Skywalk in Willingen: Nervenkitzel 100 Meter über dem Abgrund
Ein wenig Mut gehört schon dazu, sich auf den Skywalk im nordhessischen Willingen zu wagen. Deutschlands längste Fußgänger-Hängebrücke wackelt und schaukelt, durch den Gitterrost blickt man in der Mitte rund 100 Meter in die Tiefe. 665 Meter muss man so zurücklegen, will man das Bauwerk, das sich zwischen dem Mühlenkopf auf der einen und dem Musenberg auf der anderen Seite spannt, ganz überqueren.
„Davor haben viele Gäste schon großen Respekt“, berichtet Arndt Brüne, einer von fünf Hauptgeschäftsführern der Touristenattraktion.
„Mir wird gerade ein bisschen mulmig. Ich darf nicht nach unten schauen“, sagt auch eine Besucherin im Vorbeigehen auf der knapp eineinhalb Meter schmalen Brücke.
Sie eilt weiter Richtung Ausstieg an der Mühlenkopfschanze, die Austragungsort des jährlich stattfindenden Skisprung-Weltcups ist. Manche Besucher seien verunsichert, weil einige Brückenelemente sich bewegten, sagt Brüne. Dazu zählt etwa der Handlauf, den viele auf der Suche nach Halt ergreifen. „Das muss aber so sein“, erklärt der Geschäftsführer. Bestimmte Bauteile bräuchten Spiel. „Kein Grund zur Sorge“, versichert er.
Von der Brücke habe man noch niemanden holen müssen, sagt Brüne. Wer nach den ersten Metern Angst bekomme, drehe in der Regel um. Das sei etwa jeder Fünfte. Wer sich traut und weitergeht, wird mit einem Adrenalinstoß und einem beeindruckenden Ausblick auf das Sauerland belohnt.
Brücke hat rund 4,5 Millionen Euro gekostet
Nach siebenjähriger Planung und eineinhalb Jahren Bauzeit wurde der rund 4,5 Millionen Euro teure Skywalk im Juli 2023 eröffnet. Die Konstruktion ist mit 665 Metern die längste Fußgänger-Hängebrücke Deutschlands und die zweitlängste der Welt.
Ursprünglich war der Skywalk als bislang längste Fußgänger-Hängebrücke weltweit angekündigt worden. Sie sollte die „516 Arouca“ in Portugal mit 516 Metern Länge übertreffen. Im Mai 2023 öffnete in Tschechien allerdings eine 721 Meter lange Fußgänger-Seilbrücke in 95 Metern Höhe, die „Sky Bridge 721“. Sie ist mit seitlichen Seilen gegen das Schaukeln abgespannt.
Im tibetanischen Stil errichtet hat der Skywalk hingegen bis auf die beiden Portale, die mit 46 Anker- und Bohrpfählen im Erdboden verankert wurden, keine Pfeiler und Stützen. Die 120 Tonnen schwere Konstruktion schwingt frei über dem Tal. Die Betreiber sprechen daher von der längsten freischwingenden Hängebrücke der Welt.
Maximal 700 Menschen dürfen gleichzeitig auf die Brücke, die von einer Schweizer Spezialfirma erbaut wurde. Bauingenieure spielten laut Brüne mithilfe von Computersimulationen vor Baubeginn diverse Szenarien durch, darunter etwa wie sich starker Wind auf das Bauwerk auswirken kann.
„Demnach hält es einem Hurrikan der Kategorie 2, bei dem der Wind Geschwindigkeiten von bis zu 155 Kilometern pro Stunde erreicht, problemlos stand.“
Bei Unwettergefahr wird rechtzeitig geschlossen
Ein Risiko gehe man aber natürlich nicht ein.
«Wir analysieren Wetterdaten und schließen bei Unwettergefahr rechtzeitig», betont Brüne.
Messen etwa Windsensoren an mehreren Stellen eine Überschreitung der Grenzwerte, werde der Zugang zur Brücke automatisch gesperrt. Jeden Morgen werde das Bauwerk per Sichtkontrolle auf seine Sicherheit überprüft, bevor es für die Gäste geöffnet werde.
„Einmal jährlich gibt es eine Revision durch die Schweizer Herstellerfirma. Alle sieben Jahre finden Kontrollen und Austausch wichtiger Teile statt, alle zehn Jahre noch tiefergehende Checks und Wartungen.“
Skywalk täglich von geöffnet
Geöffnet ist der Skywalk täglich von 9 bis 21 Uhr, in den Wintermonaten bis 17 UhrGeöffnet ist der Skywalk täglich von 9 bis 21 Uhr, in den Wintermonaten bis 17 Uhr. Ein Weg der Anreise: Mit der Seilbahn auf den 838 Meter hohen Ettelsberg im Rothaargebirge fahren, in der - auch nicht ganz schaukelfreien - Gondel vorbei an am Hang grasenden Schafen und Kühen. Von dort führt ein etwa eineinhalb Kilometer langer Wanderweg zum Skywalk.
Mit Hunderttausend Besuchern pro Jahr hatten die Betreiber im Vorfeld der Eröffnung kalkuliert. Eine konkrete Zahl könne er aktuell noch nicht nennen, sagt Brüne. Nur soviel:
„Unsere Erwartungen wurden übertroffen. Wir sind sehr zufrieden.“
Es kämen Besucher aus der ganzen Welt, das Medienecho sei international. Wegen des Besucherandrangs habe man einen Kiosk an der Mühlenkopfschanze eröffnet und umliegende Wanderwege ausgebaut.
Tourismusbranche in der Region profitiert
Auch für den Tourismus in der Region ist das Bauwerk ein Gewinn.
„Der Skywalk ist unser absolutes Highlight“, sagt Willingens Tourismusdirektor Norbert Lopatta. Dank ihm sei die Bettenauslastung in Willingen wieder gestiegen. „Wir haben dadurch das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht beziehungsweise teilweise überschritten.“
Die Brücke ziehe auch viele Tagesgäste an. Davon profitiere die gesamte Gemeinde.
„Die Menschen verbringen ein bis zwei Stunden am Skywalk und haben dann noch Zeit, sich im Ort umzuschauen.“
Tagesausflügler nähmen bis zu drei Stunden Anfahrt in Kauf, um den Skywalk zu erleben. Die Brücke sei beliebt bei allen Altersgruppen und zu jeder Tageszeit. Es seien immer Menschen auf dem Skywalk unterwegs, selbst bei Regen oder Nebel, berichtet Lopatta.
Tourismus wichtigste Wirtschaftsfaktor
Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftsfaktor in der Gemeinde im Landkreis Waldeck-Frankenberg, die zugleich heilklimatischer Kurort ist. Willingen ist bei Wintersportlern, Wanderern und Mountainbikern beliebt. Dort befindet sich Hessens größtes Wintersportgebiet. Der Ort ist zugleich bekannt für sein ausgeprägtes Nachtleben und ein populäres Reiseziel für Junggesellenabschiede und Clubbesuche.
Gegen das Image des Partytourismusortes kämpft Willingen seit Jahren und will sich stärker als Erlebnis- und Familienferienort etablieren. Der Clubtourismus sei nach wie vor ein Thema, so der Tourismusdirektor. „Es spricht nichts gegen das Feiern in Maßen.“ Aber es gebe auch Gäste, die es übertrieben. „Von 100 machen zwei Randale und das fällt auf.“
Daher richte sich Willingen auf die Zielgruppen für Aktiv- und Familienurlaub sowie naturnahen Tourismus aus. Dazu sei der Skywalk ein weiterer Baustein, sagt Lopatta. „Mit solchen Angeboten können wir den Partytourismus positiv verdrängen.“
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