Mit dem Citaro hybrid hat Mercedes-Benz eine sparsame Variante seines Stadtbus-Bestsellers auf den Markt gebracht. Doch rechnen sich seine Mehrkosten? Und wie fährt sich der Hybridbus?
Ziel und Gegenstand von Bustests sind u.a. stets, Fahrwerk- und Antriebseigenschaften eines Modells in einem typischen Einsatzumfeld auf Herz und Nieren zu prüfen. Neben der schlichten Faktenermittlung von Fall zu Fall entwickelt der prüfende Journalist über die Jahre auch ein Gefühl und Gespür dafür, um die Stärken und Schwächen eines Kandidaten relativ zielsicher und schnell zu ermitteln. In der Branche spricht man dabei gerne scherzhaft vom „Popometer“, das untrüglich die Fahreigenschaften eines Testbusses offenlegt.
Im Einsatz war unser Popometer nun in Mannheim – und zwar auf einer Testrunde durch Mannheim und Umgebung. Der Kandidat dieses Mal: der Mercedes-Benz Citaro hybrid. Das klein geschriebene „h“ im Variantenzusatz weißt schon darauf hin: Hier haben wir es mit einem Mildhybriden zu tun – im Gegensatz zum seriellen Hybriden Citaro G BlueTec Hybrid, der zwar ab 2010 auf der Straße war, dessen kostenintensiver Mehraufwand für die zusätzliche Elektrotechnik an Bord sich jedoch nie gerechnet hat und dessen Bau nach nur wenigen Jahren eingestellt wurde, als er die Umstellung auf Euro 6 nicht mehr mitmachen durfte.
Elektromotor als „Booster“
Der Citaro hybrid kommt dagegen mit einem Minimum an elektrischer Ausstattung aus, die sich beim Vorgänger noch auf ein Mehrgewicht von 1,5 t summiert hatte. Dieses beträgt beim Mildhybriden nur 156 kg und verteilt sich im Wesentlichen auf die beiden Supercapeinheiten auf dem Dach im Heckbereich und in einem Fach hinter den 12-V-Batterien unter dem Fahrerarbeitsplatz mit zusammen 3 Ah Nennleistung, ein Niedertemperaturkühlsystem vor der linksseitigen Hecksäule, den Wechselrichter und den 48-V-Startergenerator als zusätzlichen Elektromotor. Das bürstenlose und wartungsfreie Aggregat mit einer Spitzenleistung von 14 kW und einem maximalen Drehmoment von 220 Nm ist als „Booster“ ausgelegt, unterstützt den Verbrennungsmotor somit ausschließlich bei höheren Lastanforderungen wie dem Beschleunigen oder bei auftretenden Leistungsspitzen. Eine lokal emissionslose Fahrt ist mit ihm nicht möglich. Auch erhöht sich die Gesamtleistung des Antriebspakets aus Diesel- und Elektromotor nicht. Allerdings muss der Diesel weniger Arbeit verrichten, was den Verbrauch senkt – dazu später mehr – und seine Lebensdauer erhöht.
Doch zurück zum Popometer: Das hätte die ausgeklügelte Antriebstechnik im Citaro hybrid gerne „erfahren“. „Leider“ muss auch nach mehrstündiger Tour durch Mannheim und seine Peripherie konstatiert werden, dass man nur merkt, dass man nichts merkt. Kein „Boost-Effekt“, keine Geräuschminimierung, nichts, was nicht auch im Dieselpendant zu spüren und zu hören wäre. Beide Varianten fahren sich im Wesentlichen komplett gleich. Einziger Unterschied: Die neue elektrohydraulische Lenkung ist zunächst etwas ungewohnt, weil sie etwas verzögert anspricht und durch akustische Geräusche den Fahrer irritiert. Nach einer gewissen Gewöhnungszeit kommt man mit dem neuen Handling jedoch problemlos zurecht.
8,5 % weniger Diesel
Wenn der Citaro hybrid im Fahrverhalten kaum vom „normalen“ Mercedes-Benz-Stadtbus abweicht, bleibt die Frage, was ihn ansonsten von ihm unterscheidet. Da ist vor allem natürlich in erster Linie der reduzierte Kraftstoffverbrauch zu nennen. Daimler beziffert die Ersparnis gegenüber dem Diesel auf bis zu 8,5 % auf Stadtlinien und maximal 5 bis 6 % auf Überlandstrecken. Das wäre im Einzelfall natürlich nachzuprüfen, was uns in Mannheim und ohne Beladung nicht möglich war, somit einer weiteren Prüffahrt auf gewohntem Testterrain vorbehalten ist. Sicherlich wären die Zahlen auch noch zu differenzieren nach den verschiedenen Buslängen vom kompakten Citaro K bis hin zum Gelenkbus.
Nichtsdestotrotz wollen wir einmal eine Modellrechnung aufmachen. Geht man von einem realistischen Verbrauch des klassischen Dieselmodells von im Schnitt 38 l/100 km in der Stadt aus, dann läge demnach die Ersparnis des Hybriden bei rund 3,23 l/100 km. Im Überlandbereich bewegte sich der Wert entsprechend zwischen 1,9 und 2,28 l/100 km. Auf den gegenwärtigen Dieselnettopreis von 0,94 Euro/l im Großhandel und eine Jahresfahrleistung pro Bus von 60.000 km hochgerechnet, würde das Einsparpotenzial des Citaro hybrid auf innerstädtischen Linien 1.938 l/Jahr bzw. 1.822 Euro/Jahr betragen. Auch hier die Überlandzahlen: Der maximale Effekt kann mit 1.140 bis 1.368 l/Jahr oder 1.072 bis 1.286 Euro/Jahr beziffert werden.
Lange Amortisierungszeit
Das hört sich zunächst einmal ganz gut an. Allerdings muss man die Minderausgaben für den Treibstoff in Relation zu den Mehrkosten für die Hybridtechnik setzen. Laut Daimler betragen sie netto rund 10.000 Euro, in der Branche werden sogar noch höhere Beträge kolportiert. Gleichzeitig geht man in Stuttgart von einer Amortisierungsspanne von drei bis vier Jahren aus. Aber selbst bei optimistischem Einsparpotenzial von 8,5 % bzw. 5 bis 6 % ist diese Annahme unrealistisch. Nach unserer Rechnung liegt der Zeitraum zum Einfahren der Mehrausgaben bei mindestens 5,5 Jahren im Stadteinsatz und 8 bis 9,5 Jahren auf Überlandlinien. Es stellt sich also die Frage, ob sich die Investition auch angesichts höherer Kapital- und Zinskosten rechnet. Bei einem durchschnittlichen Austauschintervall der Busse deutscher Verkehrsunternehmen von acht bis zwölf Jahren kann man sie für den Überlandbereich verneinen. Beim Stadtbus dagegen könnte sich die Anschaffung durchaus rechnen – ja wenn sich der Wert der Treibstoffreduktion von 8,5 % im Alltag wirklich als belastbar erweist.
2020: 80 % Citaro hybrid?
Dennoch gibt man bei Daimler die Prognose ab, dass rund 80 % aller im Jahr 2020 ausgelieferten Citaro mit Verbrennungsmotor Mildhybride sein werden. Vielleicht hofft man in Stuttgart auf einen weiteren Effekt: Denn die Teilelektrifizierung des Dieselstadtbusses verleiht ihm einen grünen Anstrich – für einen moderaten finanziellen Einsatz im Gegenzug. Verkehrsunternehmen könnten ihren Fuhrpark unter dem Siegel eines umweltfreundlichen Antriebs modernisieren.
Vielleicht spukte bei den Daimler-Verantwortlichen auch noch der glücklose Citaro G BlueTec Hybrid in den Köpfen herum, als man sich nun für die „Light“-Version entschied. Denn der kam zu einem Mehrpreis im sechsstelligen Bereich gegenüber dem klassischen Diesel auf dem Markt und konnte sein Einsparziel von 30 % nie unter Beweis stellen. Teuer und technisch aufwendig war nicht nur das Speichersystem mit einer 27-kWh-Lithium-Ionen-Batterie und einer maximalen Leistung von 250 kW, die satte 330 kg auf die Waage brachte. Auf dem Dach des Nachläufers saß zudem ein umfangreiches Kühlsystem mit zwei Kreisläufen. Die Leistungselektronik, die Batterie und die Elektromotoren zweigten rund 75 kW ab, um das System bei stabilen 73°C zu halten. Das Hochtemperatursystem für bis zu 95°C, das den Diesel und Neben-aggregate versorgte, benötigte bis zu 70 kW.
Anders beim Citaro hybrid. Hier kommt man mit einer 48-Volt-Technik aus in Form eines aus der Mercedes-Benz S-Klasse bekannten Startergenerators – kann sich also aus dem Konzernbaukasten bedienen. Auch die Doppelschichtkondensatoren zur Energiespeicherung der Bremsenergie sind schon bewährt, nämlich als Rekuperationsmodul im Citaro-Diesel – nur, dass die Leistungsaufnahme nun verdreifacht wurde. Je 16 Stück in zwei Supercaps sind jetzt auf dem Dach verbaut, 16 weitere im linksseitigen Frontbereich.
Mit relativ geringem Aufwand könnte man so dem Diesel zu einer Laufzeitverlängerung verhelfen. Denn viele Verkehrsunternehmen schrecken sicherlich immer noch davor zurück, in die Elektromobilität zu investieren – so lange es dafür keine stringente und langfristig ausgelegte Förderung in Deutschland gibt. Denn pro Solo- bzw. Gelenk-E-Bus muss man derzeit mit Mehrausgaben von ca. 250.000 bis 350.000 Euro gegenüber einem herkömmlichen Diesel rechnen. So gesehen ist der Citaro hybrid ein echtes Schnäppchen, dem kaum Fahrverbote oder teure Nachrüstungen drohen, wie sie derzeit für Dieselbusse im Raum stehen.
„Hohes Interesse“
Bei Daimler spricht man jedenfalls von „hohem Kundeninteresse“ für das neue Citaro-Modell. Viele Verkehrsunternehmen hätten sich „überzeugt gezeigt von seinem Konzept“. Ein erster Käufer konnte auch bereits gewonnen werden. Wenig überraschend ist dies mit den Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), ein langjähriger enger Kunde, der bereits den Citaro G BlueTec Hybrid eingesetzt hat. Kurz vor Weihnachten wurden die ersten fünf Einheiten ausgeliefert. Nun sollen sie sukzessive in den Liniendienst gestellt werden und dann Fahrgäste auf den Innenstadt- linien der baden-württembergischen Landeshauptstadt befördern. Ende des Jahres werden die Citaro hybrid dann laut Plan auf die neue, von der SSB speziell für emissionsarme Omnibusse mit innovativer Antriebstechnologie eingerichtete Schnellbuslinie X1 wechseln.
Claus Bünnagel
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