Heuliez GX 337 ELEC schafft 527 km Reichweite beim Record Run - Iveco E-Way überzeugt mit 4 % Restbatteriekapazität

Wir unterzogen den Iveco E-Way 9,5 auf unserer E-Bus-Teststrecke in Bonn einem Praxischeck und hatten dabei vor allem das Thema Reichweite im Fokus.

Der Wendepunkt der Teststrecke befand sich im Bonner Stadtteil Heiderhof auf der Rheinhöhe. Bild: Bünnagel
Der Wendepunkt der Teststrecke befand sich im Bonner Stadtteil Heiderhof auf der Rheinhöhe. Bild: Bünnagel
Claus Bünnagel
TEST

Auf dem Papier und mitunter auch bei klinischen Testbedingungen sieht vieles schön aus. Deswegen prüfen wir vom busplaner gerne einmal nach, wenn es um Verbrauchsdaten von Bussen geht. So hat der Heuliez GX 337 ELEC als großer 12-m-Bruder des von uns getesteten GX 137 ELEC – beide firmieren außerhalb Frankreichs unter dem Namen Iveco E-Way – beim schon fast legendären „Record Run“ im Oktober 2019 eine Reichweite von 527 km mit Restbatteriekapazität von 4 % geschafft – bei einem Durchschnittstempo von 46,6 km/h. Das alles fand statt bei nahezu idealen äußeren Bedingungen auf dem Test-Oval der Iveco Magirus AG in Ulm.

Doch was sind solche Zahlen im realen ÖPNV-Alltag wert? Das wollten wir bei ganz ähnlichen Wettervoraussetzungen Mitte Mai 2021 herausfinden. Wir, das war ein dreiköpfiges Bonner Testerteam. Zwischen 9:30 und 18:20 Uhr schickten wir den unbeladenen 9,52 m langen Stadtmidi auf unsere bereits von den diversen E-Bus-Vergleichsfahrten bekannte Teststrecke mit Start am SWB-Betriebshof in Friesdorf und Wendepunkt im Bonner Stadtteil Heiderhof auf der Rheinhöhe. Sechs Umläufe von je 19,2 km mit 41 Haltestellen samt Türöffnung waren dabei zu absolvieren. Bei angenehmen Außentemperaturen meist zwischen 14 und 19°C war praktisch kein Klimatisierungs- oder Heizungsbedarf vorhanden. Die Innentemperatur im Bus lag meist bei 20 oder 21°C. Zwar konnten wir den Anteil der Nebenverbraucher am Energiekonsum des Fahrzeugs nicht separat bestimmen, jedoch dürfte er ohne wesentlichen Thermomanagementbedarf im niedrigen einstelligen Prozentbereich gelegen haben und ist daher eher zu vernachlässigen.

Heizen als Krux

Nach rund 115 km und einer SORT 2 korrespondierenden Durchschnittsgeschwindigkeit von gut 17 km/h hatte der Iveco E-Way 9,5 genau 83,5 kWh verbraucht. Das sind umgerechnet 0,73 kWh/km. Der SOC zum Ende der sechs Umläufe betrug 62,4 %. Anders gesagt: Wir hätten mit der gesamten Batterieladung auf unserer Teststrecke sicherlich mindestens 330 km geschafft. Das ist ordentlich, allerdings vor dem Hintergrund eines weitestgehend leeren Fahrzeugs und besten äußeren Bedingungen zu sehen.

Mit Fahrgästen an Bord und bei tiefen Temperaturen sähe die Rechnung natürlich etwas anders aus. Wäre der Mehrverbrauch durch den Einsatz der elektrischen Klimaanlage vom Typ Eberspächer Sütrak K353 G4 II mit ihrer Kühlleistung von 22 kW im Hochsommer sicherlich als noch moderat zu bezeichnen, so kann man für den tiefen Winter von deutlich höheren Verbrauchsergebnissen ausgehen. Denn der COP-Wert eines Hybridheizers wie dem Valeo Thermo H des Testbusses ist im Gegensatz zu einer Wärmepumpe unterirdisch. Im elektrischen Betrieb kann der Energiekonsum bei -10°C – also der Schwelle, ab der er mit Werkseinstellung auf den Verbrennermodus (Diesel oder HVO) umschalten würde – bis zu 1 kW/km betragen und somit höher liegen als der des Antriebssystems. Zudem ist fraglich, ob das Gerät dann noch die maximale elektrische Heizleistung von 20 kW erreichen kann.

Mit einer durchschnittlichen Fahrgastauslastung von 21 bis 22 % an Bord kann der Stromverbrauch an kalten Wintertagen mit einer solchen Fahrzeugkonfiguration also leicht bis zu 1,7 kWh/km betragen. Dann bliebe angesichts des nutzbaren Batteriemaximums von 225 kWh nur noch eine Einsatzdistanz von 130 km übrig – und hier relativiert sich die erzielbare Maximalreichweite des Iveco E-Way 9,5 von mehr als 300 km. Und es ist schließlich der minimale Aktionsradius eines E-Busses, der die Limits setzt für seine Einsatzplanung.

Zen 42 in den Startlöchern

Wenn man nicht schon bei Temperaturen unter 5°C per Verbrenner zuheizen will, wäre eine Lösung für das Reichweitenproblem sicherlich der Einsatz einer Wärmepumpe, idealerweise auf CO2-Basis. Iveco respektive Heuliez geht – vorerst – einen anderen Weg. Schon bald ist die nächste Batteriegeneration Zen 42 für den Serieneinsatz bereit. Dann stehen im Vergleich zu den Zen-35-Modulen des Testbusses statt 35 kWh pro Akkupack 42 kWh zur Verfügung. Bei sieben Packs im Heck und auf dem Dach des E-Way 9,5 kommt man somit künftig auf solide 294 kWh. Sind davon wie bisher knapp 92 % nutzbar, bedeuteten 270 zur Verfügung stehende Kilowattstunden bei einem Extremverbrauch von 1,7 kWh/km eine Minimalreichweite von immerhin 160 km und maximal Distanzen von bis zu 360 km. Deutlich aufgewertet werden auch die 10,7- und 12-m-Versionen des E-Way mit dann 420 bzw. 462 kWh höchstmöglicher Batteriekapazität.

Nicht vergessen werden sollten in der Verbrauchsrechnung auch der Diesel- bzw. wahlweise HVO-Konsum des Valeo-Zuheizers und die Ladeverluste.

Was wir schon bei anderen E-Bus-Modellen festgestellt haben, bewahrheitet sich auch beim Iveco E-Way 9,5: Eine entscheidende Größe für die Umlaufplanung von elektrifizierten Stadtbussen ist das Thermomanagement. Denn vom Antriebsstrang her gesehen ist der im westfranzösischen Heuliez-Werk Rorthais gefertigte Midi ja ein sparsames Fahrzeug. Das liegt nicht nur am aktiven Batteriebalancing, sondern vor allem an der passiven Luftkühlung der Akkus, die in der Energiebilanz gegenüber anderen Kühlsystemen punkten kann. Auch werden elektrische Komponenten wie die Lenkhilfpumpe nur dann aktiviert, wenn ihr Einsatz erforderlich ist.

Hilfreich für die Einsatzplanung solcher Fahrzeuge ist die seit Anfang 2021 für den E-Way erhältliche Servicelösung Iveco On – für andere Iveco-Modelle soll sie im Laufe des Jahres folgen. Das Modul „Fleet“ ermöglicht Energieverbrauchsmonitoring und Fahrstilanalysen, „Uptime“ Fahrzeugmonitoring und -reporting u.a. für Predictive Maintenance. Auch die maßgeschneiderten Servicemodule „Care“, „Maintenance & Repair“ und „Parts“ erleichtern das Flottenmanagement.

Vier Jahre Gewährleistung gibt Iveco bei seinen Elektrobussen auf die Batterie, zwei Jahre aufs Fahrzeug. Es lassen sich jedoch auch individualisierte Garantieverträge abschließen. So wurde mit ÖBB Postbus für den Einsatz von vier 12 m langen E-Way auf der Linie Bludenz–Götzis ab Ende Februar 2020 ein Vertrag ausgehandelt, der sich auf simulierte Einsatzparameter wie Jahreskilometerleistungen oder Ladestrategien stützt. Er sieht 
80.000 km/Jahr und Ladeleistungen über Nacht von maximal 50 kW vor. So wird ein maximaler Batteriekapazitätsverlust von 17 % über zehn Jahre garantiert; bei einer höheren Degradation haftet Iveco.

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Supersingles auf der Hinterachse

Doch es gibt auch einige Aspekte zu bemerken, die nicht allen Verkehrsunternehmen gerade im deutschsprachigen Raum gefallen dürften. So ist der Ladestecker hinter einem kleinen separaten Verschluss innerhalb der Heckklappe angebracht. Folgt man der VDV-Empfehlung eines Ladesteckers oberhalb der Vorderachse, muss ein HV-Kabel aufwendig durch die Karosserie nach vorne gezogen werden.

Außerdem ist der E-Way 9,5 nur mit Supersingle-Bereifung an der Hinterachse erhältlich. Das ist weniger ein Preisfaktor, denn den beim Testbus aufgezogenen Michelin X One XDU 455/45 R 22.5 gibt es mittlerweile schon für ca. 1.100 Euro netto. Aber ein zusätzliches Format zur üblichen 275er-Bereifung – die trägt der E-Way auf der Vorderachse – innerhalb der Flotte und die mitunter geringere Dauerhaltbarkeit der Supersingle-Pneus stoßen oftmals auf wenig Gegenliebe. Deren Vorteile sollen aber auch nicht unerwähnt bleiben: geringeres Gewicht als bei Doppelbereifung und reduzierter Rollwiderstand.

Die positiven Auswirkungen auf die Rolleigenschaften des Iveco E-Way 9,5 konnten wir auf unseren Testrunden unmittelbar feststellen. Gleichzeitig registrierten wir aber auch – bis in die Cockpit-Armaturen ausstrahlende – Vibrationen, die bei solchen Midis im Vergleich zu 12-m-Fahrzeugen aufgrund ihrer reduzierten Länge allerdings charakteristisch sind. Negativ auf die Klangkulisse im und am Fahrzeug wirkten sich auch Geräusche an der ZF-Hinterachse aus. Sie stammten von den gummigelagerten Silentbuchsen am Stabilisator. Das ist nicht untypisch bei Bussen, jedoch bei elektrischen Modellen viel eher hörbar als bei Verbrennern. Mit Talkum lassen sie sich womöglich beseitigen. Auch aufgrund der ungeschmierten Buchsen ergab unser Schallgeräusch-Messergebnis höchstens durchschnittliche Werte mit 65 dB(A) im Frontbereich und mäßigen 69 dB(A) auf Höhe der Hinterachse, jeweils bei 50 km/h. Leise dagegen arbeitet mit maximal 62 dB(A) der Kompressor für das Druckluftbremssystem: Der Flügelzellenverdichter von der Gardner Denver Deutschland GmbH aus dem westfälischen Senden mit Wechselstrommotor auf 400-V-Basis verrichtet seine Dienste leiser und vibrationsärmer als vergleichbare Kolbenverdichter.

Auf dem Weg zur Serie

Noch gibt es vom E-Way 9,5 lediglich zwei Prototypen. Die Serienfertigung mit Zen-42-Batterien wird aber schon bald beginnen. Ab Bestellung dauert es rund ein Jahr bis zur Auslieferung – ein üblicher Zeitraum bei E-Bussen. Zur Serienausstattung werden dann auch elektrische statt der pneumatischen Ventura-Türen des Testbusses gehören, wobei Tür 1 immer als Innenschwenk-, Tür 2 wahlweise auch als Außenschwenkschiebetür ausgeführt ist. Weiterhin erhalten alle Fahrzeuge die neue, flache Front, Unterbodenplatten sowie eine Brandlöschanlage, die ab September 2021 EU-weit Pflicht in neuen Bussen der Klasse I/II ist. Zur Ausstattung zählen außerdem eine Voll-LED-Beleuchtung innen und außen, leichte Ster-Sitze, das digitale Actia-Fahrerdisplay, ein vierstufiger Rekuperationshebel und die 24-V-Servolenkung von Turolla aus dem Danfoss-Konzern. Versehen werden können die Fahrzeuge auch mit dem kamerabasierten Mobile-Eye-System, das beidseitig auf ca. 6 m den Bereich von Front bis Hinterachse überwacht. Gut gefallen hat uns die enorme Fahrgastkapazität des Midis von bis zu 75 Personen – 71 im Testbus – wie auch die gelungene Innenraumaufteilung und das ansprechende Innenraumdesign – auch wenn das Fahrzeug nur 2.35 m breit ist. Im Gegensatz beispielsweise zum 8,5 m langen Karsan Atak konnte es zudem niederflurig bis kurz vor die Heckbank ausgeführt werden, die über zwei Stufen erreicht wird. Ohne störenden Batterieturm ist gerade das Hecklayout für die Fahrgäste angenehm gestaltet. Der Fahrer findet einen über zwei kleine Stufen erreichbaren Arbeitsplatz vor, der aufgrund seiner Erhöhung eine gute Sicht und Schutz bei einem Frontunfall bietet. ■

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