abriegelung touristischer Ziele kann im Vertragsverhältnis mit Leistungsträgern als Wegfall der Geschäftsgrundlage gewertet werden. Gegebenenfalls kann auf dem Verhandlungsweg eine für alle Beteiligten schadensbegrenzende Lösung vereinbart werden. Auch die Leistungspartner wollen keine unkalkulierbaren Gesundheitsrisiken für sich und ihre Mitarbeiter eingehen. Ebenso sollte Kontakt zum Versicherer aufgenommen werden, um abzuklären, welche Risiken die Reiseveranstalter-Haftpflichtversicherung abdeckt. 

Die weitere Entwicklung ist aktuell nicht abschätzbar. Eine zuverlässige Prognose zur Durchführung von Reisen wird erst kurz vor Reisebeginn möglich sein. Busunternehmen sollten Reisegäste über die aktuelle Situation und die konkreten Unsicherheitsfaktoren bei geplanten Reisen informieren. Die tagesaktuellen Fallzahlen in allen Ländern und Städten weltweit sind auf den Internetseiten der Weltgesundheitsorganisation abrufbar. 

Pflicht des Reiseveranstalters bei kurzfristigen Quarantänemaßnahmen vor Ort 

Zur Frage, wie es sich verhält, wenn Reisegäste aufgrund von kurzfristigen Quarantänemaßnahmen im Hotel bzw. am Zielort bleiben müssen, gilt § 651 k IV BGB (neu): Ist die Beförderung des Reisenden an den Ort der Abreise oder an einen anderen Ort, auf den sich die Parteien geeinigt haben (Rückbeförderung), vom Vertrag umfasst und aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände nicht möglich, hat der Reiseveranstalter die Kosten für eine notwendige Beherbergung des Reisenden für einen höchstens drei Nächte umfassenden Zeitraum zu tragen, und zwar möglichst in einer Unterkunft, die der im Vertrag vereinbarten gleichwertig ist. 

Achtung: Nach Absatz 5 kann sich der Reiseveranstalter auf die Begrenzung des Zeitraums auf höchstens drei Nächte gemäß Absatz 4 in folgenden Fällen nicht berufen: 

1. Der Leistungserbringer hat nach unmittelbar anwendbaren Regelungen der Europäischen Union dem Reisenden die Beherbergung für einen längeren Zeitraum anzubieten oder die Kosten hierfür zu tragen (z.B. nach der EU-Fahrgastrechte- oder Flugrechte-Verordnung).

2. Der Reisende gehört zu einem der folgenden Personenkreise, und der Reiseveranstalter wurde mindestens 48 Stunden vor Reisebeginn von den besonderen Bedürfnissen des Reisenden in Kenntnis gesetzt: 

a) Personen mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen, 
b) Schwangere,
c) unbegleitete Minderjährige,
d) Personen, die besondere medizinische Betreuung benötigen. 

Links

Ausführliche Informationen zum Corona-Virus sowie Hinweise zu Vorsichts- und Verhaltensmaßnahmen finden Sie unter folgenden Links:

  • Bundesministerium für Gesundheit – Fragen und Antworten: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html 
  • Gesundheitsdienst des Auswärtigen Amts: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2294930/c33512a5b5a7101ee5dcf703f4ca655c/ncov-data.pdf
  • Robert Koch Institut – Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Corona-Virus: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste.html