Fahrermangel: Spitzenverbände setzen sich für rasche Ausbildungsreform ein

In einen Brief an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr (BMDV), Oliver Luksic, machen sich die Branchenvereinigungen für eine Vereinfachung der Berufskraftfahrerausbildung stark und haben dazu ein gemeinsames Positionspapier erarbeitet.

„Mit Augen zu und durch“ ist der Fahrpersonalmangel nicht zu lösen – um die Politik ins Boot zu holen und um notwendige Maßnahmen schnell auf den Weg zu bringen, haben die Spitzenverbände ein Positionspapier erarbeitet und einen kurzfristigen Runden Tisch beim BMDV vorgeschlagen. (Foto: DB/Oliver Lang)
„Mit Augen zu und durch“ ist der Fahrpersonalmangel nicht zu lösen – um die Politik ins Boot zu holen und um notwendige Maßnahmen schnell auf den Weg zu bringen, haben die Spitzenverbände ein Positionspapier erarbeitet und einen kurzfristigen Runden Tisch beim BMDV vorgeschlagen. (Foto: DB/Oliver Lang)
Martina Weyh

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) e.V., der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V., der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) e.V. und der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) e.V. werben für eine grundlegende Reform der Berufskraftfahrer-Ausbildung. Die Branchenverbände haben dazu ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht und sich in einem Brief an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr (BMDV), Oliver Luksic, gewandt.

Düstere Prognosen

Die Zahlen sind erschreckend – in der Bus- und Güterkraftverkehrsbranche besteht ein gravierender Mangel an Fahrpersonal. Allein in der Busbranche fehlen laut aktueller bdo-Umfrage vom Januar bereits heute 7.768 Busfahrerinnen und -fahrer. Die altersbedingten Personalabgänge und die geplante Verkehrswende verschärfen das Problem noch – der Bedarf wird bis 2030 auf 87.000 unbesetzte Stellen steigen, so die düstere Prognose des Branchenverbandes. Dabei seien die Schienenersatzverkehre für die geplanten, umfangreichen Bahnsanierungsmaßnahmen noch gar nicht berücksichtigt.

Dasselbe düstere Bild setzt sich beim Güterkraftverkehr fort – derzeit fehlten dort nach Angaben der Branchenverbände etwa 70.000 Lkw-Fahrerinnen und -fahrer. Da von diesen pro Jahr ca. 30.000 altersbedingt ausscheiden, jedoch nur ca. 15.000 den Beruf neu ergreifen, verschärfe sich allein durch diese Differenz der Fahrermangel jährlich um etwa 15.000 fehlende Stellen.

„Ohne zügige Reformen wird sich der Berufskraftfahrermangel in der Güterkraftverkehrs- und Busbranche gravierend verschärfen und noch deutlichere Auswirkungen auf Wirtschaft, Versorgung und Personenverkehr entfalten.“

Es muss dringend und vor allem schnell gehandelt werden

Die Allianz der Branchenspitzenverbände sichert dem BMDV „ihre vollumfängliche Unterstützung bei der zügigen Umsetzung umfassender und unverzichtbarer Reformen“ zu. Für einen konstruktiven und lösungsorientierten Austausch haben sie dazu kurzfristig einen Runden Tisch vorgeschlagen, „um den Interessen der einzelnen Branchen ausgewogen gerecht zu werden“.

Für die Umsetzung dieser konkreten Maßnahmen werben die Spitzenverbände gemeinsam:

  • Integration der Berufskraftfahrerqualifikation in die Fahrausbildung („2 in 1") unter Beibehaltung der Ausbildungsqualität
  • Abbau der Sprachbarrieren bei der Berufskraftfahrerqualifikation
  • Führerscheinerwerb in zusätzlichen Fremdsprachen
  • Öffnung des Prüfmonopols zur Bekämpfung des Mangels an Prüfterminen
  • Unbürokratische Anerkennung ausländischer Führerscheine
  • Aufhebung des Wohnortprinzips für den Führerschein und die Berufskraftfahrerqualifikation
  • Digitalisierung von Aus- und Weiterbildung (E-Learning) sowie der Verwaltung
  • Anpassung der Mindestalter-Regelung für Lkw- und Busfahrer:innen
  • Reduktion der Führerscheinpflichtstunden für den Busführerschein der Klasse D
  • Stimmen aus den einzelnen Verbänden

Stimmen aus den Verbänden

Christiane Leonard, bdo-Hauptgeschäftsführerin: „Eine Hauptursache des enormen Fahrpersonalmangels und der unzureichenden Gewinnung neuer Busfahrer:innen ist die komplizierte Umsetzung der europäischen Berufskraftfahrer-Richtlinie, die in Deutschland noch getrennt von der Fahrausbildung unterrichtet und geprüft werden muss. Durch eine Integration der Berufskraftfahrerqualifikation in die Fahrausbildung als „2-in-1"- Modell wäre die Ausbildung weniger zeitaufwändig und deutlich günstiger, aber die Qualität bliebe erhalten. Zudem müssen jetzt zügig die Bürokratiehürden und Sprachbarrieren abgebaut werden. Sonst kann die Mobilität in Deutschland nicht in der bewährten Form aufrechterhalten werden. Verkehrswende und Deutschlandticket werden zur Utopie.“

Prof. Dr. Dirk Engelhardt, BGL-Vorstandssprecher: „Wenn die Vielzahl bürokratischer Hürden für den Berufszugang von Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrern nicht endlich abgebaut werden, steuern wir unausweichlich auf einen Versorgungskollaps zu. Es braucht grundlegende und einschneidende Reformen, damit eine echte Fachkräftewende gelingen kann. Ein Beharren auf Besitzstände können wir uns nicht länger leisten.“

Frank Huster, DSLV-Hauptgeschäftsführer: „Fach- und Arbeitskräfteengpässe bestehen auf vielen Funktionsebenen in der Logistik – die demographische Entwicklung verstärkt diesen Negativtrend. Besorgniserregend ist vor allem der Mangel qualifizierter Berufskraftfahrer, der bereits zu Produktionseinbußen führt. Seit Jahren bemüht sich die Speditions- und Logistikbranche aktiv darum, beruflichen Nachwuchs aus dem In- und Ausland zu gewinnen und die Attraktivität des Berufsbildes des Berufskraftfahrers zu erhöhen. Doch das allein reicht längst nicht mehr aus, um dem Fahrpersonalengpass entgegenzuwirken. Hierzu bedarf es auch grundlegender Veränderungen des BKF-Qualifikations- und Fahrerlaubnisrechts, ohne das allgemeine Qualifikationsniveau abzusenken. Vor allem müssen bürokratische Hürden bei den Berufszugangsvoraussetzungen sowie Sprachbarrieren abgebaut werden.“

Jens Loschwitz, BDE-Geschäftsführer: „Der gravierende Berufskraftfahrermangel gefährdet letztlich die Transformation des Industriestandorts, dessen Erfolg nicht zuletzt auf einer funktionierenden Logistik beruht. Die Ursachen für den Fachkräftemangel sind vielfältig. Der nationale und EU-Rechtsrahmen muss die Chancen Europas - wie zum Beispiel auch dessen Sprachvielfalt - nutzen. Es ist unerklärlich, warum es bislang nicht möglich ist, theoretische und praktische Führerscheinprüfungen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu absolvieren. Die EU-weit einheitlichen Ausbildungsstandards stellen eine qualitativ hochwertige Fahrausbildung sicher. Das bisherige Wohnortprinzip muss daher auf europäischer und nationaler Ebene in ein „Unionsprinzip" umgewandelt werden. Dafür spricht nicht zuletzt, dass viele Berufskraftfahrer EU-weit im Einsatz sind und nur wenige Sprachen der von ihnen durchquerten Länder sprechen. Niemand käme auf die Idee, darin eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu sehen.“

Das gemeinsame Positionspapier der Verbände bdo, BGL, DSLV und BDE zur „Reform der Berufskraftfahrer-Ausbildung“ finden Sie hier » oder zum Download unter dieser Meldung.