Induktives Laden – auch für Busse: Strom liegt auf der Straße

Auf einer Teststrecke des spanischen Autobahnbetreibers Aleatica wollen Stellantis, ABB, Electreon und die Baustoffexperten Mapei und Iveco beweisen, wie sich induktives Laden in die Fahrbahn integrieren lässt. Und wie man so die Akkus schrumpft, das Laden erleichtert und Oberleitungen sowie DC-Ladeparks erübrigt. Wir haben induktiv probegeladen.

 

Drahtlos laden: Bei einem vielversprechenden Pilotprojekt erprobt ein Konsortium das induktive Laden, das natürlich auch statisch funktioniert. | Foto: J. Reichel
Drahtlos laden: Bei einem vielversprechenden Pilotprojekt erprobt ein Konsortium das induktive Laden, das natürlich auch statisch funktioniert. | Foto: J. Reichel
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Es ist eine magische Idee: Laden beim Fahren. Und der sogenannte Dynamic Wireless Power Transfer (DWPT) soll jetzt Realität werden. Oder besser - er ist es schon: In der Arena del Futuro zwischen Mailand und Brescia, die der spanische Autobahnbetreiber Aleatica an der Strecke Brebemi A35 initiiert hat. Zumindest die Technologie dafür ist vorhanden, wie das Unternehmen in einem breiten Konsortium mit Stellantis, ABB, dem israelischen Wireless-Charging-Spezialisten Electreon, dem Baustoffexperten Mapei und Iveco auf einer 1.050 Meter langen Teststrecke an der Autostrada beweist. Bei unserer Probefahrt fließt ganz ordentlich Strom durch die induktiven Ladecoils, die hier im Asphalt verlegt sind. Das hat wirklich etwas Magisches.

Der Iveco-Elektro-Bus (ein Heuliez) bedient sich mit bis zu 90 kW aus der Strompiste, der Fiat 500e, der ihm folgt, kann mit seinem Receiver unter dem Fahrzeugboden bis zu 25 kW abzapfen. Bei einem durchschnittlichen Pkw und bei Tempo 120 km/h soll das dafür sorgen, dass man quasi keine Reichweite verliert, bei seiner Fahrt in den Süden oder sonstwo hin. Wenn man denn nicht mit dem High-Speed-Train unterwegs ist, der während unserer Probefahrt über dem Areal vorbeidonnert. Strommangel herrscht an diesem Standort jedenfalls schon mal nicht.

Eine Hauptintention des Projekts erschließt sich nicht auf Anhieb, leuchtet aber ein. Mit induktiven Ladepisten könnte man eben deutlich kleinere Akkus verbauen und so Ressourcen und Umwelt schonen. Und den Geldbeutel: Schließlich machten die Akkus bei einem E-Auto 40 bis 50 Prozent der Kosten aus, wie Gianfranco Romeo von der Stellantis-Unit Charging & Energy wirbt.

Satte ein bis vier Megawatt können unterflur fließen, wenn die induktiven Spulen im Asphaltband verbaut sind. Die verteilen sich dann komplett gesteuert per Cloud auf die Fahrzeuge, die gerade in der Nähe fahren. Theoretisch schlummert also eine Ladeleistung wie bei HPC-Ladern in der Strecke. Und theoretisch könnte die Technologie, wenn sie denn skaliert wird, viele der im Moment aus dem Boden schießenden, optisch und räumlich nicht zwingend vorteilhaften HPC-Ladeparks erübrigen, wie die Projektverantwortlichen werben.

Das Laden beim Fahren wäre natürlich auch viel zeitsparender bequemer als das ganze Gekabel und Geparke, meint Romeo weiter. Ganz zu schweigen von baulich aufwendigen und optisch schwierigen Oberleitungen an Autobahnen, wie sie ebenfalls aktuell erprobt werden. Die Anwendungsfälle sind vielfältig, übrigens natürlich aus statisch: Elektrobusflotten, Taxi-Dienste, Logistik-Areale, Lkw-Hub-to-Hub-Verkehre, Parkplätze, an Beispielen, wo sich die Technologie gewinnbringend einsetzen ließe, ohne krasse Eingriffe an der Umgebung vorzunehmen, sind nahezu endlos.

Die Kosten sollen sich mit anfangs 1,5 bis 2,5 Millionen für einen Kilometer Strecke mit einem bis vier Megawatt Leistung im Rahmen von DC-Ladeinfrastruktur bewegen, die man auf 100.000 Euro für eine 150-kW-Station taxiert. 300 Meter Strecke ließen sich in acht Stunden verstromen, skizziert Romeo, in einer Nacht könne man mit mehreren Teams einen Kilometer energetisch aufladen. Und natürlich könnten sich diese Kosten mit der Skalierung der Technologie drastisch senken lassen, wie der Energiespezialist weiter erklärt. Die ist im übrigen ebenso energieeffizient wie eine DC-Ladeinfrastruktur: Auf bis zu 88 Prozent Wirkungsgrad kommt das System, das aus dem Netz ziemlich direkt ins Fahrzeug einspeist. Im Worst Case sind es immerhin auch noch 72 Prozent, die im Autoakku ankommen, im Schnitt 82 Prozent.

Wenn das Package mit Metallplatte, Receiver und Inverter, das jetzt noch etwas unschön aus dem Fiat-Boden steht, in einen Kleinwagen integrieren lässt, sollte das bei größeren Fahrzeugen auch kein Problem sein. Die erwarteten 50 Kilo Mehrgewicht könnten durch das mögliche Mindergewicht der Akkus, das Romeo auf Minus 15 bis 25 kWh taxiert, mehr als getilgt werden. Die Technik ist zwar noch weiter optimierbar, aber schon jetzt marktreif und skalierbar, wirbt der Ingenieur. Was aus seiner Sicht noch fehlt, ist die Bereitschaft, in eine weitere Infrastruktur zu investieren. Dabei könne man wie bei Ladeparks ebenso an Bezahlmodelle nach Kilowattstunden denken, weil sich die Energiemenge tatsächlich jedem Fahrzeug zuordnen ließe.

Unterdessen laufen weitere Pilotprojekte, etwa in Schweden, Norwegen, Finland und Frankreich, hier ebenfalls ein Electreon-Projekt auf der A10. Darüber hinaus experimentiert man auch in den USA mit induktiven Straßen. Und auch in Deutschland stehen bereits vier Straßen unter Strom, unter anderem eine Busspur in Balingen. Eine verlockende Perspektive für viele Anwendungen, die Strada del Stromo.