VDV: Personalmangel gefährdet ÖPNV-Ausbau

(dpa/fn) Im Kampf gegen die Klimakrise kommt der Verkehrswende eine große Bedeutung zu. Mehr Menschen sollen in Busse und Bahnen umsteigen. Aber wer soll die eigentlich fahren?

Busse der Kölner Verkehrsbetriebe KVB stehen im Depot. Wenn es kein Personal gibt, bleiben sie dort stehen. (Symbolbild: Oliver Berg/dpa)
Busse der Kölner Verkehrsbetriebe KVB stehen im Depot. Wenn es kein Personal gibt, bleiben sie dort stehen. (Symbolbild: Oliver Berg/dpa)
Franziska Neuner

Der vielfach geforderte Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) droht nach Ansicht des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen am Arbeitskräftemangel zu scheitern.

„Wenn wir so weiter machen wie jetzt, nein, dann ist ein Ausbau des ÖPNV nicht machbar. Wir müssen uns die ganze Zeit fragen: Wie kriegen wir das alles noch finanziert? Und wer soll die Fahrzeuge fahren“, sagte Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses, der Deutschen Presse-Agentur. 

Umstieg von Auto auf ÖPNV elementar

Laut einer Umfrage des VDV mussten im vergangenen Jahr 44 % der Verkehrsunternehmen (zeitweilig) ihren Betrieb einschränken.

„Faktisch verabschieden wir uns von der Verkehrswende, wenn wir ÖPNV-Verkehr einstellen müssen“, sagte Kraus. „Aktuell sind wir vor allem dabei, irgendwie den Status quo aufrechtzuerhalten.“

Der Umstieg vom Auto auf Züge und den ÖPNV ist ein elementarer Teil der Verkehrswende, die im Kampf gegen die Klimakrise von großer Bedeutung ist.

„Ich nehme aber nicht wahr, dass wir als Branche ausreichend unterstützt werden, im Verkehr die Klimaziele zu erreichen“, sagte Kraus. 

Allianz Pro Schiene fordert „umfassende Personaloffensive“

Laut VDV arbeiten derzeit etwa 100 000 Busfahrerinnen und Busfahrer im Fahrdienst. Davon gehen jedes Jahr 4000 bis 6000 in Rente. Gleichzeitig sagten in der Unternehmensumfrage 83 %, dass sie den Personalbedarf im Fahrdienst bis 2030 höher einschätzen als aktuell. Der Personalmangel dürfte sich so Jahr für Jahr verschärfen.

Der Lobbyverband Allianz Pro Schiene hält daher eine „umfassende Personaloffensive“ für den ÖPNV für nötig.

„Branche und Unternehmen müssen in die Schulen gehen und dafür werben, dass Jobs im ÖPNV sicher und fair bezahlt sind und einen direkten Beitrag zum Klimaschutz leisten“, sagte Geschäftsführer Dirk Flege der dpa. 

Suche nach Personal verbessern

Die Verkehrsbranche gibt sich an dieser Stelle selbstkritisch: Bei der proaktiven Suche nach Mitarbeitern gebe es durchaus Verbesserungsbedarf.

„Das neue Mindset ist noch nicht bei allen richtig angekommen. Unsere Branche wurde von der Politik sehr lange aufgrund des Kostendrucks angehalten, Personal abzubauen - das ging die letzten 25 Jahre so“, sagte Kraus. „Das heißt: Akquise kannte man in der Branche kaum. Daher ist das Durchschnittsalter der Beschäftigten auch relativ hoch.“

Laut Umfrage liegt es im Fahrdienst bei fast 48 Jahren. Dem VDV nach suchen einige Unternehmen auch im Ausland nach Fachkräften.

„Vor allem für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen der Branche ist aber die Betreuung der Rekrutierten eine große Herausforderung, die Personalabteilungen dieser Verkehrsunternehmen sind oft nicht groß. Hier liegt die Lösung vor allem in branchenweiter Zusammenarbeit“, sagte Kraus.

Verdi: ÖPNV bei Entgelt und Arbeitsbedingungen nicht konkurrenzfähig

Nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi leidet der ÖPNV auch an Personalmangel, weil die Entgelthöhen nicht überall konkurrenzfähig seien - bei gleichzeitig anspruchsvollen Arbeitsbedingungen.

„Flapsig gesagt, findet man vielerorts für dasselbe Geld, das man im Fahrdienst bekommt, einen Job, der weniger belastend ist, mit verlässlicheren Arbeitszeiten, kürzeren Schichten“, sagte Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter für Busse und Bahnen bei Verdi, der dpa.

Vor allem im Schichtdienst und bei Tätigkeiten mit Kundenkontakt müssten die Arbeitsbedingungen verbessert werden - etwa durch kürzere Schichtzeiten, verlässliche Schichtplanung und ausreichende Ruhezeiten.

Auch VDV-Experte Kraus sieht in Flexibilisierung bei den Arbeitszeiten und Dienstplanmodellen, die besser zu den Lebenswirklichkeiten der Menschen passen, noch Spielraum.

„Flexibilisierung bei den Arbeitszeiten bedeutet aber mehr Personal. Und das kostet zusätzliches Geld, das wir nicht haben.“