Batterie vs. Brennstoffzelle: Daimler setzt auf Doppelstrategie

Hersteller reagiert auf die ISI-Studie, die den Batterieantrieb auch im Lkw favorisiert. Die Schwaben wollen per Doppelstrategie alle Einsätze abdecken. Und verweisen, bereits batterie-elektrische Lkw anzubieten.

Hält doppelt besser? Daimler Truck setzt auf batterie- und brennstoffzellenelektrische Antriebe und will mit beiden Technologien ein breiteres Spektrum aus Anwendungen abdecken. | Foto: Daimler Truck
Hält doppelt besser? Daimler Truck setzt auf batterie- und brennstoffzellenelektrische Antriebe und will mit beiden Technologien ein breiteres Spektrum aus Anwendungen abdecken. | Foto: Daimler Truck
Redaktion (allg.)
(erschienen bei LOGISTRA von Johannes Reichel)

Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck hat auf die Diskussionen auf eine Studie des Fraunhofer ISI reagiert, das den batterieelektrischen Antrieb auch im Lkw favorisiert. Die VW-Tochter Traton Group, die generell auf batterieelektrische Antriebe setzt, hatte sich durch die Analyse bestätigt gesehen in der Fokussierung. Die Schwaben halten wie zu erwarten dagegen - und an ihrer Doppelstrategie fest. Man habe die strategischen Weichen eindeutig gestellt und verfolge eine Doppelstrategie bei der Elektrifizierung des Portfolios: mit Batterie und wasserstoffbasierten Antrieben. Der Hersteller argumentiert mit den vielen unterschiedlichen Anwendungsfällen von Lkw. Für flexible und anspruchsvolle Einsätze vor allem im wichtigen Segment des schweren Fernverkehrs könnten wasserstoffbasierte Antriebe die bessere Lösung sein, glaubt man in Stuttgart.

"Auch für elektrifizierte Lkw gilt dabei: Transportunternehmen treffen bei der Wahl ihrer Fahrzeuge rationale Kaufentscheidungen auf Basis der Gesamtbetriebskosten und sie wollen zudem bei Alltagstauglichkeit, Tonnage und Reichweite keine Kompromisse eingehen", meinen die Daimler-Experten. 

Aus Sicht von Andreas Gorbach, Mitglied des Vorstands der Daimler Truck AG, Leiter Truck Technology werde es immer wieder Diskussionen geben, die sich nur mit einzelnen Teilaspekten unterschiedlicher alternativer Antriebsformen befassen wie beispielsweise der Energieeffizienz, befassten. Diese sei in der Tat beim batterie-elektrischen gegenüber dem wasserstoffbasierten Antrieb höher. Jedoch werde dabei der Blick auf das "große Ganze" vergessen, argumentiert Gorbach weiter.

Maßgeblich für eine erfolgreiche Umstellung auf Zero-Emission-Technologien ist neben der Effizienz vor allem auch die Verfügbarkeit einer entsprechenden Infrastruktur sowie die Verfügbarkeit von ausreichend grüner Energie. Wir sind der Überzeugung, dass eine zügige und kostenoptimierte Abdeckung dieses Energiebedarfs nur mit beiden Technologien möglich ist. (Gorbach)

Kaum ein Land werde sich in Zukunft allein mit grüner Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen selbst versorgen können. Folglich werde es einen globalen Handel mit einem CO2-neutralen Energieträger geben müssen. Grüner Wasserstoff werde dabei aus Gorbachs Sicht eine zentrale Rolle spielen.

"Wir gehen davon aus, dass dieser perspektivisch zu sehr attraktiven Preisen gehandelt wird. Zudem sehen wir Vorteile bei Kosten und technischer Machbarkeit der Wasserstoff-Infrastruktur sowie für Kunden größere Reichweiten, Flexibilität und kürzere Tankzeiten. So können Wasserstoff-Lkw vor allem im harten Fernverkehrseinsatz eine sinnvolle Option für unsere Kunden sein, insbesondere in Bezug auf die Gesamtbetriebskosten – selbst wenn die Energieeffizienz geringer ist. (Gorbach)

Bei der Frage nach der besten Transportlösung sei also die Energieeffizienz ein wichtiges, aber lang nicht hinreichendes Kriterium zu berücksichtigen. Der Konzern plant, bis zum Jahr 2039 in den globalen Kernmärkten nur noch Neufahrzeuge anzubieten, die im Fahrbetrieb CO2-neutral sind.

Argument: Weltweite Bekenntnisse von Regierungen zu H2

Mehr als 40 Regierungen weltweit hätten umfangreiche Wasserstoffaktionspläne auf den Weg gebracht, auf der Grundlage der Einsicht, dass Wasserstoff eine stabile, vollständig erneuerbare Stromversorgung als langfristig speicherbarer Energieträger ermöglicht. Zudem gibt es zahlreiche Einsatzbereiche, die nur mit Wasserstoff dekarbonisiert werden können, legt der Hersteller weiter dar und sieht darin ein "klares Signal für ein wasserstoffbasiertes Energiesystem der Zukunft".

"Experten erwarten, dass noch in dieser Dekade hunderte Milliarden Euro in die Wasserstofferzeugung, den Transport und die Infrastruktur investiert werden", skizziert der Hersteller.

Kooperationen für umfassendes H 2-Engagement schon im Gang

Mit Linde entwickelt Daimler Truck seit einiger Zeit die nächste Generation von Flüssigwasserstoff-Betankungstechnologie für Brennstoffzellen-Lkw. Im Bereich der Infrastruktur für Wasserstofftankstellen entlang wichtiger Transportachsen in Europa plant man mit den Unternehmen Shell, BP und TotalEnergies zusammenzuarbeiten. Zudem wollen Daimler Truck, IVECO, Linde, OMV, Shell, TotalEnergies und die Volvo Group im Rahmen ihrer Interessensgemeinschaft H2Accelerate (H2A) gemeinsam Wasserstoff-Lkw europaweit zum Durchbruch verhelfen.

Brennstoffzellen-Joint-Venture cellcentric mit Volvo Group

Gemeinsam mit der Volvo Group setzen die Schwaben auf eine Kooperation zur Entwicklung einer wasserstoffbasierten Brennstoffzelle. Beide Unternehmen haben 2021 das Joint Venture cellcentric gegründet. Ziel ist es, einer der weltweit führenden Hersteller von Brennstoffzellensystemen zu werden. Dafür plant das Unternehmen ab 2025 eine der größten Serienproduktionen in Europa aufzubauen.

Daimler Truck setzt auf Doppelstrategie

Bereits seit 2018 bzw. 2021 rollen die batterieelektrischen Fahrzeuge Mercedes-Benz eCitaro und Mercedes-Benz eActros in Serienproduktion vom Band, verweist der Anbieter weiter. Der eEconic, der Fuso eCanter und der Freightliner eCascadia sollen noch in diesem Jahr folgen, weitere Fahrzeuge seien in der Pipeline. Auf der Wasserstoffseite ist der Brennstoffzellen-Prototyp Mercedes-Benz GenH2 Truck seit letztem Jahr intensiv im Testbetrieb – sowohl auf der hauseigenen Teststrecke als auch auf öffentlichen Straßen, skizziert man. Entwicklungsziel sei eine Reichweite von bis zu 1.000 km und mehr für das Serienfahrzeug, dessen Produktionsstart für das Jahr 2027 geplant ist.