Sichere Straßeninfrastruktur kann Leben rettet: DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024

Die Ergebnisse des DEKRA Verkehrssicherheitsreports 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ weisen auf, dass es weltweit erhebliche Differenzen bei den Sicherheitsstandards der Straßen gibt. Eine gut ausgebaute und sichere Straßeninfrastruktur kann Leben retten. Um dies zu erreichen, ist jedoch ein umfassender Ansatz in der Verkehrsinfrastrukturpolitik notwendig, der auch eine verlässliche Vernetzung für moderne Fahrzeugtechnologien umfasst.

Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ zeigt, eine sichere Straßeninfrastruktur Leben rettet. (Symbolfoto: wal_172619/pixabay)
Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ zeigt, eine sichere Straßeninfrastruktur Leben rettet. (Symbolfoto: wal_172619/pixabay)
Franziska Neuner
(erschienen bei taxi heute von Franziska Neuner)

Um sicher von A nach B zu kommen, braucht es unter anderem eine funktionierende, sichere Verkehrswegeinfrastruktur. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO werden aktuell bis zu 50 Millionen Menschen jährlich bei Straßenverkehrsunfällen verletzt, rund 1,2 Millionen davon tödlich.

„Die Ursachen sind vielfältig. Oft spielen aber die Gestaltung und der Zustand der Straßeninfrastruktur eine negative Rolle – als mitverursachende Faktoren oder indem sie die Unfallfolgen vergrößern“, so Jann Fehlauer, Geschäftsführer der DEKRA Automobil GmbH, bei der Vorstellung des DEKRA Verkehrssicherheitsreports 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ in Berlin.

Rund um dieses Thema beleuchtet der 17. Report der Reihe zahlreiche Problemfelder aus Sicht der Unfallforschung, der Verkehrspsychologie, der Fahrzeugtechnik, der Infrastrukturgestaltung und der Gesetzgebung.

 

Straßeninfrastruktur im Spannungsfeld

Mehr denn je steht die Straßeninfrastruktur im Spannungsfeld unterschiedlichster Ansprüche. Hinzu kommt der schnelle Wandel im Mobilitätsverhalten in vielen Teilen der Welt. Weiterentwicklungen in den Bereichen Sensorik, Rechnerleistung und Akkukapazität haben neue Mobilitätsformen hervorgebracht oder bisherige revolutioniert. Der Wandel vollzieht sich dabei schneller, als Anpassungen der Infrastruktur möglich sind.

„Angesichts dieser komplexen Herausforderungen sind die sorgfältige Planung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen wichtiger denn je, um Unfälle möglichst ganz zu vermeiden oder zumindest ihre Folgen zu minimieren“, so Fehlauer.

Sicherheit muss im Fokus stehen

Die Anforderungen an die Straße sowie den zugehörigen Seitenraum hängen dabei von vielen Parametern ab – etwa vom Zweck der Straße, von der erwarteten Verkehrsstärke und vom Modal Split, also der Nutzung der Straße mit verschiedenen Verkehrsmitteln. Nicht zuletzt spielt es auch eine Rolle, wer die Kosten für Planung, (Um-)Bau und Unterhalt trägt.

„Aber egal, ob Infrastruktur für den Mischverkehr ausgelegt ist, wie Orts- und Landstraßen, oder ob sie bestimmten Gruppen an Nutzenden vorbehalten ist, wie etwa Fußgängerzonen, Radschnellwege oder Autobahnen: Die Sicherheit muss immer im Fokus stehen“, betonte Fehlauer.

Unzureichender Straßenzustand in vielen Teilen der Welt

Dass es in diesem Punkt noch eine Menge zu tun gibt, zeigt ein Blick auf die Statistik. Zwar sank in der EU die Zahl der Verkehrstoten zwischen 2010 und 2021 um 32,8 Prozent von 29.600 auf 19.900. Im Jahr 2022 erhöhte sich die Zahl aber wieder auf knapp 20.600, für 2023 geht die EU von rund 20.400 Verkehrstoten aus. Eine Prognose über die weitere Entwicklung ist momentan kaum möglich.

„Aus heutiger Sicht dürfte aber das von der WHO wie auch von der EU selbst gesteckte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten im Zeitraum 2021 bis 2030 zu halbieren, schwierig zu erreichen sein“, führte der DEKRA Automobil Geschäftsführer aus.

Er verwies in diesem Zusammenhang auf den „Global Plan for the Second Decade of Action for Road Safety 2021-2030“ der Vereinten Nationen. Darin sind zwölf freiwillige Leistungsziele festgelegt, von Bedeutung in Sachen Infrastruktur sind dabei insbesondere die Ziele 3 und 4.

Alle neuen Straßen sollen zur Verkehrssicherheit beitragen

Gemäß Zielvorgabe 3 sollen bis 2030 alle neuen Straßen für alle Verkehrsteilnehmenden technische Standards erfüllen, die der Verkehrssicherheit Rechnung tragen, oder eine Drei-Sterne-Bewertung oder besser erreichen. Und laut Zielvorgabe 4 sollen bis 2030 mehr als 75 Prozent der Fahrten auf Straßen erfolgen, die technische Standards für alle Verkehrsteilnehmenden erfüllen und der Verkehrssicherheit Rechnung tragen.

Global betrachtet, erreichen in diesem Punkt aktuell jedoch nur etwa ein Fünftel der Straßen für zu Fuß Gehende, Radfahrende und Aufsassen motorisierter Zweiräder mindestens das Drei-Sterne-Rating. Das zeigt der vom International Road Assessment Programme (iRAP) entwickelte iRAP Safety Insights Explorer. iRAP ist eine gemeinnützige Organisation mit Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen.

Infrastruktur und Geschwindigkeitsbegrenzung können wesentlich sein

Nach Ansicht von Kristian Schmidt, Europäischer Koordinator für Straßenverkehrssicherheit, spielt die Infrastruktur eine entscheidende Rolle bei den verschiedenen Faktoren, die seitens der EU mit dem „Safe System“-Ansatz angegangen werden.

„Die Infrastruktur ist für rund 30 Prozent aller schweren Verkehrsunfälle maßgeblich“, schreibt Schmidt im DEKRA Verkehrssicherheitsreport. Während Straßen mit gutem Instandhaltungszustand das Unfallrisiko senken, würden Fehler verzeihende Straßen den Schweregrad von möglichen Unfällen verringern. Künftig werde die Sicherheit der Infrastruktur systematischer und proaktiver geprüft, um gezielte Investitionen zu unterstützen. „Es ist keine Option, erst auf das Eintreten tödlicher Unfälle zu warten, wie es bei der vorherigen Erfassung von Unfallschwerpunkten der Fall war“, so Schmidt.

Standardmäßig Tempo 30 in der Stadt

Antonio Avenoso, Geschäftsführer des Europäischen Verkehrssicherheitsrats (ETSC), fokussiert sich in seinem Statement auf das Thema „Tempo 30 in der Stadt“. Seiner Ansicht nach sollten Städte und Gemeinden ermächtigt werden, standardmäßig Tempo 30 einzuführen, ohne dass die nationalen Regierungen ihnen dabei Steine in den Weg legen.

„Es wäre naiv zu denken, dass es aufgrund von Tempo 30 keine Verkehrstoten und Verletzten in den Städten mehr geben wird. Es sollte jedoch als einfache, kostengünstige Maßnahme betrachtet werden, die nicht nur der Sicherheit dient“, sagt Avenoso.

Dadurch werde auch laut und deutlich die Akzeptanz einer Realität signalisiert, die in vielen Ecken Europas in Vergessenheit geraten sei: dass Städte zum Nutzen aller Bürger gestaltet werden sollten und nicht nur derjenigen, die sich für das Auto entscheiden.

Unfallfolgen durch Straßenausstattung

Thematisiert werden im DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 unter anderem auch die Unfallrisiken, die von unterschiedlichsten Objekten im Straßenseitenraum herrühren. So sind Ampelmasten, Lichtmasten, Verkehrsschilder oder Pfosten zwar für einen sicheren und geregelten Straßenverkehr unerlässlich, gleichzeitig können sie aber auch gefährliche Hindernisse darstellen.

Konnektivität und Cyber-Sicherheit müssen gewährleistet sein

Angesichts der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung innerhalb und außerhalb von Fahrzeugen werden in Sachen Infrastruktur zukünftig auch die zur Verfügung stehenden Kommunikationstechnologien wie etwa 5G eine immer wichtigere Rolle spielen.

„Wenn die Fahrzeuge untereinander ebenso wie mit Ampelanlagen oder Verkehrsleitsystemen kommunizieren sollen, muss jederzeit die dafür notwendige Konnektivität gewährleistet sein, damit nicht zuletzt auch ungeschützte Verkehrsteilnehmende wie zu Fuß Gehende und Zweiradfahrende von der vernetzten Mobilität profitieren“, so Fehlauer.

Mit dem immer höheren Automatisierungsgrad in Fahrzeugen und der zunehmenden Vernetzung steigt seiner Ansicht nach auch die Gefahr elektronischer Manipulationen von außen an. Um die für Cyberattacken offenen Einfallstore zu schließen, müsse daher so früh wie möglich gegengesteuert werden – beispielsweise in Form ganzheitlichen Cyber-Security-Management-Systems.

Verantwortungsbewusstes Verhalten im Verkehr unerlässlich

Bei allen Optimierungsmaßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit darf nach Ansicht des DEKRA Automobil Geschäftsführers aber eine wesentliche Maßgabe nicht vergessen werden:

„Um gefährliche Situationen möglichst erst gar nicht entstehen zu lassen, sind und bleiben verantwortungsbewusstes Verhalten, die richtige Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und ein hohes Maß an Regelakzeptanz unerlässlich.“ Daran könnten auch die beste Straßen- und Kommunikationsinfrastruktur oder Fahrzeugtechnik nichts ändern.

Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ steht online zum Download zur Verfügung.