Zermatt: Vision der Alpenüberquerung nimmt Gestalt an

Die Eröffnung des Matterhorn glacier ride II soll zur Wintersaison 2021/22 erfolgen.

Die Verbindung von Cervinia in Italien und Zermatt in der Schweiz per Seilbahn soll in anderthalb Jahren Realität werden. (Foto/Visualisierung: Zermatt Bergbahnen AG)
Die Verbindung von Cervinia in Italien und Zermatt in der Schweiz per Seilbahn soll in anderthalb Jahren Realität werden. (Foto/Visualisierung: Zermatt Bergbahnen AG)
Claus Bünnagel

Die Überquerung des Alpenmassivs war bereits für Eroberer wie Hannibal oder Napoleon ein zukunftsweisendes Unterfangen. Der Luftfahrtpionier Geo Chavez trat mit dem ersten Flug über die Alpen in deren Fußstapfen. Dieser Pioniergeist hat in Zermatt bis heute Fortbestand. Die Zermatt Bergbahnen AG hat nun mit dem Projekt Alpine X (Alpine Crossing) den Grundstein für die höchste Alpenüberquerung per Seilbahn zwischen Zermatt (CH) und Cervinia (IT) gelegt. 

Bahnprojekte seit 1939

Im Jahr 1939, mit der Eröffnung der Pendelbahn Plan Maison–Plateau Rosa, wurde die erste Verbindung zwischen Breuil-Cervinia und Zermatt geschaffen. Von da an konnten die Wintersportler von Italien herkommend, ihre Schwünge auf Zermatter Boden ziehen. In den folgenden Jahrzehnten wurden auch auf Zermatter Seite mehrere Seilbahnprojekte realisiert, so dass bis im Jahr 1979 die Verbindung von Zermatt zum Klein Matterhorn Tatsache wurde. Mit der Eröffnung des Matterhorn glacier ride I wurde vor zwei Jahren der nächste Meilenstein erreicht. Mit dem Baubeginn des Matterhorn glacier ride II, einer baugleichen 3S-Bahn zwischen Testa Grigia und dem Klein Matterhorn, wird die letzte verbleibende Lücke zwischen Zermatt und Breuil-Cervinia während den nächsten zwei Bausommern auch noch geschlossen. So wird mit der Eröffnung des Matterhorn glacier ride II zur Wintersaison 2021/22 die höchste Überquerung der Alpen per Seilbahn Realität.

Lockdown und die Zeit „danach“

Der Lockdown, der in der gesamten Tourismusbranche für Unsicherheit sorgt, hat auch vor der Zermatt Bergbahnen AG nicht haltgemacht. Statt in Stockstarre zu verfallen, konzentriert sich die Zermatt Bergbahnen AG auf die Zeit „danach“. Trotz der erschwerten Ausgangslage, aber aufgrund der soliden finanziellen Situation wird die ZBAG die geplanten Großinvestitionen tätigen und setzt die Realisation des Matterhorn glacier ride II, der mit 35 Mio. CHF veranschlagt wird, fort. Dank der schnellen Umsetzung der Sicherheitsmassnahmen auf den Baustellen, wurden die Arbeiten wenn auch nicht in vollem Umfang im Frühling wiederaufgenommen.

Der Matterhorn glacier ride II und damit das Alpine X, die ganzjährige Verbindung zwischen Zermatt und Italien, bieten der ZBAG, der Destination Zermatt-Matterhorn und dem Valle d’Aosta viele Chancen und werden das Winter- und insbesondere das Sommergeschäft beflügeln. Zermatt steht seit vielen Jahren für Pioniergeist, Unternehmertum, Glaube an den Tourismus und die Zukunft, aber auch für Respekt und Demut vor der Natur. Matterhorn glacier ride I und II sowie das anzupassende Infrastruktur- und Betriebsangebot auf dem Klein Matterhorn werden ein weiteres Kapitel der Zermatter Erfolgsgeschichte schreiben. (ZBAG-Verwaltungspräsident Franz Julen)

Maßgefertigte Technik 

Die Installation einer 3S-Bahn bei stark eingeschränkten Platzverhältnissen und auf einer Höhe von über 3.800 m verlangt nicht nur von den Bauarbeitern höchste Präzision. Auch die Seilbahningenieure von Leitner ropeways haben große Herausforderungen zu bewältigen. So verlangt der Bau des Matterhorn glacier ride II eine maßgefertigte und den schwierigen Bedingungen angepasste Lösung. Dank der erhöhten Windstabilität des 3S-Systems ist es möglich, dass das rund 1,7 km lange Spannfeld zwischen den beiden Stationen ganz ohne Stütze auskommt.

Antrieb ohne Getriebe

Weitere technische Innovationen werden in der Bergstation zu finden sein. Für den Abtrieb sorgen zwei leistungsstarke DirectDrive-Synchromotoren, die unabhängig voneinander eingesetzt werden. Der DirectDrive funktioniert ganz ohne Getriebe und ist direkt mit der Seilscheibe verbunden. Wartung, Verschleiß und Energiebedarf können somit auf ein Minimum reduziert werden. Das redundante System garantiert auch dank zusätzlicher Not- und Bergeantriebe, dass die Fahrgäste im Notfall immer zurück zu den Stationen geführt werden können. Die Anlage verfügt über vier getrennte Antriebsarten, die allesamt unabhängig voneinander über das Stromnetz oder die Notstromversorgung angetrieben werden können.

Energiebedarf gesenkt

Auf Grund der eingeschränkten Platzverhältnisse am Berg wird eine verkürzte Antriebsstation eingesetzt. Die Station erlaubt eine Ein- bzw. Ausfahrt der Kabinen mit einer Seilgeschwindigkeit von 5 m/s. So kann die Kabine abgebremst bzw. beschleunigt werden, bevor sie die Station erreicht. Mit der verkürzten Antriebsstation kann in der Bergstation der Energiebedarf gesenkt werden. 

Das dritte Novum in der Bergstation wird sein, dass die Kabinen über ein Schienensystem zwischen den beiden Sektionen ausgetauscht werden können. So werden die Kabinen von der Sektion MGR II auf die Sektion MGR I gehängt, nach Trockener Steg in die große Stationshalle gefahren und dort Revisionsarbeiten unterzogen. Dank der Möglichkeit, alle Kabinen beider Sektionen auf Trockener Steg zu unterhalten und die zehn Kabinen des Matterhorn glacier ride II im Umlauf der beiden Stationen zu garagieren, wird bei den Stationsgebäuden viel Platz gespart.

Beheizbare Ledersitze 

Auch in Sachen Design und Veredelung lässt Leitner ropeways kein Wunsch der Zermatt Bergbahnen AG offen. So kommen die Fahrgäste in den Genuss, die von Pininfarina designten Kabinen zu betreten, auf beheizbaren Ledersitzen Platz zu nehmen und durch die Panoramafenster die umliegende Bergwelt zu bewundern. Wer Luxus und Abenteuer sucht, kann auch zwischen Testa Grigia und dem Klein Matterhorn die Crystal ride Kabinen buchen. Dank glitzernder Swarovski Kristalle und dem Glasboden, der die Sicht auf den Gletscher freigibt, wird die Fahrt zu einem Erlebnis. 

Projektvideo

Damit man sich bereits jetzt ein Bild über die Vision Alpine X machen kann, hat Leitner ropeways gemeinsam mit der Zermatt Bergbahnen AG ein Projektvideo erstellt. Für den Projektfilm wurden fotogrammetrische Vermessungen vom Klein Matterhorn und Testa Grigia mit einer Drohne durchgeführt. Aus Drohnenaufnahmen, 360°-Videoaufzeichnung der Streckenführung und 3D-Animationen wurde so ein eindrückliches Video zusammengestellt. Das Resultat kann unter https://www.matterhornparadise.ch/de/Unternehmen/Investitionen-und-Projekte/Alpine-Crossing angesehen werden.