Deutschland muss dringend aufwachen

Dieser Meinungsbeitrag beschäftigt sich mit dem Krieg in der Ukraine und der Rolle Deutschlands darin, aber auch mit dem generellen Zustand unseres Lands.

Für Deutschland ist es in vielen Fragen wahrscheinlich nicht mehr nur Fünf vor Zwölf, sondern schon zehn Minuten nach. (Foto: Pixabay)
Für Deutschland ist es in vielen Fragen wahrscheinlich nicht mehr nur Fünf vor Zwölf, sondern schon zehn Minuten nach. (Foto: Pixabay)
Claus Bünnagel

Ich schreibe diese Zeilen unter dem Eindruck des Massakers von Butscha. Nicht, dass mich solche Kriegsgräuel überraschen würden, dafür habe ich mich über Jahrzehnte zu sehr mit dem Thema Krieg beschäftigt, vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg. Erschüttert bin ich, weil sich Putins Schergen offenbar nicht einmal die Mühe macht, ihr menschenverachtendes Vorgehen in irgendeiner Form zu verbergen. Das lässt nichts Gutes für die Zukunft erahnen – die letzten Meldungen über weitere Kriegsverbrechen Russlands bestätigen diese Befürchtung. Wir werden in nächster Zeit auch vermehrt solche Verbrechen an russischen Soldaten durch ukrainische Kräfte erleben – schon als blanke Reaktion auf die Massaker. Nicht gutzuheißen, aber eine fast logische Entwicklung. Zumal auf ukrainischer Seite eine Reihe paramilitärischer Verbände bis hin zum rechtsradikalen Asow-Regiment unterwegs ist. Krieg ist eben nie Schwarz und Weiß, auch wenn das viele Menschen gerne so sehen würden.

Deutschlands Wirtschaft geht unter

Erschüttert bin ich aber auch aufgrund der ersten Reaktionen aus der deutschen Politik. Weitere Sanktionen gegen Russland sind zwar anvisiert, der umgehende Stopp der Energielieferungen von dort ist dabei allerdings nicht geplant, so Wirtschaftsminister Robert Habeck. Was wäre eigentlich so schlimm daran? Die meisten Wirtschaftswissenschaftler gehen infolge eines solchen Schritts von einem Rückgang des Bruttosozialprodukts in einer Spanne von 3 bis 6 % aus – also einer Größenordnung etwas unterhalb der Effekte im ersten Pandemiejahr 2020. Stattdessen wird derzeit aber eine massive Angstkampagne gefahren nach dem Motto: Die deutsche Wirtschaft wird untergehen! Dies wurde ja auch vor Einführung des Mindestlohns beschrien; heute gilt dieser als belebendes Element des hiesigen Wirtschaftsgeschehens.

Deutschlands Wirtschaft geht nicht unter

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zu einem ganz anderen Ergebnis als die vielen angeblich besorgten, aber wohl eher um ihre bedrohten Geschäfte und Gewinne fürchtenden Kommentatoren aus der Wirtschaft: „Wenn die Energie-Einsparpotenziale maximal genutzt und gleichzeitig die Lieferungen aus anderen Erdgaslieferländern so weit wie technisch möglich ausgeweitet werden, ist die deutsche Versorgung mit Erdgas auch ohne russische Importe im laufenden Jahr und im kommenden Winter 2022/23 gesichert“, lautet das Fazit der Studie. Alleine durch mehr Gasimporte aus Norwegen könnten etwa ein Fünftel der bisherigen russischen Einfuhren von mehr als 50 Mrd. Kubikmeter pro Jahr ersetzt werden, die bislang etwa 55 % der gesamten Gasimporte ausmachen. In Kombination mit einem rückläufigen Erdgasverbrauch ließe sich die deutsche Energieversorgung sichern. So könnte der Bedarf zwischen 18 und 26 % gesenkt werden – etwa durch den vollständigen Ersatz von Erdgas in der Stromerzeugung.

Komfort ist relativ

Vor allem könnte ein simples, aber effektives Mittel in der Not eingesetzt werden: Energiesparen. Dabei wäre dies gerade für die Privathaushalte schnell umzusetzen, z.B. indem sie rund ein Viertel ihrer Umsätze herunterfahren – sicherlich machbar. Ohne große Komforteinbußen habe ich bereits vor Wochen umgestellt und die Heizung an warmen Märztagen ganz ausgeschaltet oder heize an kälteren Apriltagen nur noch das Wohnzimmer. Ist gar nicht so schlimm, bringt sogar Nähe, weil die Familie dann in einem Raum zusammenrückt. Im Arbeitszimmer werden zwei Pullover übereinandergezogen, nachts wird mit zwei Paar Socken an den Füßen geschlafen. Es geht!

Es lebe die Bequemlichkeit!

Leider wird weder von der Bevölkerung noch von der Politik überhaupt der Versuch gemacht, mit Sparen oder sinnvollem Umstrukturieren kurzfristig von russischen Energieimporten unabhängig zu werden und so ein echtes Embargo umzusetzen. Denn es ist ja so viel bequemer, einfach so weiter zu machen und die Folgen der ukrainischen Bevölkerung aufzulasten. Als Resultat heizen wir mit unserem Geld den Krieg Russlands gegen die Ukraine an. Derzeit gibt die EU täglich 400 Mio. Euro für russisches Gas und sogar rund 450 Mio. Euro für Öl aus Putins Reich aus! 80 bis 85 % davon werden in Rubel getauscht, um damit das Beamtenheer des Apparats und sein militärisches Heer zu finanzieren. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil mit der Sberbank und der Gazprombrank zwei der drei größten russischen Banken vom Swift-Ausschluss ausgenommen sind und somit rund 75 % der finanziellen Transaktionen Russlands keinen Einschränkungen unterliegen – ein weiterer zahnloser Tiger der Weltgemeinschaft unter maßgeblicher Einwirkung Deutschlands. In diesem Jahr dürfte Russland mit weit mehr als 300 Mrd. Euro einen neuen Rekordertrag aus seinen Energieimporten erzielen – trotz Sanktionen!

Deutschland kann nicht liefern

Dafür zeichnet sich Deutschland durch eine eigentümliche Passivität aus, wenn es um Waffenexporte in die Ukraine geht. Der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt, der z.B. derzeit ein fragwürdiges Regime wie das in Ägypten aufrüstet, kann angeblich nicht liefern – weder aus Bundeswehrbeständen noch aus der Industrie. Die Wehrfähigkeit des Lands stände auf dem Spiel. Die Frage ist allerdings, wer Deutschland derzeit unmittelbar bedroht. Die Slowakei, näher dran am ukrainischen Kriegsgeschehen, hat der Ukraine gerade sein Luftverteidigungssystem S-300 geschenkt. Großbritannien liefert 120 Schützenpanzer, Australien 20 Bushmaster-Truppentransporter. Und wir können froh sein, dass die vielgescholtene USA den Überblick bewahrt und die Ukraine gerade seit Antritt der Biden-Regierung massiv aufgerüstet hat. Ohne deren Hilfe wäre der Krieg in der Ukraine wohl längst entschieden und Putins Armeen ständen an den Grenzen der Nato im Baltikum und Polen – oder vielleicht schon darüber hinaus.

Sophistische Debatten

Hier wird derweil immer noch über schwere und leichte, Defensiv- und Offensivwaffen diskutiert. Als ob es auf solch sophistische Debatten und moralisch-ethische Unterscheidungen im Elfenbeinturm wirklich ankäme. Als ob Putin die Atombombe herausholt, wenn wir Marder-Schützenpanzer liefern. Viel wichtiger wäre eine Unterscheidung in kurz-, mittel- und langfristig lieferbare Waffensysteme. Priorität sollte zunächst unbedingt das haben, was den Ukrainern schnell weiterhilft, also Panzerfäuste, leichte Flugabwehrwaffen, Munition und Waffensysteme, die sie selber bereits einsetzen – um die nächsten Offensiven der Russen im Osten und Süden des Lands aufhalten zu können. Da der Krieg u.U. nicht nur Wochen und Monate, sondern Jahre andauern kann und eine Nachkriegsordnung basierend auf Abschreckung nötig sein dürfte, muss darüber hinaus ein Plan her, wie wir die Ukraine langfristig militärisch unterstützen können. Dazu gehört nicht nur die Lieferung von Waffentechnik, sondern auch die Ausbildung des dortigen Militärs an den meist komplexen Systemen. Das betrifft u.a. Panzer, Schützenpanzer, Artillerie, Luftabwehrsysteme, Helikopter und Flugzeuge. Denn der Konflikt um die Ukraine wird vermutlich erst enden, wenn Russland sich komplett aus dem Land zurückgezogen hat, auch aus dem Donbass und von der Krim. Je eher dieses in der Lage ist, einen Offensivkrieg zu führen, umso schneller wird die Auseinandersetzung in der Ukraine enden, das sollte uns klar sein.

Wo man hinschaut: Fehler und Fehlbesetzungen

Die Frage ist allerdings, ob mit dem derzeitigen politischen Personal eine solche Wende in der Außenpolitik möglich ist. Wenig Hoffnung setze ich dabei auf einen Zauderer wie Bundeskanzler Olaf Scholz, gar keine auf Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht, eine klassische Fehlbesetzung in meinen Augen. Einzig Außenministerin Annalena Baerbock scheint mittlerweile die Zeichen der Zeit erkannt zu haben.

Dabei ist Deutschland durchaus mitverantwortlich für das, was gerade in und mit der Ukraine geschieht. Uns sollte daher besonders daran gelegen sein, das Land zu unterstützen und unsere Fehler wiedergutzumachen. Der größte: 2008 hat Deutschland maßgeblich die Aufnahme der Ukraine in die NATO verhindert – der Kardinalfehler und Grund für den heutigen Krieg. Außerdem hat unser Land immer wieder Sanktionen nach den russischen Überfällen auf Georgien (2008) sowie die Krim (2014) blockiert und somit Putin für weitere militärische Abenteuer motiviert. Gleichzeitig haben wir ihn mit unseren Rohstoffkäufen finanziert und hochgerüstet.

Shoppen beim Despoten

Statt unsere Fehler einzugestehen und wenigstens ein bisschen solidarisch mit der Ukraine „mitzuleiden“, feiert sich das Land mit Wirtschaftsminister Robert Habeck an der Spitze dafür, Öl und Gas bei arabischen Despoten und Regimen einzukaufen – wie kürzlich in Katar. Jenem Land, dass zu den größten Finanziers extremistischer Gewalt vom Jemen bis zum mittleren Osten zählt. Schon morgen dürfte dieses Geld für verbrecherische Ziele eingesetzt werden. Und wieder wird der hilflose Westen staunend und zerknirscht danebenstehen. Schöne neue Welt!

Am deutschen Wesen mag die Welt genesen!

Die Ukrainepolitik Deutschlands ist eigentlich nur die Spitze des Eisbergs seiner politischen und gesellschaftlichen Unzulänglichkeiten. Darunter verbergen sich die wahren Zwiespälte und Dilemma eines orientierungslosen Lands. Noch vor wenigen Jahren wähnte sich dieses auf dem Höhepunkt seines Schaffens, sah sich besser als die meisten Länder der Welt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 geschritten zu sein. Es herrschte wieder ein kaiserlicher Geist frei nach „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen“. Der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier fabulierte von 20 goldenen Jahre, die vor Deutschland lägen. Wie Hohn klingen seine Worte beispielsweise von 2017: „Gott sei Dank reicht es heute aus, bei Konflikten miteinander zu reden, anstatt, wie zu schlimmeren Zeiten, aufeinander zu schießen. (…) Wir leben im schönsten und besten Deutschland, das wir in den letzten 100 Jahren hatten.“

Apathie und Lähmung

Derweil hatte sich schon längst zusammengebraut, woran das Land heute leidet und in den nächsten Jahrzehnten leiden wird. Ich und leider viel zu wenige Kollegen warnen schon seit Langem, dass uns gerade die 16 Merkel-Jahre noch böse auf die Füße fallen werden. Jahre, in denen das Land in einer seltsamen Apathie und Lähmung verharrte und von den Leistungen nach der Wiedervereinigung lebte, aber es grundlegend verpasste, in einer disruptiv sich entwickelnden Wirtschaft und Welt grundlegende Weichenstellungen für die Zukunft vorzunehmen. Die ersten Auswirkungen erleben wir heute. Schon vor Jahren habe ich geschrieben, dass Deutschland spätestens 2030 wieder der „Arme Mann“ in Europa ist, wie man es um die Jahrtausendwende schon einmal war. Vielleicht könnte es angesichts der Energiefrage nun noch schneller gehen. Benötigt dieses Land eigentlich immer Krisen und Zusammenbrüche, damit sich etwas in seinem Innern verändert? – könnte man fragen.

Konservativ und hartherzig

Dieses Land scheitert seit mehr als hundert Jahren immer wieder an seinem Konservatismus. In jüngster Zeit kommt auch verstärkt eine schon vergessen geglaubte Hartherzigkeit hinzu. Das fängt im Kleinen an, wenn man sieht, wie kaltherzig Eltern im Kindergarten oder in der Schule im Zeichen eines falsch verstandenen „Löwenelterntums“ gegen andere Eltern samt deren Nachwuchs vorgehen, wenn sich die Kleinen mal harmlos in die Wolle geraten sind – was früher kaum der Rede gewesen wäre. Das reicht weiter über eine Ex-Bundesfamilienministerin, deren Karriere anscheinend wichtiger zu sein schien als ihr kranker Mann und ihre vernachlässigten Kinder, ganz zu schweigen von den notleidenden Menschen im Ahrtal. Und es reicht bis hin zu einer Gesellschaft, die – solange das Gesundheitssystem nicht überlastet ist – den Tod von täglich hunderten Mitbürgern in der Cornapandemie ebenso in Kauf nimmt wie der von tausenden Ukrainern seit Kriegsbeginn. Hauptsache der Ofen ist warm und 239 Mio. Schoko-Osterhasen stehen zum Fest bereit – wie die Süßwarenindustrie jüngst stolz vermeldete.

Die modernen Pharisäer

Natürlich zeigt man Flagge und geht für die Ukraine auf die Straße. Damit kann man sich gut fühlen und das Gewissen erleichtern. Und zeigt gleichzeitig eine völlige Naivität. Als ob dies Putin beeindrucken und zum Einhalten bringen würde. Wenn die Leute mit solchen Demos wirklich etwas bewirken wollten, dann sollten sie auf ihren Plakaten „Panzer, Flugzeuge und Waffen“ für die Ukraine von der deutschen Politik fordern. Aber das würde sicherlich kaum mit dem hehren Selbstverständlich ethisch-moralisch überlegener Menschen zusammenpassen. Im Grunde geht es bei solchen Veranstaltungen nur darum, Zeichen zu setzen – für sich selbst und ganz im Geist der Pharisäer.

„Maß und Mitte“ und bitte „auf Sicht fahren“!

Seit Jahren produziert das Land nur Absichtserklärungen und Papier, auf dem Ziele formuliert werden, ohne sie ernsthaft angehen zu müssen. Das fühlt sich gut an und hat keine Konsequenzen. Allen voran der seit September 2019 geltende „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland“, der das Papier nicht wert ist, auf dem er steht, bis hin zu den Klimaschutzvereinbarungen der vergangenen Jahre. Wie schon in der Coronapolitik hört man im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg wieder diese unsäglichen Worte aus Politikermündern, wir sollten „Maß und Mitte einhalten“ und „auf Sicht fahren“. Übersetzt heißt das jeweils: Wir verändern nichts und halten alles bei, so unsinnig und unzeitgemäß es auch sein mag. Und: Einen wirklichen Plan haben wir nicht. Bei allem, was man China vorwerfen kann, in einem ist das kommunistisch-kapitalistisch-nationalistische Land dem Westen haushoch überlegen: Hier wird nicht wie in Deutschland maximal vier Wochen im Voraus geplant, sondern über 10, 30 und sogar 50 Jahre. Damit dürfte es sich auf Dauer durchsetzen und die Weltführerschaft übernehmen.

Auf zum nächsten großen Knall

Spätestens mit der DDR-sozialisierten Angela Merkel hat Deutschland dagegen das Durchwursteln zum Prinzip erhoben. Bis es eben wieder zum großen Knall kommt. Nicht umsonst warnte bereits 2011 der damalige polnische Außenminister Radosław Sikorski: „Deutsche Macht fürchte ich heute weniger als deutsche Untätigkeit.“ Besonders Übles schwant mir diesbezüglich hinsichtlich eines noch größeren Problems als dem Ukrainekrieg, nämlich des Klimawandels. Kaum jemand in der SUV-Nation Deutschland ist ernsthaft bereit, Abstriche an seinem Lebensstil zu vollziehen. Dabei wird das Problem immer drängender.

Wie die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris mitteilte, wurden 2021 weltweit 36,3 Mrd. Tonnen energiebedingte Kohlendioxid-Äquivalente ausgestoßen – und damit so viel wie nie zuvor. Gleichzeitig hat das im Vergleich zu CO2 viel wirksamere Treibhausgases Methan laut US-Behörde NOAA ebenfalls ein Rekordniveau erreicht, seit die Messungen vor beinahe 40 Jahren begannen. In den Augen der Mehrheit unter den Bundesbürgern ist die Welt jedoch auf einem guten Weg und Deutschland dabei Vorreiter. Die Realität sieht allerdings ganz anders aus, Deutschland ist vom Vorbild längst zum Sünder in Sachen Klimaschutz geworden – u.a. als Land, in dem sieben der zehn schädlichsten Kohlemeiler in Europa stehen.

Eines sollte uns klar sein: Je länger wir warten, umso drastischer werden die notwendigen Maßnahmen später ausfallen. Bitte machen Sie einmal eine Reise an die Ahr! Wir hier wissen es seit dem 14. Juli 2021, wie sich Klimawandel anfühlt und noch viele Jahre unser Leben bestimmen wird. Wir erklären es Ihnen gerne.

Wandel durch Wille

Dabei wäre Wandel möglich. Um es mit meinem Freund Peter Altmaier zu sagen: „Erneuerung ist möglich. Man muss sie nur wollen.“ Sie würde zwar die Geschäfte einiger bedauerlicher Superreicher im Land stören. Aber für den Rest könnten die positiven Veränderungen zugunsten des Klimaschutzes sogar wirtschaftlichen Zugewinn bedeuten, wie das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) berechnet hat. Maßnahmen wie die signifikante Erhöhung des E-Auto-Anteils und der Wasserstoffproduktion, der höhere Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix, der Ausbau des Ökolandbaus sowie der Austausch von Gasheizungen könnten das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2030 um rund 1,2 % steigern und ca. 400.000 zusätzliche Arbeitsplätze ab 2025 schaffen. Aber Deutschland wird vermutlich alleine daran scheitert, dass es ohne jegliche Weitsicht versäumt, die Arbeitskräfte für den Ausbau der Erneuerbaren Energien auszubilden – schon jetzt deutet sich ein eklatanter Mangel ab. Vielleicht sind also bald, falls Habecks Osterpläne nicht vom (Schoko-)Osterhasen selber stammen sollten, genug finanzielle Mittel und Hardware da, aber dann fehlt es womöglich eben am nötigen Know-how und der unerlässlichen Manpower zur Umsetzung. Apropos Geld: Ich empfehle dringend, die Superreichen an der immens teuren, weil über Jahrzehnte verschleppten Umgestaltung Deutschlands adäquat zu beteiligen, nachdem sie in den vergangenen 40 Jahren bestens von den Systemen Kohl und Merkel profitiert haben. Das würde vor allem die Themen Abgeltungs-, Erbschafts- und Grundsteuern betreffen, allesamt gute Hebel für erkleckliche Beträge an die Staatskasse. Aber das werden die Lobbyisten wohl rechtzeitig verhindern können!

Raus aus der Komfortzone!

Ist das Land wirklich zum Wandel bereit? Daran hege ich große Zweifel. Eher bietet sich mir der Eindruck, dass Teile der Gesellschaft in einer Zeit vor etwa 20 Jahren gefangen sind, ja manch einer noch in den 1970ern und 80ern. Doch wir werden die Zukunft verlieren, wenn wir die Gegenwart bewahren oder Vergangenes zurückholen wollen. Das wird auch jener (Groß-)Teil der Russen erfahren und bitter bezahlen, dem Politik gleichgültig war und ist oder der Putins Großmachtträume sogar befürwortet.

Den Deutschen sei an dieser Stelle empfohlen, dringend aufzuwachen und ihre Komfortzone zu verlassen. Das gilt für jeden einzelnen, aber auch Staat und Gesellschaft im Ganzen. Als Blockierer isoliert sich das Land mehr und mehr von der europäischen und westlichen Gemeinschaft. Gerade in diesen disruptiven Zeiten, in denen wir leben, gilt mehr denn je: Wer sich am stärksten bewegt, gewinnt. Zurück bleiben die, die zum Wandel nicht in der Lage sind.

Mein Dank

Ich finde es traurig, dass wir das höchste Gut, die Freiheit, auf dem Altar der Bequemlichkeit opfern. Ich schäme mich zum ersten Mal in meinem Leben für mein Land. Mein Respekt und Dank gilt den tapferen Ukrainern, die ihre Freiheit und die Europas verteidigen, ohne dass der Kontinent es schätzt oder auch nur dankt.

Claus Bünnagel (Chefredakteur busplaner)