Pilotprojekt: E-Bus-Schnellladestation im ländlichen Raum

Laden in 150 Sekunden – eine neue Ladeinfrastruktur mit Schwungmassenspeicher soll den Wechsel auf Elektrobusse in der Fläche ermöglichen, auch ohne Ausbau der Stromnetze. Ein entsprechender Versuch läuft gerade in Bensheim an der Bergstraße.

Die neue Ladeinfrastruktur mit Schwungmassenspeicher könnte die Mobilitätswende auch im ländlichen Raum beschleunigen. (Foto: Adaptive Balancing Power)
Die neue Ladeinfrastruktur mit Schwungmassenspeicher könnte die Mobilitätswende auch im ländlichen Raum beschleunigen. (Foto: Adaptive Balancing Power)
Martina Weyh

2,3 Mio. Euro Fördergelder vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fließen in das sogenannte Buffered-HLL-Projekt (zwischengespeichertes Hochleistungsladen), dass durch den Aufbau einer neuen Ladeinfrastruktur mit Hochleistungsschwungmassenspeicher den Wechsel auf Elektrobusse auch im ländlichen Raum möglich machen soll.

Der Clou an der neuartigen Speicher- und Ladetechnik – E-Busse können auch ohne Ausbau des Stromnetzes auf der Fahrstrecke geladen werden.

Starkes Konsortium für die Mobilitätswende

Zusammen mit einem Konsortium aus Forschung und Wirtschaft zeichnet der Speicher- und Ladetechnologie-Spezialist Adaptive Balancing Power aus Pfungstadt für das Projekt verantwortlich – am 19. Juni fiel der Startschuss für die Installation der neuartigen Pantographen-Schnellladestation (High Power Charger) mit Hochleistungsschwungspeicher (Pufferspeicher), die nach Angaben des Unternehmens eine sichere, wirtschaftliche und flexible Zwischenladung von Elektrobussen sicherstellt.

Der Messtechnikspezialist Isabellenhütte Heusler aus Dillenburg ermöglicht mit einer neuen Generation von Gleichstromzählern die eichrechtskonforme Erfassung der Energiemengen sowie die cloudbasierte Bereitstellung aller erfassten Daten für eine intelligente und sichere Abrechnung. Die CuroCon GmbH aus Zwingenberg realisiert die gesamte Leistungselektronik sowie die Kommunikation zwischen Ladeinfrastruktur und Bus.

Wissenschaftlich begleitet wird das Pilotprojekt vom  unabhängigen Reiner Lemoine Institut aus Berlin, das bereits Studien zur Elektrifizierung von Bussen in Berlin durchgeführt hat. Es untersucht, welche Auswirkungen das Schnellladen auf das Stromnetz hat und wie ein wirtschaftlicher Betrieb von Bussen und Schnellladesäulen aussehen könnte. Auch die Übertragbarkeit des Konzepts auf andere Einsatzszenarien wird beleuchtet.

So funktioniert‘s

Kern der Lade- und Speichertechnologie ist ein von Adaptive Balancing Power entwickelter magnetisch im Hochvakuum gelagerter Schwungmassenspeicher. Nach Angaben des Herstellers akkumuliert dieser die Energie aus dem Stromnetz mit der am jeweiligen Standort verfügbaren Leistung und stellt sie mit einer bis zu sechsfachen Leis­tung für einen auf wenige Minuten verkürzten Schnellladevorgang – 150 Sekunden sollen reichen – zur Verfügung.

Nachhaltigkeit

Laut Adaptive Balancing Power sind die eingesetz­ten Komponenten bewährte, gut verfügbare, hochqualitative Bauteile des europäi­schen und deutschen Maschinenbaus, der Speicher wartungsarm, zudem sehr nachhaltig gefertigt und fast vollständig recycelbar.

Testphase

In einem Monat  soll die spezielle Ladeinfrastruktur in Betrieb gehen. Die Testphase im regulären Fahrbetrieb ist auf 18 Monate angesetzt und soll nach erfolgreichem Abschluss auch in andere Regionen übertragen werden.

Der Busbetrieb wird durch die Verkehrsgesellschaft Gersprenztal mbH (VGG) mit Sitz in Reichelsheim (Odw.) und Bensheim realisiert. Die VGG ist ein mittelständiges Unternehmen, das mit rund 180 Mitarbeitern und 90 Bussen ein ausgedehntes Streckennetz in den Landkreisen Bergstraße, Odenwald und Darmstadt-Dieburg betreibt. Für den Testlauf wird ein VDL Citea LLE 99 electric eingesetzt, der auf den Stadtbuslinien 671/672/673 in Bensheim unterwegs ist. Dabei kommt das Fahrzeug rund alle 30 Minuten am Bensheimer Bahnhof vorbei. Ein Ladehalt beim Ein- und Aussteigen von rund 150 Sekunden soll für eine komplette Tour reichen.

Hintergrund

Im ländlichen Raum stellt die Elektrifizierung entlang der Strecke Stromnetzbetreiber und Verkehrsgesellschaften vor große Herausforderungen. Lange Fahrtstrecken und -zeiten bedeuten für Überlandbusse große Batterien, die schnell bis zu fünf Tonnen wiegen können und einen wirtschaftlichen und ökologischen Betrieb infrage stellen.

Eine Möglichkeit, auf immer größere und schwere Batterien zu verzichten, ist das Streckenladen, das Zwischenladen der Batterie an Haltestellen mit einem hohen Energieeintrag in kurzer Zeit. Voraussetzung dafür waren bisher Pantographen-Ladestationen, die an Leitungen mit sehr hohen Stromdurchflüssen (Mittelspannungsnetz) angeschlossen sind. Diese Leitungen gibt es in der Fläche aber kaum oder sie sind sehr kostenintensiv.

Im Gegensatz dazu kommt die patentierte ADAPTIVE-Technologie bereits mit Niederspannung aus und verzichtet überdies auf Batteriechemie, was ihren Einsatz für nahezu alle Standorte geeignet macht, heißt es in der begleitenden Pressemitteilung.