Auf der Absinth-Straße die „Grüne Fee“ entdecken

Eine besondere Entdeckungsreise auf den Spuren des sagenumwobenen Getränks
Askin Bulut

Im 18. Jahrhundert in der Schweiz erfunden, wurde Absinth nur wenige Jahre später in Pontarlier in der Franche-Comté in Massen hergestellt. Schnell erlangte er große Beliebtheit, wurde nach zahlreichen Exzessen jedoch verboten und zum Mythos. Eine besondere Entdeckungsreise auf den Spuren dieses inzwischen wieder erlaubten Getränks verspricht die Absinthstraße, die von der Absinth-Hauptstadt Pontarlier bis in die Schweiz führt. Hier können Besucher das Getränk in all seinen Facetten kennenlernen: durch Anbaufelder, Brennereien, Ausstellungen und Schmugglerpfade.

Absinth, der traditionell aus Wermut, Anis, Fenchel und weiteren Kräutern hergestellt wird, ist eine Spezialität der Franche-Comté. Zwar wurde das Getränk Ende des 18. Jahrhunderts erstmals in der Schweiz von einer Heilerin als Arznei verwendet. Nachdem der erste Absinth in kleinen Mengen 1805 in der Schweiz von Henri-Louise Pernod hergestellt wurde, verlagerte man die Produktion jedoch schnell in die Franche-Comté, um Zollgebühren zu umgehen. Zur Hochzeit des Absinths, der wegen seiner Farbe auch als Grüne Fee bezeichnet wird, zählte Pontarlier sogar 25 Brennereien, die insgesamt 15 Millionen Liter des Getränks destillierten. Auf die Spuren des sagenumwobenen Absinths können sich Reisende auf der Absinth-Straße begeben. Sie führt seit 2009 von der Absinth-Hauptstadt Pontarlier in der Franche-Comté durch das Val-de-Travers bis in die Schweiz. Entlang dieser Route können wissbegierige Urlauber auf unterhaltsame Weise landwirtschaftliche, industrielle, kulturelle, historische und touristische Orte entdecken, an denen sich alles um die Grüne Fee dreht: So etwa Brennereien wie die des ersten Absinth-Produzenten Pernod oder die Familien-Brennerei Pierre Guy. Außerdem Anbaufelder, Schmugglerpfade über die Grenze oder das Absinth-Museum in Pontarlier. Zudem können Besucher Produkte mit Absinth, zum Beispiel Schokoladen und Wurstwaren, entdecken und kaufen. Oder sich in Restaurants, Brasserien und Cafés mit Absinth-Gerichten verwöhnen lassen.

Die Absinth-Destillerie Pierre Guy, die letzte Familienbrennerei von Pontarlier, wurde 1890 von Armand Guy gegründet und wird heute bereits in vierter Generation geführt. Besucher können die verschiedenen Destillier-Apparate sowie über hundert Jahre alte Fässer bestaunen. Neben Absinth und Pontarlier-Anis werden hier übrigens auch traditionelle Liköre, Obstbrände und in Alkohol eingelegte Früchte produziert.

Zudem können Reisende auf der Absinth-Straße auch das Musée de Pontarlier entdecken, das 1977 gegründet wurde und sich in einem der ältesten Gebäude der Stadt befindet. Neben der Stadtgeschichte zeigt es auf drei Etagen auch die Geschichte des Absinths, die stark mit der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung und dem Alltagsleben von Pontarlier verbunden ist. Dank alter Plakate, Objekte, Gemälde oder Postkarten ist die Ausstellung besonders spannend und anschaulich.

Zum Aufschwung verhalfen der „Grünen Fee“ die französischen Kolonialtruppen. Diese verwendeten Absinth nämlich zur Trinkwasserreinigung und verzichteten auch nach ihrer siegreichen Rückkehr nach Frankreich nicht auf ihre Trinkgewohnheiten: In den Cafés an den großen Pariser Boulevards genossen sie ihren Absinth – und die Öffentlichkeit fand schnell Gefallen daran, ihren zu Helden gewordenen Soldaten nachzueifern.

Nach zahlreichen Exzessen jedoch, unter anderem soll sich Vincent van Gogh sein Ohr im Absinth-Rausch abgeschnitten haben, wurde Absinth 1915 in vielen europäischen Ländern verboten. Giftige Inhaltsstoffe wie beispielsweise das Thujon wurden verdächtigt, die Menschen in den Wahnsinn zu treiben. Aus der Grünen Fee Absinth wurde ein Mythos. Nachdem 1988 bewiesen wurde, dass die Folgen des Absinths lediglich dem hohen Alkoholgehalt zuzuschreiben waren, fiel das Verbot zwar in den meisten Ländern, nicht jedoch in Frankreich, wo das Getränk noch bis 2011 nur unter dem sperrigen Namen „spirtituöses Getränk auf Basis von Absinth-Pflanzen“ erlaubt war.