Hände hoch: Wussten Sie das über automatisiertes Fahren?
Seit Jahren kündigen Hersteller an, dass ihre Autos bald autonom, also ohne menschlichen Eingriff, fahren. Dabei soll ein komplexes System aus Sensoren, Kameras und künstlicher Intelligenz die Steuerung übernehmen. Die Realität sieht bisher anders aus – die technischen Hürden scheinen hoch. Doch bald kommt Bewegung ins Roboterauto. Ab Anfang 2025 will Mercedes-Benz bei einigen seiner Fahrzeuge autonomes Fahren bis 95 km/h nach Level 3 anbieten.
Mitte 2025 plant der Stuttgarter Autobauer in China ein sogenanntes 2++-System für die Stadt, Nissan will ab 2027 automatisiert fahren. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum autonomen Fahren und den unterschiedlichen Stufen (Levels).
Was ist autonomes Fahren?
Die Autoindustrie unterteilt automatisiertes Fahren in fünf Level, nennt sie assistiert (L1), teilautomatisiert (L2), hochautomatisiert (L3), vollautomatisiert (L4) und autonom (L5). Erst ab Level 2 kann ein Auto unter bestimmten Bedingungen selbstständig lenken, bremsen und beschleunigen, wie etwa bei einem adaptiven Tempomaten oder Spurwechsel-Assistenten. Der Fahrer muss dabei allerdings seine Hände am Lenkrad haben und behält die Verantwortung.
Erst bei Level 3 übernimmt das Fahrzeug unter definierten Bedingungen diese Aufgaben. Der Fahrer kann sich Nebentätigkeiten widmen, wie Lesen, Videos schauen oder am Handy arbeiten. Er muss allerdings in kritischen Situationen und wenn das Fahrzeug es verlangt die Kontrolle über das Auto übernehmen.
Bei Level 4 übernimmt das Fahrzeug die Fahrverantwortung, und der Pilot wird zum Passagier. Er kann aber, wenn er will, selbst ins Lenkrad greifen und fahren. Unter autonomen Fahrzeugen nach Level 5 bewältigt das Auto alle Fahraufgaben jederzeit selbst – Lenkrad und Pedale braucht das Fahrzeug nicht mehr.
«Level 3 ist eine völlig andere Welt. Bei Level 3 liegt die Verantwortung beim Auto. Es muss erst dem Fahrer mitteilen, dass dieser übernehmen muss», sagt Markus Lienkamp, Professor am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität München (TUM). Das geschieht innerhalb von vier bis acht Sekunden. «Das Fahrzeug muss erkennen, dass es alleine nicht mehr weiterfahren kann – und dann bis zu acht Sekunden einen sicheren Zustand halten. Das sind hochkomplexe Aufgaben», sagt Professor Lienkamp.
Welche Voraussetzungen benötigen Autos, um automatisiert fahren zu können?
Damit ein Auto hochautomatisiert nach Level 3 fahren darf, muss es unter anderem bestimmte Fahraufgaben nach internationalen Bestimmungen (UN R3157) selbstständig bewältigen. Bisher schafft das nur Mercedes-Benz auf Autobahnen bis aktuell 60 km/h. BMW bietet mit dem Personal Pilot L3 für den 7er ab März 2025 ein ähnliches System an. Eine Zulassung außerhalb von Autobahnen, etwa in der Stadt, besitzt noch kein Hersteller.
Wo liegen die Probleme beim automatisierten Fahren?
Die Herausforderung beim automatisierten Fahren liegt darin, dass die Systeme immer zu 100 Prozent funktionieren müssen – 99 Prozent reichen nicht. Der technische Aufwand ist immens: Mehr als 40 Assistenten arbeiten derzeit mit Kamera, Radar und Lidar in einem Level-2-System wie von Mercedes-Benz.
Hochautomatisierte Autos benötigen Systeme zur Überwachung, wie Kameras, Lidar, Radar und Ultraschall. Dazu unterstützen hochgenaue Karten und eine zentimetergenaue Positionsbestimmung per Satelliten die Roboterfahrzeuge.
«Der Schritt von Level 2 auf Level 3 ist gewaltig. Aus Sicherheitsgründen müssen Systeme wie Bremse, Lenkung und Elektronik bei einem Level 3-Fahrzeug redundant ausgelegt sein», sagt Taner Kandemir, Projektleiter autonomes Fahren bei Mercedes-Benz.
Damit stellen Hersteller sicher, dass bei einem Ausfall eines Bauteils das zweite übernehmen kann.
«Wenn bei Level 2 die automatische Steuerung der Lenkung ausfällt, kann der Pilot übernehmen. Bei Level 3 reicht die Zeit dafür nicht, das Auto muss dann auf ein Sicherheitssystem zugreifen», sagt Professor Lienkamp.
Wo funktioniert automatisiertes Fahren?
Das automatisierte Fahren funktioniert bisher nur auf freigegebenen Autobahnstrecken ohne Baustelle, auf der ganz rechten Fahrbahn und nur bis Einbruch der Dunkelheit – derzeit nur in Deutschland und den US-Bundesstaaten Nevada und Kalifornien. Auf Landstraßen und in Städten gibt es derzeit keine Genehmigung in Deutschland. Aus technischer Sicht sei ein Level 2++-System in Deutschland zwar möglich, nur fehle für den Einsatz die Zulassung.
In China befindet sich ein Stadt-System aktuell in der Erprobung, noch bremst das Fahrzeug etwas abrupt ab. Nächstes Jahr soll es in China bestellbar sein.
«In der Zukunft werden wir auch im urbanen Bereich automatisiert unterwegs sein», sagt Taner Kandemir. «Aber das Umfeld ist sehr komplex, daher sammeln wir derzeit mit Entwicklungsprojekten auch in China weiter Erfahrungen.»
Wie fühlt sich autonomes Fahren an?
Bevor sich der Fahrer hinter dem Lenkrad entspannen kann, muss er ein paar Dinge beachten: Der Drive Pilot-Assistent von Mercedes bietet hochautomatisiertes Fahren auf Autobahnen voraussichtlich ab 2025 dann bis 95 km/h auf der rechten Spur, auf der mittleren Spur bis 60 km/h.
Bei Spurwechsel, in Baustellen oder Tunneln funktioniert das System aber ebenso wenig wie bei schlechten Wetterverhältnissen oder unter vier Grad Celsius. So muss vor ihm ein Fahrzeug fahren – und zwar nicht schneller als 95 km/h. Dann kann der Pilot das System per Tastendruck am oberen Rand des Lenkrads aktivieren.
Im Display erscheint eine Meldung, dass das Auto die Fahrt übernimmt, gleichzeitig signalisieren die beiden Tasten am Lenkrad die Systembereitschaft. Leuchten die Tasten dauerhaft, kann sich der Fahrer anderen Aufgaben widmen. Allerdings nur, solange das System nicht Alarm schlägt. Dann muss der Pilot innerhalb weniger Sekunden das System per Lenkradtaste deaktivieren und die Kontrolle übernehmen.
Wann fahren wir automatisiert in der Stadt?
Auf deutschen Autobahnen funktioniert automatisiertes Fahren schon heute, auf Landstraßen und in Städten müssen wir noch ein paar Jahre warten. Experten rechnen mit einem Einsatz bis Ende des Jahrzehnts. Aus technischer Sicht sei ein assistiertes Fahren wie mit einem Level 2++-System auch in Deutschland möglich, nur fehle bisher die Zulassung, hört man aus Industriekreisen.
Doch auch auf der Autobahn soll es weitergehen: «Unser langfristiges Ziel bis Ende der Dekade ist es, die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen zu erreichen», sagt Taner Kandemir.
Zugleich liegt auch die maximal erlaubte Geschwindigkeit für hochautomatisiertes Fahren bei 130 km/h.
Einen Vorteil für Level-3-Systeme sieht Professor Lienkamp vor allem auf Autobahnen mit langweiligen Strecken. In der Stadt mit einem komplexen Umfeld und schwierigen Situationen hält er den Nutzen für Level-3-Fahrzeuge für gering.
«Dann eher ein Level-4-Fahrzeug einsetzen. Diese Roboter-Taxen fahren autonom zum Wunschort und können gewerblich eingesetzt werden», sagt Professor Lienkamp.
Die TUM forscht seit mehreren Jahren an einem Level-4-Fahrzeug. Ende September fuhr ein umgerüsteter VW-Bus mit Open-Source-Technologie autonom durch die Münchner Innenstadt, erkannte Ampeln, Fußgänger und hielt sich an die Verkehrsregeln.
In brenzligen Situationen konnten die Entwickler per Fernsteuerung das Auto übernehmen, ein Sicherheitsfahrer saß während der Fahrt hinter dem Lenkrad. «Damit wollten wir zeigen, dass wir auch in Deutschland Roboterautos nach Level 4 bauen können und der technischen Entwicklung einen Schub verleihen», sagt Professor Lienkamp.
Wie teuer werden autonom fahrende Autos?
Die Technik für automatisierte Autos ist heute noch sehr teuer und kostet mehrere Tausend Euro. BMW verlangt für den Autobahn-Assistenten 6.000 Euro, Mercedes-Benz mindestens 5.950 Euro. Daher lohnt sich automatisiertes Fahren in den nächsten Jahren für private Pkw nur bei Luxusfahrzeugen oder im gewerblichen Bereich. Wenn dort die Technologie einen Fahrer ersetzen kann, könnte das unter Umständen wirtschaftlich sein.
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