ÖPNV: Experten diskutierten attraktive Busverkehrssysteme

Rund 250 Teilnehmer besuchten Fachkongress "Einblicke" von WBO und VDV.
Waren sich einig (v.l.): Felix Schreiner (MdL BW, CDU), Hartmut Schick (Vorsitzender Daimler Buses), Moderator Klaus Jancovius (SWR), Wolfgang Raufelder (MdL BW, Bündnis90/Die Grünen), Gerd Hickmann (Verkehrsministerium Baden-Württemberg) und Ingo Wortmann (VDV, Stadtwerke München) sprachen sich für ein baldiges Landesgesetz zur Verteilung der Fördermittel aus. (Foto: Leif-Hendrik Piechowski/WBO)
Waren sich einig (v.l.): Felix Schreiner (MdL BW, CDU), Hartmut Schick (Vorsitzender Daimler Buses), Moderator Klaus Jancovius (SWR), Wolfgang Raufelder (MdL BW, Bündnis90/Die Grünen), Gerd Hickmann (Verkehrsministerium Baden-Württemberg) und Ingo Wortmann (VDV, Stadtwerke München) sprachen sich für ein baldiges Landesgesetz zur Verteilung der Fördermittel aus. (Foto: Leif-Hendrik Piechowski/WBO)
Anja Kiewitt

Wie sich die Wertschätzung des Verkehrsmittels Bus im Nahverkehr verbessern lässt, stand im Mittelpunkt des Fachkongresses "Einblicke", den der WBO Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer e.V., Böblingen, Mitte Oktober zusammen mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. (VDV), Landesgruppe Baden-Württemberg, Stuttgart, organisierte. Zu der Veranstaltung im Stuttgarter SSB-Waldaupark kamen nach WBO-Angaben rund 250 Teilnehmer, neben Unternehmern auch Vertreter von Land, Kreisen und Kommunen.

Attraktive Haltestellen, besserer Verkehrsfluss

Im Rahmen der Veranstaltung stellten Experten Beispiele und Pilotprojekte für „Attraktive Bussysteme“ vor. An Warte- und Haltestellen sind laut Mark Hogenmüller vom Reutlinger Stadtverkehr etwa Barrierefreiheit, Fahrgastinformation in Echtzeit, Infrastruktur bezüglich Toiletten, Mülleimer, Versorgung mit Getränken und Proviant sowie Schließfächer für Gepäck wichtig. Um den Bus gegenüber dem Individualverkehr zu beschleunigen, eignen sich laut Tomas Tonger von Daimler Buses vor allem BRT-Systeme (busplaner berichtete). Nötig dafür seien eine separate Trassenführung, Ampelbevorrechtigung, Vorab-Ticketing, beschleunigte Ein- und Ausstiege sowie einheitliche Fahrzeuge. Vorteile gegenüber Schienenlösungen seien die schnelle Umsetzungsmöglichkeit von BRT-Systemen sowie der enorme Kostenvorteil in Planung, Einrichtung und Unterhalt.

Autonome Fahrzeuge, Beförderung nach Wunsch

Wie sich autonome Fahrzeuge in bestehende Bussysteme integrieren lassen, beleuchtete Werner Linnenbrink von den Stadtwerken Osnabrück. Deren Konzept sieht neben rein elektrischen Bussen auch Car-Sharing mit freier Abstellung der Fahrzeuge sowie autonomes Fahren der Beförderungseinheiten in der Fläche vor. Verbunden über eine einfach zu bedienende App werde der ÖPNV „permanent“, die Betriebsruhe entfalle. Erforderlich dafür seien intelligente Systemlösungen. Ein neu geschaffenes System des Anrufbusses, bei dem Fahrgäste Sonderwünsche wie Stichfahrten zu Sonderzielen, Routenabweichungen oder auch die Verlängerung der eigentlichen Linie bis zu ihrem Fahrtziel anmelden können, stellte Frank Wiest von HVB Wiest & Schürmann vor. Möglich werde dies durch die elektronische Zusammenführung der Fahrtwünsche mindestens 30 Minuten vor Fahrtbeginn sowie die direkte Übertragung der Fahrtroute auf das Tablet des Fahrers, der nach Bedarf das entsprechende Fahrzeug steuert. Dadurch könnten mehrere Fahrtwünsche zu linienunabhängigen Routen zusammengeführt werden.

Aufwertung des ÖPNV im ländlichen Raum

Ein Beispiel für die Aufwertung von Bussystemen speziell im ländlichen Raum präsentierte Hans-Jürgen Hennig von der Verkehrsgesellschaft Belzig in Brandenburg. Der dortige „PlusBus“ spricht mit kleineren Fahrzeugen, W-LAN und USB-Ladesteckdosen das moderne ÖPNV-Publikum an. Schnellere Taktzeiten zu klaren Uhrzeiten, ohne den Schülerverkehr zu benachteiligen, mit Anschlusssicherheit zum und vom Regionalexpress zeigten dort Erfolg: In nur drei Jahren stiegen die Fahrgastzahlen um 40 Prozent, insbesondere an Tagesrandlagen. Das angebotsorientierte Konzept erreiche Spitzenwerte in der Kundenzufriedenheit. WBO-Vorsitzender Klaus Sedelmeier von der Rast Reisen GmbH in Hartheim riet in diesem Kontext allen Unternehmern in Gebieten mit schwacher Infrastruktur, mit Hilfe von Fördermitteln attraktive Regionalbuslinien einzurichten.

Bessere ÖPNV-Förderung ab 2020

„Die Landesförderung soll ausgeweitet werden“, erklärte dazu Gerd Hickmann vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg. In einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der Regierungsparteien waren sich die Teilnehmer einig, dass hier eine baldige gesetzliche Landesregelung erforderlich sei, damit der ÖPNV bei der Verwendung zusätzlicher Mittel vom Bund angemessen berücksichtigt werde. Denn die Finanzierung des Landes-Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) mit den so genannten Entflechtungsmitteln des Bundes (bislang 165,5 Mio. Euro jährlich) laufe 2019 aus. Zudem habe die aktuelle Landesregierung den ÖPNV-Teil des LGVFG um jährlich zehn Millionen Euro gekürzt, so der WBO.