Attraktivitätssteigerung statt Nulltarif

VDV wendet sich gegen politische Forderungen einen ÖPNV zum Nulltarif anzubieten
Thomas Burgert

Nach Berechnungen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) würde die Einführung eines Nulltarifs allein im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), also der kostenlosen Bus- und Bahnnutzung für alle Bürger, die öffentlichen Kassen und damit den Steuerzahler in Deutschland mit jährlich mindestens zwölf Milliarden Euro mehr belasten. Das Geld könne effizienter zur Steigerung der Attraktivität des ÖPNV eingesetzt werden, so der VDV.

Erfahrungen aus dem In- und Ausland würden zeigen, dass der politisch gewünschte Umstieg vom PKW auf den ÖPNV bei Einführung eines ÖPNV-Nulltarifs erheblich geringer ist als bei einer Verbesserung von Qualität und Quantität des Angebotes. Ohne kundenbezogene Angebotsverbesserungen finde bei Einführung eines Nulltarifes vor allem ein überproportionaler Umstieg von Fahrgästen des sogenannten Umweltverbundes (Fußgänger und Radfahrer) auf den ÖPNV statt. Der nur mit einem enormen finanziellen Aufwand realisierbaren Einführung eines Nulltarifs stände ein verkehrspolitisch fragwürdiges Ergebnis gegenüber.

„Eine Verkehrswende zugunsten des umweltfreundlichen ÖPNV funktioniert am effektivsten mit Attraktivitätssteigerungen“, betont VDV-Präsident Jürgen Fenske. Die Forderung nach einem kostenlosen bzw. durch Steuergelder finanzierten Nahverkehr sei daher absurd, falsch und ungerecht. „Absurd, weil es heute schon im Nahverkehr große Finanzierungsprobleme aufgrund der angespannten Situation öffentlicher Haushalte gibt. Falsch, weil der Nahverkehr dann zu 100 Prozent staatlich finanziert würde und ein unternehmerischer ÖPNV damit zu einem behördlichen ÖPNV würde. Und ungerecht, weil über höhere Abgaben und Steuern alle Bürger für den Nahverkehr zahlen müssten.“ Der VDV rechnet bei der Einführung eines Nulltarifs im ÖPNV mit einem Anstieg der Fahrgastzahlen von durchschnittlich mindestens 30 Prozent. Das wäre ein solcher Nachfragezuwachs, dass die Verkehrsunternehmen vielerorts zu bestimmten Zeiten weder genügend Fahrzeuge noch ausreichend Personal zur Verfügung hätten. Die heute schon stark ausgelastete und an einigen Stellen veralterte Infrastruktur würde dort unter einer solchen Mehrbelastung auf Dauer zusammenbrechen. „Wir fahren jetzt schon in den Ballungsräumen und Großstädten teilweise an der Kapazitätsgrenze. Durch den Nulltarif würden auf einen Schlag etliche Millionen zusätzliche Fahrgäste den Nahverkehr nutzen. Dadurch wären weitere hohe Investitionen aus öffentlichen Mitteln nötig, denn es müssten Fahrzeuge gekauft, Personal eingestellt und Haltestellen, Bahnhöfe, etc. umgebaut werden. Von zusätzlichen Strecken, die neu gebaut werden müssten, ganz zu schweigen“, erklärt Fenske.

Für den deutschen Nahverkehr, da sind sich die VDV-Mitgliedsunternehmen einig, kann es daher auch in Zukunft nur bei den seit Jahrzehnten etablierten Finanzierungssäulen bleiben: Auf der einen Seite müssen Bund, Länder und Kommunen eine angemessene Mitfinanzierung des ÖPNV sicherstellen. Und auf der anderen Seite zahlt der Kunde seinen Fahrschein, darauf können die Unternehmen nicht verzichten.