20.03.2004
Redaktion (allg.)
Am 16. März lud der ADAC zum Mobilitätsgespräch "Sicherheit von Reisebussen - Unfälle verhindern, Risiken vermeiden" in sein Präsidialbüro in Berlin. An der Podiumsdiskussion nahmen neben ADAC-Vertretern, Michel Burgmann vom Verkehrsministerium, Prof. Manfred Bandmann vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat, Gunther Mörl vom Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) und Richard Eberhardt vom RDA teil. Im überfüllten Publikumsraum saßen neben Journalisten u. a. Vertreter der Gütegemeinschaft Buskomfort (die etwas beleidigt reagierten, da sie nicht ebenfalls als Referenten geladen waren) und der Gewerkschaft ver.di.
Laut einer aktuell vom Europäischen Tourismus Institut der Universität Trier durchgeführten Studie, haben die Reisenden wegen der Serie schwerer Busunglücke im letzten Jahr, das Vertrauen in das Reisemittel Bus etwas verloren. Bei der Untersuchung wurden 1.000 Personen über 16 Jahren und 870 Busreisende im Januar und Februar in Telefoninterviews befragt. 44 Prozent der Befragten gaben dabei als ihr subjektives Empfinden an, dass Busreisen eher unsicherer geworden seien. Bei der Frage nach den vermuteten Unfallursachen wurde mit großem Abstand die Übermüdung des Fahrers genannt (78 Prozent bei Mehrfachnennungen). 85 Prozent der interviewten Personen meinten, ein Sicherheits- bzw. Gütesiegel für Reisebusse sei "notwendig und sinnvoll", nur 14 Prozent hielten es für "nicht notwendig". 36 Prozent der potentiellen Urlauber bestätigten, ein Gütesiegel würde "unbedingt" für ihre Reiseplanung eine Rolle spielen, 41 Prozent hielten das für "wahrscheinlich". Dass damit höhere Kosten einhergehen würden, störte 51 Prozent der Befragten kaum, sie gaben an, "sicher" dafür bereit zu sein, mehr zu bezahlen. Wobei 38 Prozent davon bei einem Reisepreis von hundert Euro bis zu zehn Euro, 49 Prozent mehr als zehn Euro zahlen würden.
"Um für das Reisemittel Bus verlorenes Terrain zurückzugewinnen, braucht es jetzt die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten. Dabei sieht sich der ADAC keinenfalls als Gegner der Busbranche. Im Gegenteil: Der ADAC möchte dazu beitragen, dass der Reisebus auch künftig seine Rolle als hervorragendes Verkehrsmittel erfüllen kann", betonte ADAC-Vizepräsident für Verkehr Dr. Erhard Oehm. Ein bundesweit einheitliches, von allen Institutionen getragenes Gütesiegel, das in einem vertretbaren Kostenrahmen gehalten sei, müsse möglichst bald eingeführt werden. Es sei ein wesentlicher Schritt, um das subjektive Empfinden der Reisenden zu beeinflussen: "Was nützt es der Busbranche, wenn in den letzten Monaten über 8.000 Fahrertrainings absolviert wurden, aber keiner darüber spricht?", so Oehm, "ein Siegel ist die Möglichkeit, dies zu kommunizieren. Wer in Sicherheit investiert, wird das Vertrauen seiner Kunden zurückgewinnen und damit auf dem Markt mittelfristig einen klaren Vorteil haben".
Als Übergangslösung, bis ein von allen Seiten akzeptiertes Gütesiegel eingeführt werden könne, stellte der ADAC sein Qualitätsprogramm Bussicherheit vor. Es besteht u. a. aus einem Bus-Seminar zum Sicherheitsmanagement, einem Bus-Training zur Qualifizierung der Fahrer und einem Sicherheitskatalog als Selbstverpflichtung. Im Bus-Seminar sollen Punkte wie die Tourenplanung, die Abfahrtskontrolle, die Information der Gäste, defensives Fahren und Sicherheitsmaßnahmen erarbeitet werden. Beim Bus-Training für den Fahrer sollen kritische Fahrsituationen geübt, Sicherheitssysteme, Fahrzeugtechnik, Fahrphysik und Abfahrtskontrolle durchgeprochen und Notbremsungen, das Verhalten bei einer Panne oder einem Unfall sowie Ausweichmanöver durchgespielt werden. Ein vom ADAC vergebenes Siegel "SicherReisen" ähnlich der TÜV-Plakette soll die Teilnahme bescheinigen und immer wieder aktualisiert werden. Die Gebühren für das Bus-Seminar gab der ADAC mit 750,- Euro, für die Bus-Trainings mit 220,- bis 250,- Euro an.
Die Vertreter der Busverbände reagierten auf die ADAC-Vorschläge mit Zweifeln und Vorwürfen. RDA-Präsident Richard Eberhardt zweifelte das Untersuchungsergebnis, dass die Verbraucher verunsichert seien, an und meinte, die auf der Internationalen Tourismus-Börse ITB vorgestellte Reiseanalyse hätte gezeigt, dass der Bus im vergangenen Jahr seinen Marktanteil von 10,3 Prozent gehalten habe und sogar noch 300.000 Gäste dazu gewonnen hätte. "Wir wollen sicherlich keiner Sicherheitsdiskussion ausweichen", so Eberhardt, "wir wehren uns jedoch dagegen, dass diese Diskussion genutzt wird, um Forderungen zu instrumentalisieren, wie z. B. die nach Fahrertrainings auf den ADAC-Teststrecken". Die Verbände und Institutionen hätten unterschiedliche Kernkompetenzen, Busverbände seien Experten für Unternehmerschulungen, die Omnibushersteller für die Entwicklung der Bustechnik zuständig und für die Überprüfung der Funktionstüchigkeit der Technik seien TÜV und Dekra verantwortlich.
Gunther Mörl vom bdo meinte, sein Verband werde sich "nicht in eine Richtung drücken lassen, die wir nicht wollen" und betonte, der ADAC würde alleine "mit einem Schnellschuss nach vorne preschen".
Dem widersprach Dr. Oehm, beinahe ein Jahr nach der Serie von schweren Busunfällen könne niemand mehr von einem "Schnellschuss" sprechen, darüber hinaus seien es die Busverbände selbst gewesen, die kurz nach den Unglücken den Vorschlag eines Sicherheitssiegels in den Raum stellten. "Lassen Sie uns gemeinsam nach vorne preschen", war sein Angebot an die Busverbände, ein Siegel sei die Möglichkeit, die Investitionen, die die Busbranche derzeit unternehme, um die Sicherheit zu erhöhen, nach außen zu kommunizieren. Die Verbraucher würden darauf Wert legen. Mit der Hoffnung, dass man sich in absehbarer Zeit in dem vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat geleiteten Ausschuss, auf ein gemeinsames Vorgehen einigen könne, wurde das Mobilitätsgespräch beendet.