Sachverständigenrat: Grüner Wasserstoff kein Wundermittel

Klasse statt Masse: Speziell vom Einsatz in Fahrzeugen raten die Experten ab und sehen doch einen wichtigen Baustein für das Ziel Treibhausneutralität - in Bereichen, wo es keine Alternativen gibt.

Spielt im Pkw künftig wohl keine Rolle: Grüner Wasserstoff sollte laut SRU für Bereiche reserviert sein, in denen es keine effizientere Option gibt. Autos zählt man nicht dazu und empfiehlt batterieelektrische Antriebe. | Foto: Hyundai
Spielt im Pkw künftig wohl keine Rolle: Grüner Wasserstoff sollte laut SRU für Bereiche reserviert sein, in denen es keine effizientere Option gibt. Autos zählt man nicht dazu und empfiehlt batterieelektrische Antriebe. | Foto: Hyundai
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat zu großen Hoffnungen aus Teilen der Politik auf einen großflächigen Einsatz von grünem Wasserstoff einen Dämpfer erteilt. Der Energieträger könne zwar ein wichtiger Baustein bei der Erreichung des Ziels Klimaneutralität sein. Allerdings nur in Sektoren, in denen es "keine effizienteren Optionen für Klimaschutz gibt", wie das die Bundesregierung beratende Gremium bei der Übergabe des Berichts an Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte. Der Einsatz in Autos oder auch in Gebäudeheizungen zähle nicht dazu und sei ineffizient und deutlich teurer. Bei der Umwandlung von Wasserstoff geht rund ein Drittel der eingesetzten Energie verloren.

"Die politischen Anstrengungen sollten sich daher auf batterieelektrische Antriebe fokussieren und für diese langfristige Planungssicherheit schaffen", fordern die Wissenschaftler.

In seiner Stellungnahme mit dem Titel "Wasserstoff im Klimaschutz: Klasse statt Masse" empfiehlt der Umweltrat, alle Anstrengungen auf den Markthochlauf von grünem Wasserstoff aus Wind und Sonne zu konzentrieren. Zuletzt hatten vor allem die FDP und die Union in ihren Wahlprogrammen massiv für den breiten Einsatz von Wasserstoff auch im Kontext von sogenannten Synfuels oder P2X-Kraftstoffen geworben. Die Union nannte allerdings keine konkreten, aber dafür nötigen Zubauzahlen bei Wind- und Solarkraft. 

Zentrale Rolle, aber nicht in der Masse

Bundesumweltministerin Svenja Schulze differenziert hier deutlich stärker. Um bis 2045 treibhausgasneutral zu werden, müsse Deutschland deutlich mehr für den Klimaschutz tun, konstatierte sie. Grüner Wasserstoff werde dabei eine zentrale Rolle spielen, in Bereichen, wo erneuerbarer Strom nicht direkt eingesetzt werden könne. Aus heutiger Sicht sei das vor allem die Stahl- und Chemieindustrie, oder auch Teile des Verkehrs, wie die Luft- und Schifffahrt. Auch die SRU sieht hier die Stahlerzeugung zentral, die für sechs Prozent der deutschen Gesamtemissionen steht und zudem Luft-, Schwerlast- und Schienenverkehr.

"Auch der SRU betont, dass nur "grüner" Wasserstoff, also Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, wirklich nachhaltig und klimaverträglich ist. Und auch grüner Wasserstoff muss möglichst effizient eingesetzt werden. Das bedeutet auch: Wer Ja sagt zu grünem Wasserstoff, muss auch Ja sagen zu mehr Wind- und Solaranlagen."

Das forderten auch die SRU-Experten. Es sei unerlässlich, den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland massiv zu beschleunigen, wolle man den steigenden Bedarf an grünem Wasserstoff decken. Die Regierung geht davon aus, dass der benötigte Wasserstoff bis 2030 maximal zu 16 Prozent inländisch produziert werden kann und der bei weitem größere Teil importiert werden muss aus Ländern mit größeren Flächen für Wind- und Solaranlagen wie etwa Australien, Chile oder Marokko. Die Transportwege müssen allerdings erst noch geschaffen werden, auf Kurz- und Mitteldistanzen über Pipelines, teils technisch aufwändig über das bestehende Erdgasnetz. Komprimiert und gekühlt könnte Wasserstoff auch per Schiff nach Europa verbracht werden.

Zertifizierung nötig: Nicht Folgeprobleme verursachen

Laut SRU sei ein Zertifizierungssystem mit anspruchsvollen Nachhaltigkeitskriterien notwendig, damit die Herstellung von grünem Wasserstoff keine Umweltprobleme wie Flächen- oder Wasserknappheit verschärfe, etwa die Errichtung von Anlagen in Schutzgebieten oder trinkwasserknappen Arealen. Dies gelte insbesondere auch für Importe, mahnen die Wissenschaftler. Hier wollen sie sogar eine weitere Kategorie "dunkelgrüner Wasserstoff" hinzufügen: Damit sollen auch Umwelt- und Sozialstandards bei der Herstellung selbst eingehalten werden.

Nach Auffassung des SRU wäre es eine falsche Weichenstellung, in Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen zu investieren. Diese Art der Herstellung verursache signifikante Treibhausgasemissionen – selbst dann, wenn Wasserstoff aus Erdgas in Kombination mit einer CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS), sogenannter "blauer Wasserstoff", hergestellt werde, so die Experten. Bei der CO2-Speicherung bestünden zudem Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Bisher wird H2, zuvorderst für die chemische Industrie, zu 99 Prozent aus Erdgas gewonnen, als "grauer Wasserstoff", wobei auch Erdgas zu den fossilen Energieträgern zählt.

Hoffnungsträger H2: Regierung subventioniert Forschung massiv

Das Bundesumweltministerium (BMU) treibt den Hochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft durch wichtige Fördermaßnahmen bereits voran. Mit dem Förderprogramm "Dekarbonisierung der Industrie", dem Förderprogramm für Klimaschutzverträge nach dem Prinzip Carbon Contracts for Difference (CCfD) sowie einem Programm für strombasierte Kraftstoffe (vor allem PtL) für den Luft- und Seeverkehr werden nur innovative, zukunftsfähige Projekte gefördert, die mit dem Ziel der Treibhausgasneutralität 2045 kompatibel sind.

Die gesamte Bundesregierung will mit ihrer vor gut einem Jahr verabschiedeten "Nationalen Wasserstoffstrategie" neun Milliarden Euro in die Förderung der Technologie stecken und bis 2030 den "Markthochlauf" realisieren. Auch aus der industriellen Fertigung von für die H2-Produktion nötigen Elektrolyseuren erhofft man sich Export- und Arbeitsplatzpotenzial.