ÖPNV: Grenzen zum Individualverkehr verschwimmen

BMVI-Ethik-Kommission veröffentlicht erste Leitlinien zum autonomen Fahren.
Praxisbeispiel aus dem Bereich des autonomen Fahrens: Der fahrerlose Kleinbus Navya Arma bietet Platz für bis zu elf Fahrgäste, wird von einem Elektromotor angetrieben und ist schon heute auf verschiedenen Teststrecken unterwegs. (Foto: Pierre Salomé - Aishuu)
Praxisbeispiel aus dem Bereich des autonomen Fahrens: Der fahrerlose Kleinbus Navya Arma bietet Platz für bis zu elf Fahrgäste, wird von einem Elektromotor angetrieben und ist schon heute auf verschiedenen Teststrecken unterwegs. (Foto: Pierre Salomé - Aishuu)
Anja Kiewitt

Durch das autonome Fahren werden die Grenzen zwischen öffentlicher und privater Personenbeförderung auf der einen Seite und Individualverkehr auf der anderen Seite fließend. Davon geht die von Bundesminister Alexander Dobrindt eingesetzte Ethik-Kommission zum automatisierten Fahren in ihrem Bericht "Automatisiertes und Vernetztes Fahren" aus. In puncto Zugangsgerechtigkeit kann das autonome Fahren sogar das allgemeine Wohlergehen verbessern, hat das Experten-Gremium unter Leitung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio festgestellt: Erlauben fahrerlose Autos mobilitätseingeschränkten Personen die aktive Teilnahme am Straßenverkehr, so können sie sich besser in das gesellschaftliche Leben integrieren.

Vollständige Unfallvermeidung nicht möglich

Schon heute werden fahrerlose Robotertaxis oder Busse für den öffentlichen Nahverkehr entwickelt und erprobt, die die Straßenverkehrssicherheit deutlich steigern dürften, geht weiter aus dem Bericht hervor. Allerdings werde auf dem zurzeit technisch möglichen Niveau und der Wirklichkeit eines heterogenen und nicht miteinander vernetzten Straßenverkehrs eine vollständige Unfallvermeidung nicht möglich sein. Das zwinge zu Entscheidungen bei der Programmierung der Software hochautomatisierter und vollautomatisierter Fahrsysteme, betonen die Forscher.

Bericht mit 20 Thesen von 14 Experten

Insgesamt umfasst der Bericht der Ethik-Kommission 20 Thesen. Kernpunkte sind:

Das automatisierte und vernetzte Fahren ist ethisch geboten, wenn die Systeme weniger Unfälle verursachen als menschliche Fahrer (positive Risikobilanz).Sachschaden geht vor Personenschaden: In Gefahrensituationen hat der Schutz menschlichen Lebens immer höchste Priorität.Bei unausweichlichen Unfallsituationen ist jede Qualifizierung von Menschen nach persönlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht, körperliche oder geistige Konstitution) unzulässig.In jeder Fahrsituation muss klar geregelt und erkennbar sein, wer für die Fahraufgabe zuständig ist: Der Mensch oder der Computer. Wer fährt, muss dokumentiert und gespeichert werden (beispielsweise zur Klärung möglicher Haftungsfragen).Der Fahrer muss grundsätzlich selbst über Weitergabe und Verwendung seiner Fahrzeugdaten entscheiden können (Datensouveränität).

Die Ethik-Kommission des BMVI setzt sich aus 14 Wissenschaftlern und Experten aus den Fachrichtungen Ethik, Recht und Technik zusammen. Dazu zählen Verkehrsexperten, Rechtswissenschaftler, Informatiker, Ingenieure, Philosophen, Theologen, Verbraucherschutz-, Verbands- und Unternehmensvertreter.