Schiffe, Theater, Festivals: Barrierefreie Kulturangebote im Sommer

Seglertreffen in Rostock, Domfestspiele in Magdeburg und Erfurt, Sommertheater in Neuruppin: Vier Städte zeigen vorbildlich, wie barrierefrei Kultur sein kann.

Die barrierefreie Hanse Sail ist das größte Traditionsseglertreffen der Welt. (Foto: Archiv Büro Hanse Sail/Lutz Zimmermann)
Die barrierefreie Hanse Sail ist das größte Traditionsseglertreffen der Welt. (Foto: Archiv Büro Hanse Sail/Lutz Zimmermann)
Martina Weyh

Bis dato haben sich seit 2008 zehn deutsche Urlaubsregionen und Städte zur Arbeitsgemeinschaft (AG) Barrierefreie Urlaubsziele in Deutschland zusammengeschlossen, die seit 2018 unter dem Namen „Leichter Reisen“ firmiert. Gemeinsam entwickeln die Mitglieder Reiseangebote für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Hör- und Sehbehinderungen, Gehörlose und Blinde sowie für Familien und Senioren.

Die Mitgliedsstädte der AG Rostock, Magdeburg, Erfurt und Neuruppin machen in beispielhafter Weise vor, wie Menschen mit Handicap bei Kulturveranstaltungen ein- statt ausgeschlossen werden. Neben Selbstverständlichem, wie rollstuhlgerecht gestalteten Wegen zu den jeweiligen Spielstätten, haben die Veranstalter auch an Induktionsschleifen, Tastmodelle oder Erklärungen in Gebärdensprache gedacht – vier Tipps für barrierefreie Kulturerlebnisse im Sommer 2022.

Rostock: Warnemünder Woche und Hanse Sail

Mit zwei maritimen Großveranstaltungen feiert Rostock, die Hanse- und Universitätsstadt an der Ostsee, traditionell den Sommer – und das Meer. Die Warnemünder Woche vom 2. bis 10. Juli ist eine der größten Regatten in Deutschland. Etwa 2.000 Segler aus 30 Nationen messen sich alljährlich im zur Stadt gehörenden Ostseebad Warnemünde.

Rollifahrer können die Wettkämpfe vom barrierefreien Strand aus beobachten. Dafür vermietet Strandoase Treichel auf Voranmeldung zugängliche Strandkörbe. An Land bieten Künstler, Musiker und Händler mit Konzerten, Trachtentreffen und Märkten ein vielfältiges Rahmenprogramm. Höhepunkt ist der Traditionsumzug „Niege Ümgang“, bei dem Teilnehmende in Trachten und geschmückten Wagen durch die Stadt ziehen.

Um klassische Schiffsbaukunst geht es auf der Hanse Sail vom 11. bis 14. August ebenfalls in Rostock. Es ist mit jährlich bis zu 200, teilweise über 100 Jahre alten Booten eines der weltweit größten Treffen von Traditionsseglern und Museumsschiffen.

Besucher mit Handicap können hier nicht nur Zuschauer sein, sondern auf dem Rollisegler „Wappen Ueckermuende“ sogar selbst in See stechen. Die Eröffnungsveranstaltung wird für Gehörlose von einem Gebärdendolmetscher begleitet. Blinde und sehbehinderte Menschen können sich über die halbstündlichen Durchsagen im Rostocker Stadthafen über das Programm und die Schiffe informieren.

Erfurt: Domstufen-Festspiele und Sommerkomödie in der Barfüßerruine

Bei den diesjährigen Domstufen-Festspielen vor der imposanten Kulisse des Kirchenbauensembles von Mariendom und St. Severi vom 15. Juli bis 7. August, steht Verdis Oper „Nabucco“ auf dem Programm.

Rollstuhlfahrer können das Festgelände barrierefrei erreichen. Mit induktiven Hörschleifen wird das Musikerlebnis bei Hörgeräteträgern verbessert. Gehörlose können die Aufführung mittels Untertitel verfolgen.

Ebenfalls barrierefrei ist die Open-Air-Theater-Produktion „Viel Lärm um nichts“. Die Sommerkomödie von Shakespeare wird vom 28. Juli bis 28. August hinter den Mauern der Barfüßerruine, einer im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kirche aufgeführt. In der ersten Reihe sind Plätze für Rollstuhlfahrer ausgewiesen.

Neuruppin: Seefestival und Gartenentdeckungen

Neuruppin im Ruppiner Seenland nördlich von Berlin begeistert Kultur- und Architekturinteressierte. Sowohl der Schriftsteller Theodor Fontane als auch der preußische Architekt Karl Friedrich Schinkel kamen hier zu Welt. Neuruppin gilt mit seinen breiten Straßen und stattlichen Plätzen als Musterbeispiel für preußische Stadtbaukunst. Eine räumliche Vorstellung können sich dank des Tastmodells auf dem Schulplatz auch Blinde und Menschen mit Sehbehinderung verschaffen.

Wahrzeichen Neuruppins ist die für Rollstuhlfahrer zugängliche Klosterkirche St. Trinitatis am Ruppiner See mit ihren zwei markanten Türmen, die nach Schinkels Plänen restauriert wurden. Für Gehörlose werden regelmäßig Gottesdienste in Gebärdensprache angeboten.

Weiter am See entlang gelangen Besucher zum barrierefreien Hotel Resort Mark Brandenburg. Vom 18. bis 28. August wird der Platz zwischen Hotel und Therme zum Spielort des Seefestivals Wustrau. Gezeigt wird in diesem Jahr Neil Simons Komödie „Ein seltsames Paar“.

Ein sommerlicher Ausflugstipp ist der barrierefreie Tempelgarten, den der spätere Friedrich der Große als junger Kronprinz anlegen ließ. Die Wege im Park sind gut berollbar. Ein Tastmodell aus Bronze dient Menschen mit Sehbehinderungen zur Orientierung.

Magdeburg: Stadterkundungen und Domfestspiele

Kaiserresidenz, Hansestadt und preußische Festung: Magdeburg, die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt hat eine bewegte Vergangenheit – die auch für Rollifahrer geeignete Führung, die täglich auf dem Programm steht, lädt auf eine Zeitreise durch 1.200 Jahre Stadtgeschichte.

Die nach „Reisen für Alle“-Kriterien geprüfte Landeshauptstadt bietet für Besucher mit Hörbehinderungen darüber hinaus Führungen in Gebärdensprache oder mit dem Tour-Guide-System an. Für sehbehinderte Menschen gibt es einen Stadtplan in Blinden- und Großschrift.

Der beeindruckende gotische Kathedralbau St. Mauritius und Katharina wird im Sommer zur Kulisse der Domfestspiele. Vom 17. Juni bis 10. Juli zeigt das Theater Magdeburg auf dem Domplatz das Musical „Rebecca“. Für Rollstuhlfahrer gibt es gut zugängliche Plätze.

Weitere barrierefreie Kulturangebote präsentiert die touristische Arbeitsgemeinschaft Leichter Reisen auf ihrer Website unter https://www.leichter-reisen.info/themen/kultur