ZSW & BDEW: Erneuerbare Energien decken 58 Prozent des Stromverbrauchs

Erneuerbare Energien haben im ersten Halbjahr rund 58 % des Stromverbrauchs gedeckt. Damit schreitet die Energiewende voran und vor allem Photovoltaik legt dank Rekordausbau stark zu. Der Großteil der Wertschöpfung bei der Produktion der Anlagen findet jedoch nicht in Deutschland statt.

Vor allem die PV-Energieerzeugung legt mit einem Ausbaurekord stark zu und sorgt dafür, dass die fossilen Energieträger zurückgedrängt werden. Entgegen den Behauptungen von Union und FDP spielt Atomkraft keine Rolle mehr und wird auch nicht gebraucht. (Foto: EnBW)
Vor allem die PV-Energieerzeugung legt mit einem Ausbaurekord stark zu und sorgt dafür, dass die fossilen Energieträger zurückgedrängt werden. Entgegen den Behauptungen von Union und FDP spielt Atomkraft keine Rolle mehr und wird auch nicht gebraucht. (Foto: EnBW)
Franziska Neuner
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Im ersten Halbjahr 2024 haben Erneuerbare Energien rund 58 % des Bruttoinlandstromverbrauchs gedeckt – so viel wie nie zuvor in einem Halbjahr. Das zeigen vorläufige Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch lag damit fast sechs Prozentpunkte höher als im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres (1. Halbjahr 2023: 52 %). Über das gesamte Halbjahr deckten Erneuerbare Energien mehr als die Hälfte des monatlichen Stromverbrauchs. Seit April verzeichneten sie monatlich einen Anteil von 59 %.

Insbesondere Photovoltaikanlagen produzierten mit insgesamt 37 Mrd. kWh deutlich mehr Strom als im Vorjahr – auch dank des Rekordzubaus im Jahr 2023. Im Juni 2024 produzierten PV-Anlagen nach vorläufigen Berechnungen zum allerersten Mal innerhalb eines Monats mehr als 10 Mrd. kWh Strom. Auch die Wasserkraft trug im ersten Halbjahr mit 12 Mrd. kWh Strom für ihre Verhältnisse überdurchschnittlich stark zur Stromerzeugung bei.

„Zum wiederholten Mal in Folge sehen wir einen Rekord beim Erneuerbaren-Anteil am Stromverbrauch. Das ist der Lohn für den beharrlichen Ausbau von Windenergie und Photovoltaik in den vergangenen Jahren. Genauso wichtig wie der Erneuerbaren-Ausbau sind die entsprechenden Infrastrukturen. Der Aus- und Umbau der Stromnetze sowie die Entwicklung von Speichern und innovativen Konzepten müssen mit dem Erneuerbaren-Ausbau Hand in Hand gehen. Denn grüner Strom bringt uns nichts, wenn er nicht genutzt werden kann", erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

Hier müsse die Bundesregierung die noch verbliebenen Hemmnisse aus dem Weg räumen. Weiterhin wird Sektorkopplung zu einem wichtigen Baustein im Energiesystem der Zukunft und hier spielt die Erzeugung von Wasserstoff eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung solle sich in Brüssel für pragmatische Kriterien für grünen und klimaneutralen Wasserstoff einsetzen. Das gilt laut Andreae weiterhin auch für Planungs- und Genehmigungsverfahren. Zentral sieht sie zudem den  Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke.

"Denn trotz der erfreulichen Zahlen: Die Stromerzeugung aus Wind und Sonne ist nicht konstant. Wir brauchen gesicherte Leistung für Systemdienstleistungen und Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht", appellierte die BDEW-Chefin.

Erneuter Rekord unterstreicht Erreichbarkeit klimaneutraler Produktion

Dieser erneute Rekord unterstreicht aus Sicht des ZSW, dass eine effiziente, zuverlässige, sichere und treibhausgasneutrale Stromversorgung auf der Basis von nahezu 100% erneuerbaren Energien inklusive Wasserstoff bis 2035 in Deutschland nicht nur erreichbar ist, sondern damit auch ein stabiles Fundament für die Industrie auf ihrem Weg zur klimaneutralen Produktion bietet.

„Zu beachten ist dabei allerdings auch, dass die Wertschöpfung bei der Produktion der Erneuerbare-Energien-Anlagen aktuell fast ausschließlich außerhalb Deutschlands und in großen Teilen auch außerhalb Europas stattfindet", mahnte Prof. Dr. Frithjof Staiß, geschäftsführender Vorstand des ZSW.

Umso wichtiger ist es aus seiner Sicht, dass Deutschland den am 16. März 2024 verabschiedeten Net Zero Industry Act der EU ganz gezielt nutzt, um die Produktion der Schlüsseltechnologien Photovoltaik, Windenergie, Batterietechnologien, Elektrolyse, Brennstoffzellen und Stromnetzkomponenten (wieder) in Deutschland anzusiedeln. Gelinge dies nicht, werden die Lieferabhängigkeiten insbesondere von Ländern aus dem außereuropäischen Ausland weiter steigen, warnt der ZSW-Chef.

Mythos Kernenergie - fossile Träger auf dem Rückzug

Im ersten Halbjahr 2024 lag die Bruttostromerzeugung bei 252 Milliarden Kilowattstunden (Mrd. kWh) – ein Rückgang von knapp fünf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum (1. Halbjahr 2023: 265 Mrd. kWh). Dem stand ein Stromverbrauch von rund 250 Mrd. kWh gegenüber (1. Halbjahr 2023: 250 Mrd. kWh).

Insgesamt wurden knapp 150 Mrd. kWh Strom aus Sonne, Wind und anderen regenerativen Quellen erzeugt (1. Halbjahr 2023: 120 Mrd. kWh). Davon stammten knapp 62 Mrd. kWh aus Wind an Land, 37 Mrd. kWh aus Photovoltaik, 25 Mrd. kWh aus Biomasse, 14 Mrd. kWh aus Wind auf See und 12 Mrd. kWh aus Wasserkraft.

Aus konventionellen Energieträgern wurden 102 Mrd. kWh erzeugt. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 120 Mrd. kWh. Die Kernenergie, die im 1. Halbjahr 2023 noch sieben Mrd. kWh Strom lieferte, leistet seit der endgültigen Stilllegung der letzten drei Kernkraftwerksblöcke zum 15. April 2023 keinen Beitrag mehr zur Stromerzeugung in Deutschland.

Ökostromanteil: Zwei Berechnungsmöglichkeiten

Der Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch im ersten Halbjahr 2024 beträgt rund 58 %, so die Statistik. Den Ökostromanteil am Bruttostromverbrauch zu bemessen, ist die gängige Berechnungsgrundlage. Sie geht zurück auf europäische Vorgaben und steht im Einklang mit den Zieldefinitionen der Bundesregierung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Der Bruttostromverbrauch bildet das gesamte Stromsystem eines Landes ab. Eine andere Möglichkeit ist, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung zu messen. Sie umfasst die gesamte in Deutschland erzeugte Strommenge. Der Anteil Erneuerbarer Energien im ersten Halbjahr 2024 auf Basis der Bruttostromerzeugung beträgt 60 %.