IAA Transportation 2022: Steyr ist zurück!

Einst montierte man Pkw und Lkw in Steyr. Künftig werden es Vans und Busse sein: Das Unternehmen sieht sich als erfahrenen Industrialisierer mit Start-up Mentalität. 

Steyr plant, unter eigenem Label ins Geschäft der E-Vans (und -Busse) einzusteigen. | Foto: Steyr Automotive
Steyr plant, unter eigenem Label ins Geschäft der E-Vans (und -Busse) einzusteigen. | Foto: Steyr Automotive
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Steyr kehrt als Marke ins Nutzfahrzeugsegment zurück. Das Logo erinnert wieder an eine stilisierte Zielscheibe – einst begann Steyr als Waffenschmiede. Mit der Übernahme von MAN verschwand allmählich die Marke Steyr Trucks und das Werk wurde reiner Zuliefererbetrieb im Traton-Konzern. Der in Krakau ein neues Werk für seine Lkw hochgezogen hat, womit die Auftragsfertigung in Steyr im jetzigen Umfang auslaufen wird. Die Österreicher gaben sich kämpferisch, denn der Standort ist seit jeher für Schnelligkeit, Flexibilität und Qualität bekannt. Weshalb man sich unter dem Slogan “We move tomorrow’s world!” in Hannover der internationalen Fachpresse und dem Branchenpublikum präsentierte - mit der gesamten Leistungspalette als Auftragsfertiger, als Komplettanbieter im Bereich Forschung und Entwicklung und auch mit ersten Designstudien und Konzeptfahrzeugen eigener Marke.

Steyr Automotive ist OEM – und will mit Vans und Bussen starten – geplant ist ein Serienanlauf ab 2024

Steyr Automotive hat im Hinblick auf die zu erwartende, stark steigende Nachfrage nach Zero-Emission-Vehicles entschieden, die Fahrzeuge der eigenen Marke ausschließlich mit alternativen Antrieben auszustatten. Erste Konzeptfahrzeuge und Designstudien von E-Transportern und E-Bussen wurden bei der IAA gezeigt.

Für LCV (Light Commercial Vehicles) wird in einem ersten Schritt eine Plattform entwickelt, auf der zunächst drei Karosserie-Varianten entstehen: Kastenwagen, offene Karosserievariante für Pritsche oder andere Aufbauten sowie die offenen Varianten als Doppelkabine. Dabei ist die hohe Zielsetzung, nicht weniger als Benchmark für Reichweite, Ladekapazität, Robustheit und TCO (Total Cost of Ownership) zu sein. Die batterieelektrischen Fahrzeuge werden mit bis zu vier Akku-Packs zu je rund 50 KW/h ausgestattet, das bedeutet eine praxisorientierte Reichweite von 120 – 480 km nach WLTP kombiniert.

Begonnen wird mit der Produktion der Fahrzeugklasse N1 mit 3,5 t Gesamtgewicht – also im klassisches large Van Segment. Später soll es auch eine N2-Version mit erhöhtem Gesamt-gewicht (4,25 t) geben. Von Anfang an werden Fahrzeuge mit Karosserievarianten L2H2 (3,35m Laderaumlänge) und L3H2 (4,3m Laderaumlänge) angeboten. Weitere Derivate werden folgen. Das LCV-Konzept beinhaltet auch eine offene Schnittstelle zur Anbindung von kundenspezifischen Systemen oder auch Datenaustausch mit gängigen Telematik-Systemen. Der Produktionsstart soll Mitte 2024 sein.

Entwickelt wurde außerdem die ab sofort kostenlos verfügbare App „StART“ (Steyr Automotive Reichweiten bzw. Range Tool), die eine Vorab-Simulation von bestehenden Touren per Tracking ermöglicht und so eine Prognose erstellt, welche Konfiguration für das E-Fahrzeug erforderlich ist, um diese Tour zu bewältigen.

Für Busse sehen die Konzepte von Steyr Automotive City-Busse mit 6, 9 und 12 Meter Länge mit batterieelektrischem Antrieb und einer Reichweite von 100 – 250 km vor. Geplant ist, für den öffentlichen Personen-Nahverkehr barrierefrei zugängliche Sitzplätze durch ein durchgängiges Niederflurkonzept zu schaffen. Es gibt noch keinen terminierten Produktionsbeginn, denkbar ist ein Produktionsanlauf in der zweiten Jahreshälfte 2024. Anhand der digitalen Konzepte zeigte Steyr Automotive, dass es intensive Überlegungen und Arbeiten zu diesen Themen, vor allem aber auch Entwicklungsaktivitäten betreffend nachhaltiger Antriebsformen gibt.

Mit mehr als 100 Jahren Erfahrung in die Zukunft

„Wir sind im Werk am Standort Steyr stolz auf unsere Tradition und unsere mehr als 100jährige Historie“, betonte Johann Ecker, Sprecher der Geschäftsführung von Steyr Automotive und fügte an:

„Diese lange Geschichte bedeutet nicht nur einen enormen Erfahrungsschatz in der Entwicklung und Produktion von Nutzfahrzeugen, sondern ist auch Beleg für die Resilienz dieses Werkes und seiner Belegschaften, sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Flexibel auf die Anforderungen der Zeit zu reagieren, liegt praktisch in unserer DNA.“

Mit der Übernahme des Werkes von MAN Truck & Bus im Jahr 2021 durchläuft das Unternehmen – neben dem Management der allseits bestehenden Herausforderungen wie Corona, Knappheit bei der Teileversorgung oder Energiekrise – einen umfassenden Transformationsprozess. Ecker fasst die Pläne wie folgt zusammen:

„Unser Fokus liegt ganz klar darauf, diesen traditionsreichen Standort in die Zukunft zu führen und als Kompetenzzentrum für die Mobilitätsanforderungen von morgen zu etablieren. Das bedeutet, mit einem völlig neuen Geschäftsmodell, das wir auf drei Eckpfeiler gestellt haben, Fuß zu fassen. Dabei agieren wir als eigenständiges Unternehmen mit kurzen Entscheidungs-wegen. Man könnte uns als „erfahrene Industrialisierer mit Start-up-Mentalität“ bezeichnen“. 

Man will neue Maßstäbe bei industrieller Auftragsfertigung in Europa setzen und bald CO2-neutral montieren

Steyr Automotive verfügt über eine moderne Infrastruktur, die Produktionskapazitäten sind flexibel anpassbar und schnell skalierbar, Produktionsprozesse orientieren sich an Kriterien von Effizienz und Nachhaltigkeit. In naher Zukunft wird Steyr Automotive CO2-neutral produzieren. Die Lage im Herzen Europas bedeutet eine gute Logistikanbindung, die MitarbeiterInnen sind top qualifiziert, Entwicklungs- und Produktionskompetenz sind an einem Standort vereint.

Mit diesen Voraussetzungen setzt Steyr Automotive neue Maßstäbe in Europa im Bereich der Auftragsfertigung. Es gibt aktuell keinen zweiten Anbieter, der dies in der angebotenen Größenordnung und Individualität je nach Kundenerfordernis leisten könnte.

Zwischenzeitlich könnte man in Steyr drei Marken montieren: MAN, Steyr und Volta

Aktuell produziert Steyr Automotive für MAN Truck & Bus. Ein weiterer wichtiger Kunde ist Volta Trucks. Der Vorserienbau für Volta Trucks hat im Sommer begonnen, Anfang 2023 wird der Serienanlauf starten. Auch mit dem Truck-Aufbau, der sogenannten Volta-Box, wurde Steyr Automotive betraut. Aber nicht nur für Start-ups, auch für Auslauffertigungen oder Spitzenabdeckungen etablierter OEMs bietet sich Steyr Automotive als verlässlicher Partner an. Darüber hinaus wird in Steyr eine von Europas größten Lackieranlagen für Lkw-Kunststoffanbauteile betrieben und gibt es zudem auch eine Metall-Lackierung und eine manuelle Lackierlinie.

Komplettanbieter bei Forschung & Entwicklung

Steyr Automotive entwickelt und forscht als Komplettanbieter vom Konzept bis zur Serienreife. Technologieoffenheit ist Voraussetzung, wobei nachhaltige, alternative Antriebsformen, Materialien, Bauteile und Verfahren im Zentrum der Aktivitäten stehen. Die Verbindung von Engineering- und Produktionskompetenz am selben Standort gewährleistet, dass Projektziele nicht nur erreicht, sondern auch zu geplanten Kosten umgesetzt werden können. Zudem verfügt Steyr Automotive über ein breites Netzwerk, um auch jedes Spezialthema koordiniert aus einer Hand anbieten zu können.

Steyr steht für Handschlagqualität

Ecker schloss mit den Worten ab:

„Jeder, der sich für eine Leistung aus unserem Portfolio – sei es im Bereich Auftragsfertigung, Auftragsentwicklung oder unsere Fahrzeuge der Marke Steyr Automotive interessiert oder entscheidet – kann sich darauf verlassen, dass wir das, was die Marke Steyr verspricht – Bodenständigkeit, Verlässlichkeit, Kompetenz – halten“.

Das trifft voll zu: Am Stand, an dem weiter der oberösterreichische Akzent dominierte, gab es Leberkäs oder Würstel, Letztere typisch österreichisch mit „Kren“ (Meerrettich), dazu einen Verlängerten (Kaffee) und zum Nachtisch Manner-Waffeln. So wie man es aus Steyr-Daimler-Puch-Zeiten vor der MAN-Übernahme kennt. Womit die „Steyrer“ Tradition und Moderne aufs Beste verbinden.

Was bedeutet das?

Bodenständigkeit und Flexibilität prägen den Standort Steyr seit Jahrzehnten – eine heute günstige Mischung für eine (traditionelle) neue LCV- und Omnibusmarke. Mögen die neuen Produkte wie das Logo der stilisierten Zielscheibe ins Schwarze treffen!