Der Quantron Cizaris gibt sich die Ehre
Wer von den beiden Partnern nun welchen Anteil an der Entwicklung des Cizaris 12 EV getragen hat, sei dahingestellt. Fakt ist jedenfalls, dass mit diesem Modell und im Rahmen von Quantrons Expansionsstrategie ein neuer Player auf dem europäischen E-Bus-Markt auftritt – und das kann diesem nur guttun. Praktisch für die deutsch-chinesische Kooperation ist, dass die beiden Unternehmen seit Sommer 2021 eng verbunden sind. Nach Abschluss des vor einem knappen Jahr erfolgten Aktientauschs hält Ev Dynamics heute etwa 14 % des Aktienkapitals der Quantron AG. Zudem ist der seit September 2021 für Quantron tätige CEO und Vorstand Michael Perschke, langjähriger Automobilmanager bei Audi sowie VW und Elektropionier bei Pininfarina, auch internationaler Berater von Ev Dynamics.
Die Technik des Hongkonger Unternehmens arbeitet bereits in mehr als 1.000 Stadt- und Reisebussen weltweit. Ende letzten Jahres hat der philippinische Fahrzeugproduzent GET mit der chinesischen Unterstützung die ersten 70 von anvisierten 500 elektrischen Comet-3-Minibussen hergestellt, die u.a. nach Malaysia gehen. Ev Dynamics entwickelt zudem Lithium-Ionen-Polymer-Feststoffbatterien und PEM-Brennstoffzellen. 2023 soll daher bei Quantron auch das Wasserstoffpendant Cizaris 12 H eingeführt werden.
Deutschland-Start ab Herbst
Der Vertriebsfokus beim Cizaris 12 EV liegt zunächst auf den Märkten Osteuropa, Naher Osten, Skandinavien und Südeuropa. Aufgrund der besonderen Anforderungen des deutschen Markts wie etwa der VDV-Vorgaben in Bezug auf den Fahrerarbeitsplatz und anderer Systeme wird der Marktstart in Deutschland, Österreich und der Schweiz etwas später, und zwar in der zweiten Jahreshälfte 2022 erfolgen.
Produziert werden die Fahrzeuge von EV Dynamics im Werk Chongqing. In der Quantron-Zentrale in Gersthofen bei Augsburg erfolgen dann die Ergänzung markentypischer Designmerkmale sowie kundenspezifische Anpassungen. Zwar ist das noch Zukunftsmusik, aber mittelfristig soll der Cizaris ein neues, völlig eigenständiges Design im Stil der Quantron-Markenfamilie erhalten. Vorerst prägen das Modell die weit nach unten gezogene Windschutzscheibe, sein Stirnschild und der schwarz abgesetzte Mittelteil des Busses.
Im Innern gefällt das helle Ambiente dank der luftigen Stehhöhe von 2.449 mm, tief gezogener Seitenscheiben und des großen Heckfensters. Denn als „echter“ E-Bus kann das Fahrzeug auf einen Motor- bzw. Batterieturm verzichten, sodass Platz für ein unverbautes Heck bleibt. Der Zugang ins Businnere erfolgt durch zwei oder drei jeweils 1.200 mm breite pneumatische Innenschwenktüren oder optionale elektrische Außenschwenkschiebetüren.
Der Fahrerarbeitsplatz mit Isri- oder Grammer-Sitz auf erhöhtem Podest verzichtet weitestgehend auf Tasten – die wenigen sind dabei einfach auszutauschen. Eine VDV-konforme Version ist zudem in Planung. Zur Serienausstattung zählen ein großer Monitor für Rückfahrkamera und Co. und der Rekuperationshebel, mit dem sich in drei Stufen die Rekuperationsleistung auswählen lässt. Über alle wichtigen Vorgänge und Statusmeldungen informiert ein volldigitaler Instrumententräger von Actia.
Wie viele andere neue Stadtbusmodelle besitzt auch der Cizaris ein Kamerasystem mit hochauflösenden Monitoren an den A-Säulen statt Außenspiegeln. Eine Besonderheit dagegen ist die separate Bugbeobachtungskamera mit großem Monitor oberhalb des Cockpits. Auf Wunsch lässt sich auch ein Abbiegeassistent von Mobileye nachrüsten.
Sicherheit wird beim Cizaris großgeschrieben. Stabilisatoren an Vorder- und Hinterachse verbessern die Straßenlage gerade in engen Kurven und erhöhen gleichzeitig den Komfort für die Fahrgäste. Für den Brandschutz sind im Heckbereich sowie in den Batteriemodulen und anderen HV-Bauteilen Temperatur- und Gassensoren sowie Pulverlöschkartuschen montiert. Die bis zu zwölf Batteriepacks lassen sich zudem auf dem Dach und damit außerhalb der typischen Crashbereiche platzieren.
220 km Mindestreichweite
Wie Reiseunternehmen Kunden binden können
Apropos Batterien. Die bilden natürlich auch im Cizaris das Herzstück. Vier verschiedene Kapazitäten von 242 bis 422 kWh lassen sich ordern, wobei die größte für viele Verkehrsunternehmen sicherlich die attraktivste Option darstellt. Das Fahrzeug ist schließlich als Depotlader konzipiert und kann derzeit nicht mit Pantografen bzw. Ladeschienen für einen invertierten Pantografen geordert werden. Die DC-Ladedauer mit bis zu 150 kW Ladeleistung beträgt maximal fünf Stunden von 10 auf 100 % SoC.
Die LFP-Akkus vom chinesischen Weltmarktführer CATL mit einer garantierten Nutzungsdauer von acht Jahren bzw. 3.000 Vollladezyklen besitzen eine für diese Zellchemie relativ hohe Energiedichte auf Batterieebene von 159,79 Wh/kg. So fällt ihr Gewicht in der 422-kWh-Ausführung mit ca. 2.640 kg relativ moderat aus. Dank des dadurch akzeptablen Leergewichts von rund 13 t können mindestens 81 und bis zu 95 Fahrgäste mitfahren. Das sollte für praktisch alle Einsatzzwecke eine ausreichende Passagierkapazität darstellen.
Auch weitere Parameter scheinen zu stimmen. So besitzt das Fahrzeug mit größter Batterieausführung und einer nutzbaren Kapazität von 380 kWh bei 90 % DoD laut Quantron eine Mindestreichweite von 220 km nach eSort-Testverfahren – die Wintererprobung wird allerdings erst in diesem Monat abgeschlossen. Das deckt sich exakt mit den busplaner-Erfahrungswerten eines Maximalverbrauchs bei tiefen Temperaturen von ca. 1,7 kWh/km für E-Solos. Allerdings ist mit der Valeo Revo-e bislang nur eine R-407C-Wärmepumpe erhältlich – die CO2-Variante ist derzeit noch in der Evaluierungsphase. Die momentane maximale Heizleistung der Revo-e von 19 kW lässt sich aber mit elektrischem PTC-HV-Luftheizer auf fast 40 kW erhöhen – was allerdings Reichweite kostet angesichts eines deutlich geringeren COP-Werts solcher vollelektrischen Aggregate. Für besonders kalte Regionen kann optional auch noch ein fossiler oder alternativ befeuerter Zuheizer eingebaut werden.
Hohes Drehmoment
Gefahren sind wir Cizaris 12 EV bislang noch nicht. Aber die Leistungsparameter des Dana-Permanentsynchronmotor – eingebaut hinter der Antriebsachse – versprechen eine gute Performance angesichts einer Dauerleistung von 145 kW und eines Dauerdrehmoments von ordentlichen 1.055 Nm. Fragezeichen stehen allerdings noch hinter dem Komfortverhalten der starren Dana-Frontachse und der Qualität des stählernen Aufbaus gerade hinsichtlich des Geräuschlevels an Bord.
Kunden kommen beim Erwerb eines Cizaris 12 EV in den Genuss eines „Rund-um-Sorglos-Pakets“ von Quantron inklusive Finanzierung, Förderberatung, Ladeinfrastruktur, Batterie-Rightsizing und sogar Third-Life-Konzept für die Batterien. Die Augsburger können zudem auf das AllTrucks-Servicenetzwerk mit 700 Werkstätten in Europa zurückgreifen. Daneben lassen sich die Partner- oder Regiewerkstatt des Kunden für das vollelektrische Modell qualifizieren. Auf Wunsch können auch Garantieerweiterungen oder Serviceverträge sowie Re-Use-Optionen für die Batterien an deren Lebensende angeboten. werden. ■
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