Klimawandel-Resignation: Logistik-Unternehmen DHL setzt auf Nachhaltigkeit: Lösungen für die Klimarettung

Im 5. Teil unserer Umwelt-Serie blicken wir über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus auf die Anstrengungen, die weltweit gemacht werden, um den Klimawandel zu stoppen.

3d illustration, green herb on blue globe Bild: 58561304
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Claus Bünnagel
HINTERGRUND

von Claus Bünnagel

Angesichts der negativen Prognosen in Sachen Klimawandel, die wir in der Ausgabe 8/2019 skizziert haben, könnte man pessimistisch und hoffnungslos werden. Viele tun dies auch: Neben Klimawandelskeptikern tritt in jüngster Zeit verstärkt eine neue Spezies in Erscheinung, die Klimawandelresignierten. Nach dem Motto „Es ist eh zu spät, die Erde zu retten“ wollen sie wie die Klimawandelskeptiker eigentlich nur ihr altes Leben weiterführen, ohne etwas ändern zu müssen. Veränderung ist unbequem, und manch einen – gerade unter konservativen Menschen – erinnert sie an die eigene Endlichkeit, wie eine „Spiegel“-Autorin kürzlich klug anmerkte.

Dabei ist es nie zu spät, und der Mensch ist durchaus erfolgreich in der Lage, auf sich verändernde Umweltbedingungen zu reagieren. Das zeigt der Kampf gegen das Ozonloch über der Antarktis – wenngleich ein im Vergleich zum Klimawandel relativ überschaubares Unterfangen. Nach der Ächtung der Fluorchlorkohlenwasserstoffe Ende der 1980er-Jahre schloss es sich langsam, bis es im vergangenen Jahr wieder die Größe von 1989 angenommen hat.

Selbst in Ländern, wo man es auf den ersten Blick kaum vermuten würde, stemmt man sich heute gegen den Klimawandel. Ende Juli 2019 meldeten die Tagesmedien: „Äthiopien bricht den Weltrekord im Bäumepflanzen“. Alleine am 29. Juli brachten Hunderttausende Freiwillige im 100-Mio.-Land fast 
354 Mio. Setzlinge in den Boden. In der Regenzeit von Mai bis Oktober waren es rund 4 Mrd. neue Bäume. Das Ziel: im Verbund einer Initiative von 19 weiteren afrikanischen Staaten insgesamt 100 Mio. Hektar wieder aufzuforsten.

Aufforsten wäre auch global gesehen eine Möglichkeit, das seit Beginn der industriellen Revolution in die Atmosphäre geblasene CO2 wieder einzufangen. Zumal sich alle Überlegungen eines Geoengineerings, also eines großräumigen Eingriffs mit technischen Mitteln in geochemische oder biogeochemische Kreisläufe der Erde, bisher als untauglich erwiesen haben.

Der Ökologe Jean-Francoise Bastin hat mit Thomas Crowther von der ETH Zürich und weiteren Kollegen Satellitendaten ausgewertet. Demnach könnten nach Ausklammern aller ungeeigneten Gebiete wie Savannen sowie besiedelter und landwirtschaftlich genutzter Flächen insgesamt 900 Mio. Hektar Wald entstehen – ein Gebiet von der Größe der USA. Diese könnten rund 205 Mrd. t Kohlenstoff speichern, was in etwa zwei Dritteln der 300 Mrd. t entspricht, die der Mensch in den letzten 250 Jahren vor allem durch das Verbrennen fossiler Treibstoffe emittiert hat. Allerdings würde es je nach Waldtyp 30 bis 60 Jahre dauern, bis diese Menge erreicht wäre – teilweise sogar noch länger.

In Deutschland hat Agrarministerin Julia Klöckner ein „Mehrere-Millionen-Bäume-Programm“ gefordert, aber passiert ist seitdem wenig. Im Gegenteil: Wer derzeit etwa durch die Forste in den Mittelgebirgen geht, entdeckt riesige gerodete Flächen. Durch die hohen Temperaturen der letzten heißen Sommer wurde der Wald gestresst und in der Folge geschädigt. Durch die warmen Winter hat zudem der Borkenkäfer leichtes Spiel und vielen Waldflächen den Rest gegeben. Experten warnen aber davor, nun wie nach den Stürmen und dem Waldsterben der achtziger Jahre komme was wolle aufzuforsten, schon gar nicht wie damals in Form von anfälligen Monokulturen. Einige empfehlen daher, es der Natur zu überlassen, welche Baumarten sich ansiedeln. Womöglich würden sich solche aus dem mediterranen Raum durchsetzen, die besser mit höheren Temperaturen als Kiefer und Fichte zurechtkommen. Man sieht: Ein Selbstläufer wird das Aufforsten wenigstens in unseren Breiten nicht. Und die Wissenschaft muss dringend Antworten liefern, steht bei solchen Fragen aber teilweise noch ganz am Anfang.

Deshalb ist es umso wichtiger, die aktuellen CO2-Emissionen so schnell wie möglich herunterzufahren. Und das geschieht in der Tat derzeit: Die Mehrheit der Industrie- und Schwellenländer weist sinkende Werte auf.

Blicken wir beispielsweise einmal auf ein vielgescholtenes Land wie Indien. Der Subkontinent ist der drittgrößte Klimasünder nach den USA und China, auch wenn sein Pro-Kopf-Ausstoß gering ist. Im bald bevölkerungsreichsten Land der Welt leben Millionen Menschen, die sich demnächst Wohlstandsgüter leisten können werden: einen Kühlschrank, eine Klimaanlage, ein Auto. Der Energieverbrauch auf dem Subkontinent wird sich daher binnen der nächsten zwei Jahrzehnte vielleicht verdrei- oder gar vervierfachen – auf bis zu 500 GW bis 2030. Der momentane Anteil der Erneuerbaren Energien im Strommix beträgt derzeit immerhin beachtliche 22 % und soll bis 2030 auf 40 % steigen.

Indien setzt auf erneuerbare Energien

2018 entfielen bereits 70 % der 16,3 GW zugebauter Stromerzeugungskapazität auf regenerative Energien, nur 27 % auf Kohle. Derzeit macht diese noch 54 % der Kapazität aus und soll bis 2030 auf 40 % fallen. Schon in wenigen Jahren will Indien mehr als 220 GW regenerativer Stromerzeugungsquellen zur Verfügung haben. Durch die stetig sinkenden Preise für Photovoltaik und die sinkende Nachfrage gekoppelt mit temporären Versorgungsengpässen für Kohle könnte sich die indische Umstellung auf erneuerbare Energien um einiges schneller vollziehen als von der Regierung vorgesehen.

Auch in Europa tut sich etwas: Mitte November hat die Europäische Investitionsbank (EIB) beschlossen, ab 2021 keine fossilen Energieprojekte mehr mit Krediten zu unterstützen. Starker Widerstand gegen eine solche Regelung kam bislang aus Deutschland. Denn das Land ist vom früheren Musterschüler und Vorreiter in Sachen Klimaschutz immer mehr ins graue Mittelfeld zurückgefallen und verdankt seine CO2-Einsparungen – 35 % seit 1990 – zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dem Zusammenbruch der „dreckigen“ DDR-Wirtschaft nach der Wiedervereinigung. Und Ungemach steht ins Haus: Beschleunigt sich der Zubau von Windkraft- und Solaranlagen nicht umgehend, könnten die Emissionen mit der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in zwei Jahren sogar wieder steigen, da vermehrt Kohle- und Gaskraftwerke deren Aufgaben übernehmen müssten. Es besteht daher aus deutscher Sicht im Moment wenig Grund dafür, tadelnd auf andere Länder und Kontinente zu blicken. Noch immer steht Deutschland beim CO2-pro-Kopf-Ausstoß weltweit auf dem sechsten Platz – alles andere als ein Ruhmesblatt.

Es würde dem Land stattdessen guttun, mit einem wachen Blick auf die vielen hoffnungsvollen Entwicklungen selbst in zahlreichen armen Staaten der Welt zu schauen. In Jordanien fahren gemessen an der Einwohnerzahl erheblich mehr Elektroautos als hierzulande. Pakistan strebt an, dass bis zum Jahr 2030 rund 30 % des gesamten Pkw- und Lkw-Absatzes im Land aus Elektrofahrzeugen besteht. Bis 2040 plant man mit 90 %. Bei Bussen sollen 50 % elektrische Neuverkäufe bis 2030 und 90 % bis 2040 erreicht werden. Der indonesische Konzern PT Bakrie Autoparts will schon im zweiten Quartal 2020 mehr als 500 Elektrobuseinheiten des chinesischen Herstellers BYD in Jakarta einsetzen. Das wären fast 50 % des gegenwärtigen europäischen Bestands – alleine in einer Großstadt.

Noch beeindruckender ist eine Zahl aus Indien: Nicht weniger als 5.645 E-Busse für den Einsatz in 65 Städten hat das zentrale interministerielle Komitee für Elektrofahrzeuge genehmigt. Das FAME-II-Programm der indischen Regierung sieht Förderungen im Gesamtwert von umgerechnet 1,4 Mrd. Dollar vor. Gleichzeitig hat diese bereits zum 1. August 2019 beschlossen, die Mehrwertsteuer für Elektrofahrzeuge von 12 auf 5 % und für Ladestationen von 18 auf 12 % zu senken. Zudem ist die Anschaffung von Elektrobussen durch die Kommunen von der Mehrwertsteuer befreit. Für Benziner und Diesel bleibt sie weiterhin bei 28 %.

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Europa nimmt Fahrt auf

Doch langsam gibt es auch immer mehr Bewegung auf dem europäischen E-Bus-Markt. Die Loire-Metropole Orléans beispielsweise will bis 2024 ein vollständig elektrisch betriebenes ÖPNV-Transportsystem realisieren und insgesamt rund 180 Elektrobusse beschaffen. Die ersten 29 Einheiten sollen in der ersten Jahreshälfte 2021 in Betrieb gehen und beim spanischen Hersteller Irizar bestellt werden. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf bis zu 110 Mio. Euro.

Noch weiter sind die Pläne in den Niederlanden fortgeschritten. Im September vergangenen Jahres hat die Stadt Leiden den 500. emissionsfreien Bus im Beneluxstaat in Betrieb genommen. Rund 10 % der niederländischen Flotte sind damit bereits Stromer. Und das Tempo der Elektrifizierung des ÖPNV wird zunehmen: Denn neu angeschaffte Nahverkehrsbusse dürfen ab 2025 nur noch emissionsfreie Antriebstechnologie an Bord haben. Und 2030 muss die gesamte landesweite Flotte von rund 5.000 Einheiten emissionsfrei unterwegs sein – ein logischer Weg, da konventionelle Konzessionen in den Niederlanden für fünf Jahre vergeben werden.

In den nördlichen Provinzen Groningen und Drenthe wurden im Dezember 164 Elektro- und 20 Wasserstoffbusse von Qbuzz in Betrieb genommen. Keolis wird zudem bis Ende 2020 voraussichtlich mehr als 300 Elektrobusse auf die Straßen im Osten der Niederlande schicken, womit dann 95 % der im Konzessionsgebiet eingesetzten Einheiten emissionsfrei unterwegs sein werden.

Schiffe mit Brennstoffzellen

Zum Abschluss aber sei noch ein Blick auf einen anderen Verkehrsträger erlaubt. Das norwegische Schiffstechnologieunternehmen Havyard entwickelt zusammen mit Linde Engineering als Tanklieferant und PowerCell Sweden AB als Hersteller von Brennstoffzellen wasserstoffbetriebene Antriebe für Hochseeschiffe. Die gemeinsam von PowerCell und Havyard entwickelte Systemlösung basiert auf mehreren 200 kW starken Brennstoffzellen, die zu einem größeren System parallelgeschaltet werden. So entsteht eine Gesamtleistung von 3,2 MW.

Nach der Zertifizierung soll das Gesamtpaket dann zur Nachrüstung angeboten werden. Hintergrund: In den Gewässern Norwegens gelten ab 2026 strenge Emissionsvorschriften. So sollen in den Fjorden nur noch Wasserfahrzeuge mit emissionsfreien Antrieben zugelassen sein. Die norwegische Reederei Havila Kystruten wurde bereits mit dem Bau von vier emissionsfreien Passagierschiffen beauftragt. Das erste soll bereits 2021 den Betrieb aufnehmen und auf der Postschiffroute von Bergen im Süden des Landes nach Kirkenes im äußersten Norden Norwegens unterwegs sein.

Sollte das Projekt technologisch und wirtschaftlich umsetzbar sein, könnte es eine Blaupause für den künftigen Wasserstoffeinsatz bei Schwerlastanwendungen sein: für Binnen- und Hochseeschiffe, aber auch Lkw, Reisebusse, Züge und selbst Flugzeuge. ■

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Seite 12 bis 15 | Rubrik Markt & Meinung