Kroatien: Rijeka als Kulturhauptstadt 2020 - Innovative Ideen schlagen Dubrovnik und Pula: Rijeka – Kulturhauptstadt 2020

Verborgene Schönheit „Rijeka ist eine Stadt für den zweiten Blick“, sagt Stadtführer Nico. In der Tat: Angesichts der Hochhäuser und ausrangierten Industrieanlagen am Stadtrand ist man geneigt weiterzufahren, zur Insel Krk oder zur Opatija-Riviera. Doch es lohnt, bis ins Zentrum vorzudringen und genauer hinzuschauen. Erst recht 2020, wenn Rijeka europäische Kulturhauptstadt ist.

Bild: Petr Blaha
Bild: Petr Blaha
Redaktion (allg.)

Mehr als 1.000 Veranstaltungen sind geplant – zahlreiche Konzerte, Ausstellungen, ein „Fluss des Duftes“, das Kinderfestival Tobogan, ein Gastronomiefestival und eins mit Ethno-Musik. Vorzeigeobjekt ist das neue Museum in der „Galeb“, dem schwimmenden Regierungssitz und Vergnügungsdampfer von Ex-Staatschef Tito.

Rijeka ist keine klassische Schönheit, doch mit innovativen Ideen hat die Stadt seine kroatischen Mitbewerber Dubrovnik und Pula im Rennen um den Titel Kulturhauptstadt abgehängt. Der Vergleich mit dem Ruhrgebiet, Kulturhauptstadt 2010, drängt sich auf: eine Stadtlandschaft im Wandel, leerstehende Industriebauten, die mittlerweile als Theater, Konzertbühne und Kino genutzt werden. Der große Unterschied: Rijeka liegt an der Adria. Und das Meer soll 2020 mit ins Programm einbezogen werden. Schließlich lautet das Kulturhauptstadt-Motto „Hafen der Vielfalt“.

Los geht’s zu Karneval, am 23. Februar 2020. Aschermittwoch 2021 ist dann alles vorbei. Rijeka, das wird wohl nicht nur Kölner Jecken wundern, ist eine der ältesten Karnevals-Hochburgen Europas, amtlich dokumentiert. 1449 nämlich wurde es dem einfachen Volk verboten, hinter Masken Kritik an der herrschenden Klasse zu üben. Seit 1982 ziehen am Karnevals-Sonntag kostümierte Narren aus Kroatien, Slowenien, Italien und Montenegro auf Motto-Wagen und in Musik-und Tanzgruppen durch die Stadt, von über 150.000 Zuschauern am Straßenrand angefeuert. In der gesamten Altstadt wird gefeiert, so auch 2020.

Die alte kroatische Hafenstadt an der Kvarner Bucht ist eine Stadt im Wandel. Lange Zeit florierte der Hafen, war er doch Ende des 19. Jahrhunderts, als Rijeka zur K.-u.K.-Monarchie gehörte, der einzige Meereszugang für Österreich und Ungarn. Die Seemanns-Akademie siedelte sich hier an. In Rijeka wurde der erste Torpedo entwickelt, Fabriken für die Produktion von Papier, Seilen und Ankern entstanden. Vieles davon steht heute leer. Auch die meisten der ehemals 22 Schiffswerften. Eine einzige ist übrig geblieben. Doch in den letzten Jahren haben Kreative einige Fabrik- und Lagerhallen für sich entdeckt. Designer nutzen sie als Büro, Theatermacher als Bühne und Filmteams als Drehort, unter anderem für „Game of Thrones“. In die ehemalige Motorradfabrik ist das Museum of Modern and Contemporary Art eingezogen.

Vielfältige Projekte auf dem Weg

Klar, dass die Industriekultur in das Kulturhauptstadt-Programm integriert wird. Kuratorin Morana Matkovi´c will in der alten Lagerhalle „Exportdrvo“ Galerie, Kino, Club und Café ansiedeln. Im Benˇci´c-Komplex, wo früher Tabak getrocknet wurde, entsteht ein Haus der Kinder. Hier sollen Kinder zur Kreativität angeregt werden – eine Investition, die der einheimischen Bevölkerung langfristig zugutekommt.Auch das Thema Umwelt spielt 2020 eine Rolle. Öffentliche Plätze und Fensterbänke werden mit Kräuterpflanzen begrünt und zu einem „Fluss des Duftes“. Künstler aus verschiedenen Ländern wollen Neues aus Abfallprodukten schaffen, Stichwort Upcycling.

Die drittgrößte Stadt Kroatiens ist bekannt für ihre junge Szene. Sie kann sich in Rijeka, wo die Quadratmeterpreise vergleichsweise niedrig sind, austoben. Das Alternative, Rebellische hat schon Tradition. In den 60er-Jahren etablierte sich eine Rockszene, das jährliche Rockfestival ist landesweit bekannt, ebenso wie das Ethno-Festival im September, beides läuft auch im Kulturhauptstadtjahr. In Hinterhöfen hat sich zwischen Graffitiwänden und Kräuterkübeln eine alternative Kneipenszene angesiedelt. In einem Tunnel aus dem Zweiten Weltkrieg werden Partys gefeiert, im ehemaligen Bunker am Hafen trifft man sich in einem angesagten Café. Die ausrangierten Hafen-Kräne dahinter werden zum gefragten Motiv für Selfies.

Eines der Prestige-Objekte der Kulturhauptstadt, Titos „Galeb“, wird wohl frühestens Ende 2020 fertig. Denn die hohen Renovierungskosten sind in Rijeka umstritten und haben die Arbeiten verzögert. Das Schiff, in dem der ehemalige jugoslawische Regierungschef prominente Politiker und Filmstars empfangen hat, soll zum Museum umgebaut werden. Ein Schiff als schwimmender Zeitzeuge sozusagen. Jugoslawiens Staatsgründer Josip Broz Tito soll Flugangst gehabt haben. Deshalb umschiffte er mit der „Galeb“ die halbe Welt, empfing an Bord alle, die Rang und Namen hatten: Queen Elisabeth genauso wie Breschnew. Mit Elizabeth Taylor und Sophia Loren soll Lebemann Tito dort angeblich rauschende Partys gefeiert haben.

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Das Schiff, 1938 als Handelsschiff gebaut, rostet seit Jahrzehnten vor sich hin. Fürs Kulturhauptstadtjahr soll es auf Vordermann gebracht werden – ein ehrgeiziges Ziel, wenn man den Kahn von außen betrachtet. Das Mobiliar ist ausgebaut. Die große Bar, die üppigen Polstermöbel im Stil der 50er-Jahre werden zurzeit restauriert und sollen anschließend wieder an Bord. Außer dem zeitgeschichtlichen Museum wird auf dem Schiff ein Café und ein Hostal eingerichtet.

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, gehörte die Stadt, damals St. Veit am Flaum genannt, zur K.-K.-Monarchie. Einige Gebäude um den Hauptmarkt stammen aus dieser Zeit, darunter auch das kroatische Nationaltheater. Das Musiktheater, 1885 mit der Verdi-Oper „Aida“ eingeweiht, beteiligt sich mit verschiedenen Aufführungen am Kulturhauptstadt-Programm. Der Bau mit Deckenmalereien von Gustav Klimt liegt unmittelbar neben dem schönen Markt, in dem man täglich Köstlichkeiten aus der ganzen Region findet – fangfrischen Fisch genauso wie Obst, das die Bauern aus der Umgebung anbieten, sowie hochwertiges Olivenöl und Käse.

Wer gerne über den Dingen steht, sollte zur Burg Trsat aufsteigen. Von der Altstadt kann man die Burg, von der nur eine Ruine übriggeblieben ist, über 500 Stufen erreichen. Bequemer ist die Auffahrt über die Stadtautobahn, Ausfahrt Trsat, auf der Rückseite der Burg. Von der Festung hat man einen wunderschönen Ausblick bis zu den Inseln Krk und Cres – ein perfekter Platz für den Sonnenuntergang, am besten im Café auf dem Burggelände. Papst Johannes Paul II. war 2003 auch schon dort oben, zum Gebet in der Marien-Wallfahrtskirche direkt neben der Burg.

Eine Städtetour nach Rijeka lässt sich hervorragend mit der Opatija- und Crikvenica-Riviera verbinden. Die wenigen Hotels in Rijeka sind eher auf Geschäftsreisende zugeschnitten. Wirklich schön kann man im angrenzenden Opatija wohnen. Die Stadt war einst Reiseziel der betuchten Wiener Gesellschaft. Aus dieser Zeit stammt die Kaiser-Franz-Joseph-Promenade, die großzügigen Parks, Jugendstil-Villen und Hotels am Meer, die, 20 Jahre nach dem Balkankrieg, schön renoviert sind.Gabriele Beautemps

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Seite 20 bis 23 | Rubrik Sonderheft Touristik