Schwerbehinderte: Sturz im Bus

Der Schwerbehindertenstatus eines Fahrgasts verpflichtete den Busfahrer laut Gerichtsurteil nicht zur besonderen Rücksichtnahme.

Das OLG Hamm wies die Klage der Geschädigten ab. (Foto: Pixabay)
Das OLG Hamm wies die Klage der Geschädigten ab. (Foto: Pixabay)
Claus Bünnagel

Eine Frau aus Herne im Alter von 60 Jahren, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem „Markenzeichen G“ besitzt, bestieg den Nahverkehrsbus und zeigte dem Busfahrer ihren Ausweis. Die Dame, die wegen eines „Hüftschadens zu 100 %“ schwerbehindert ist, bestieg den Bus ohne Gehhilfe. Als der Busfahrer anfuhr, stürzte die Frau und zog sich einen Oberschenkelbruch zu. Sie verklagte den Verkehrsbetrieb auf Schmerzensgeld in Höhe von 11.500 Euro und obendrein den Haushaltsführungsschaden von zirka 4.000 Euro. Mit ihrer Klage beim Landgericht Bochum scheiterte die Buskundin und ging zum Oberlandesgericht (OLG) nach Hamm in die Berufung. Dort verlor sie ebenfalls den Rechtsstreit (AZ: 1157/18). 

Das Urteil

Das Berufungsgericht stellte fest, dass die Klägerin den Bus betreten hatte, ohne den Busfahrer um Rücksichtnahme beim Anfahren zu bitten. Weiter stellte das OLG fest, dass die Buskundin nicht auf dem Schwerbehindertenplatz, der sich gleich hinter dem Busfahrerplatz befand oder einen anderen in der Nähe befindlichen Sitzplatz einnahm, sondern durch den Omnibus weitergegangen sei. Ihr Ziel sei gewesen, einen Sitzplatz nahe des ersten Busausgangs anzusteuern. Noch bevor sie Platz genommen hatte, fuhr der Busfahrer an. Darüber hinaus sagte das Gericht zur Klageabweisung, dass ein Fahrgast verpflichtet sei, sich nach dem Einsteigen einen „sicheren Stand“ oder „Sitzplatz und einen „sicheren Halt“ zu verschaffen. Die Betriebsgefahr, so das Gericht, trete gänzlich zurück, wenn der Fahrgast seine Pflicht zur Sicherstellung der eigenen Sicherheit verletze. Dies gelte vor allem beim Anfahren des Busses, das gefahrenträchtig sei, so das OLG in seiner weiteren Urteilsbegründung. 

Kein Fehlverhalten des Fahrers

Darüber hinaus sagte das Gericht, das dem Busfahrer kein Fehlverhalten treffe. Von einem Busfahrer, der auf die Verkehrslage sowie auf andere Fahrgäste zu achten habe, könne man nicht verlangen, dass er zugestiegene Buskunden „besonders im Blick“ habe. Anders stelle sich der Sachverhalt dar, wenn eine „schwerwiegende Behinderung“ der ÖPNV-Kundin ersichtlich sei – dies in Verbindung mit der Folge, dass der Fahrgast in Gefahr sei, wenn der Busfahrer nicht mit „besondere Rücksichtnahme“ agiere. Dieser Ausnahmefall, so das OLG im weiteren Entscheidungstenor, liege im vorliegenden Rechtsstreit nicht vor.