Meinungsbeitrag

Wasserstoff marsch im großen Transporter: IVOTY-Fahrbericht Stellantis Hydrogen

Nach dem Midsize-Van mit Brennstoffzelle launcht man eine FCEV-Variante bei den Großen. Und glaubt umso mehr an den Antrieb als Ergänzung zum BEV. Der hat mit bis 400 Kilometer Radius allerdings nachgelegt. Der H2 mit 500 Kilometer bietet nicht so viel mehr. Punkten soll er mit kurzer Tankzeit und Winterfestigkeit. Erste Eindrücke beim „Van of the Year“.

Wasserstoff-Runde bei Stellantis auf dem Opel-Prüfgelände in Dudenhofen: Die Jury zum "International Van of the Year" durfte schon probefahren, im "Large Van" mit Fuel Cell des Konzerns. (Foto: Stellantis)
Wasserstoff-Runde bei Stellantis auf dem Opel-Prüfgelände in Dudenhofen: Die Jury zum "International Van of the Year" durfte schon probefahren, im "Large Van" mit Fuel Cell des Konzerns. (Foto: Stellantis)
Franziska Neuner
(erschienen bei LOGISTRA von Johannes Reichel)

Die Transportersparte im Stellantis-Konzern hat nicht nur einen neuen und eigenständigen Namen, sondern auch einen neuen Antrieb: Die "Pro-One"-Abteilung setzt neben dem verbesserten Diesel (Minus 10 Prozent Verbrauch, Achtgang-Automatik) auch auf den stark verbesserten BEV (110 kWh-Akku, 420 km Radius) und nun auch im großen Segment auf die Brennstoffzellentechnologie (FCEV).

Hierbei verwendet man ein anderes System als beim bereits vor zwei Jahren gelaunchten Midsize-FCEV-Van, der in ersten Pilotprojekten wie bei Miele rollt, ansonsten aber eine ziemliche Rarität auf den Straßen ist.

Offiziell käuflich ist er aber, wie die Verantwortlichen betonen. Beim großen Van soll der aufwändige Antrieb allerdings so richtig in Fahrt kommen: Schließlich werden die großen Transporter häufiger auf Fernstrecken eingesetzt. Und da soll das Konzept mit größerer Reichweite, Tempo- und Temperaturfestigkeit sowie kurzer Tankzeit punkten. Sofern man denn eine H2-Tankstelle findet – und die hohen H2-Preise erst einmal ignoriert.

Zwischen 12 und 16 Euro pro Kilogramm mussten wir zuletzt berappen, bei einem Praxistest mit einem BMW X5 Hydrogen, eine sündteure H2-Tour durch die Republik, die zudem diverse Umwege erforderte, die die Fahrzeit deutlich verlängerten.

Grüner Wasserstoff? Alles lösbar, meint der Spezialist

Zudem handelte es sich natürlich noch längst nicht um den für einen Klimaschutzeffekt erforderlichen „grünen Wasserstoff“, sondern grauen Wasserstoff. Der wird aus Erdgas oder gar Kohle per sogenannter Dampfreformierung bei bis zu 1.000 Grad hergestellt, in einem aufwändigen und energieintensiven Verfahren.

Bei einer Tonne Wasserstoff entsteht so beispielsweise 10 Tonnen CO2, das bisher ungenutzt in die Atmosphäre entweicht. Auch die etwaige Speicherung und Abscheidung (blauer Wasserstoff) ist noch mit einem großen Fragezeichen zu versehen.

Grüner Wasserstoff per Elektrolyse von Wasser mit regenerativem Strom ist bisher eine Seltenheit – und ebenfalls sehr energieintensiv in der Herstellung. Zu lösen sein soll das in mittlerer Zukunft über Energiepartnerschaften mit außereuropäischen Ländern, im Rahmen derer sich der dann im Ideal grün produzierte Wasserstoff in die EU transportieren lässt.

Das Thema H2 reiche weit über die Mobilität hinaus, so die Überzeugung von Stellantis „Wasserstoffpapst“ Lars Peter Thiesen, der das Projekt seit GM-Zeiten verfolgt. Wichtig sei es, jetzt und heute anzufangen, betont der H2-Spezialist. Denn irgendwann einmal soll H2 auch helfen, den Diesel endgültig zu ersetzen.
 

Vor allem die Franzosen forcieren Wasserstoff

Dennoch: Leise Skepsis ist angebracht, ob der FCEV als Konzept wirklich landet, ausgerechnet in der automobilen Anwendung. Die Verkaufszahlen der bisher verfügbaren FCEV-Modelle von Pionier Toyota oder Follower Hyundai sind äußerst überschaubar. Bei Stellantis – wie auch bei den französischen Landsleuten von Renault – ist man aber fest überzeugt, dass die Wasserstoffbrennstoffzelle ihre komplementäre Berechtigung hat.

Und setzt auf die staatliche Unterstützung, die in Frankreich besonders ausgeprägt ist. Aber auch „transeuropäische Tanknetze“ (Ten-T Corridors alle 200 km) für den flüchtigen Energieträger sollen der Technologie zum Durchbruch verhelfen.

Formal soll der FCEV-Van bis zu 500 Kilometer Reichweite bieten, nicht so viel mehr wie der BEV. Immerhin: Bei der Tankzeit liegt der FCEV mit fünf Minuten bei 700 bar klar in Front gegenüber der DC-Ladezeit von 55 Minuten von 15 auf 80 Prozent beim BEV.

Zudem verspricht man keine Einbußen bei der Nutzlast zum BEV, wobei der sich mit seinem 110-kW-Speicher im Test nicht nur als energiehungrig, sondern auch als nutzlastschwach erwies: Konfiguriert als 3,5-Tonner bleiben eher weniger als 700 Kilo im voluminösen Laderaum. Dazu kommt eine respektable Anhängelast von 2,2 Tonnen, bis auf das Gesamtzuggewicht von 6,5 Tonnen.

Vorteil Wasserstoff, wenn alle gleichzeitig laden: Schnelle Tankzeit

Apropos Laden: Als weiteres essentielles Argument für den FCEV führt man die Unabhängigkeit vom Stromnetz an. Wobei das aktuell ersetzt wird durch die Abhängigkeit vom sehr löchrigen H2-Tanknetz … Offiziell sollen es 150 Stationen in der EU sein, vor allem in Deutschland, Frankreich, Niederlande und Schweiz. Bis 2030 soll die Zahl auf 500 Stationen steigen, hier verlässt man sich auf die Zusage der EU-Politik.

Die Stellantis-Verantwortlichen betonen aber, dass es künftig nicht möglich sein werde, hunderte und tausende von E-Vans gleichzeitig zu laden. Daher brauche es eine „komplementäre“ Technologie wie den FCEV, speziell für „intensive Anwendungsszenarien“, wie Taxi-Services, bei denen kurze Tankzeit entscheidend sei, argumentiert Fuel-Cell-Mann Thiesen.

Unter „intensiv“ fällt dann auch die Nutzung im Winter oder in kalten Regionen, wo der FCEV freilich den Vorteil der Temperaturfestigkeit ausspielt.

Fertigung in zwei Werken

Wie auch immer: Sowohl mittelgroße wie auch große Fuel-Cell-Vans sollen den Werken in Hordain (Frankreich) und Gliwice (Polen) vom Band rollen. Bis zu 5.000 Exemplare sind in den beiden Baureihen geplant, auf der gleichen Linie wie die Verbrenner und BEV. Zudem will man in den USA einen RAM Pick-up mit Brennstoffzellenantrieb einführen.

Ziel ist es, durch die Skalierung die Kosten zu halbieren und bis 2030 mit dann angepeilten 100.000 FCEV-Vans der Marken Peugeot, Citroen, Opel, Fiat und RAM auf Kostenparität mit dem BEV zu kommen. Dazu sollen auch weitere Versionen wie eine Mini-Bus-Variante beitragen, die zeitnah das Portfolio ergänzt.

Fährt sich wie ein BEV - und Welten besser als der Diesel

Technisch machbar ist das jedenfalls, wie erste Eindrücke mit den FCEV-Vans auf der Opel-Teststrecke in Dudenhofen ergaben. In diesem Falle wählte man ein „Midsize“-Konzept aus einer 45-kW-Brennstoffzelle zwischen Reichweitenverlängerer, kombiniert mit einer 11-kWh-Batterie und einem 7-Kilogramm-H2-Tank mit vier Flaschen (vom Partner Plastic Omnium), der unterflur verlegt wird. Das hat vor allem den Vorteil, dass der Laderaum voll erhalten bleibt.

Die PEM-Brennstoffzelle vom Partner Symbio logiert hier unter den Sitzen, davor im Motorraum der Elektromotor mit 110 kW Leistung (410 Nm). Der kleine Akku lässt sich auch per Plug-in aufladen, in 90 Minuten an einer 11 kW-Wallbox. Der FCEV fährt sich abgesehen vom Anfahrgeräusch, das an eine elektrische Märklin-Eisenbahn erinnert, im Grunde wie der BEV.

Komplexes Zusammenspiel der Antriebe

Letztlich ist er ja auch ein Elektrofahrzeug mit anderen, aufwändigeren Mitteln: Denn E-Maschine und Brennstoffzelle arbeiten hier „Hand in Hand“, die Fuel Cell liefert kontinuierlich ihre Leistung ab – und der Akku die Spontanleistung für Beschleunigung oder beim Kaltstart, den die Stacks auch nicht so mögen.

Im direkten Vergleich zum Diesel, der nochmal gründlich überarbeitet und effizienter gemacht sowie um eine für sich sehr flüssig agierende Achtgang-Automatik ergänzt wurde, fühlt sich das Fahren an wie vom anderen Stern: Leise, flüssig, flott und mit der dreistufigen Rekuperation fast „einpedalig“. Nur zum Stillstand muss man rechtzeitig den Fuß auf die Bremse bringen. Eine hübsche Grafik im Infotainment verdeutlicht das komplexe Zusammenspiel unter dem Blech.

Wermutstropfen: Der 4,2-Tonner ist auf 90 km/h limitiert

Zwei Versionen sind vom Kastenwagen verfügbar: L2H2 sowie L3H3, mit 13 und 17 Kubikmeter Volumen. Die Nutzlast des 4,25-Tonners soll bei 1,370 Kilo liegen. Womit aber nach der N2-Homologation (bisher) auch das Höchsttempo auf 90 km/h limitiert ist und sich etwaige Langstreckentauglichkeit schon wieder deutlich reduziert.

Mit dem Setup sieht man sich in jedem Fall im Vorteil gegenüber dem französischen Wettbewerber, der auf ein „Range Extender“-Konzept mit 30-kW-Fuel-Cell und das alte E-Package des Master Z.E. setzt, mit relativ flügellahmem 57-kW-Synchronmotor (225 Nm) und 33 kWh-Akku, was mit den vier Kilo Wasserstoff in den Tanks für 320 Kilometer Radius reichen soll, ebenfalls auf 90 km/h limitiert. Die Nutzlast liegt hier zwischen 990 und 1.390 Kilogramm, die Volumina zwischen 10,4 und 14,4 Kubikmeter.

Tavares wird sich was dabei gedacht haben: Systemkosten drücken

Vor allem aber kostenseitig will man hier ganz nach der obersten Maxime des Handelns von Firmenboss Carlos Tavares ein Angebot machen. Auch ein FCEV-Retrofit-Kit ist angedacht, mit dem man Diesel "neutralisieren" könnte.

Von 2022 auf 2024 sanken die Kosten der FCEV-Technologie im Midsize-Van um 40 Prozent. Mit 75.000 Euro ist er immer noch sündteuer im Vergleich zum nach dem Facelift deutlich günstiger und reichweitenstärker gewordenen BEV-Van mit 39.500 respektive 44.500 (75 kWh) Euro netto. Aber das muss ja noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.