Qualmender Dieselauspuff: Statt mit hohen Millionenbeträgen aus Steuergeldern die Umrüstung von Pkw zu finanzieren, wäre ein Sonderprogramm für den ÖPNV die richtige Antwort, sagen mehrere Verbände. (Foto: Gabi Eder/pixelio.de)
Anja Kiewitt

Ein Sonderinfrastrukturprogramm für einen „sauberen ÖPNV“ fordern der Kölner Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. (VDV) und die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Radolfzell, anlässlich des Dieselgipfels, der Anfang August in Berlin stattgefunden hat. "Im Gegensatz zu den vorgeschlagenen Placebo-Maßnahmen der Autoindustrie mittels Software-Update" soll es wirklich wirksame Lösungen für saubere Luft enthalten, so die DUH. Konkret fordern die Umweltschützer, dass alle ÖPNV-Busse in deutschen Kommunen bis spätestens 1. Juli 2018 entweder über SCR-Katalysator und Partikelfilter verfügen und die Euro 6-Abgaswerte einhalten oder durch Neufahrzeuge mit Erdgas- oder Elektroantrieb ersetzt werden müssen. Darüber hinaus sei das Angebot an Nahverkehrsleistungen durch eine Streckenausweitung, Taktverdichtungen sowie eine Ausdehnung der Betriebszeiten auszubauen, heißt es weiter aus Berlin.

VDV schließt sich an

Rückenwind kommt aus Köln: „Wenn wir die Schadstoffbelastung im innerstädtischen Verkehr nachhaltig senken wollen, dann brauchen wir mehr öffentlichen Verkehr. Statt mit hohen Millionenbeträgen aus Steuergeldern die Umrüstung von Pkw zu finanzieren, wäre ein Sonderprogramm für den ÖPNV die richtige Antwort, wenn man umweltfreundlichen Verkehr in den Städten und Ballungsräumen fördern will“, erklärt VDV-Präsident Jürgen Fenske. Eine mögliche Ausweitung der Förderung für Elektrobusse im ÖPNV sieht der Verband positiv. Allerdings ist sie aus VDV-Sicht nur einer von mehreren Punkten, die umgesetzt werden müssen, um die Emissionsprobleme im städtischen Verkehr nachhaltig zu lösen. „Nachhaltig kann das Stickoxid-, Feinstaub- und CO2-Problem in den Städten nur gelöst werden, wenn die umweltfreundlichen Verkehrsangebote wie der ÖPNV insgesamt gestärkt werden. Denn unsere Unternehmen sind in den Großstädten heute schon zu etwa 80 Prozent elektrisch und klimaschonend unterwegs“, erläutert Fenske.

Positivbeispiele im europäischen Ausland

Der VDV verweist in diesem Zusammenhang auf gute Beispiele für nachhaltige städtische Verkehrskonzepte im europäischen Ausland: „Wien und Kopenhagen haben deutlich höhere ÖPNV-Anteile am Verkehrsaufkommen als die deutschen Großstädte. Das hat man dort mit einer Angebotsoffensive im Nahverkehr durch Kapazitätserweiterungen auf Basis einer ausreichenden Finanzierung geschafft. Diese Modelle sollten uns in Deutschland als Vorbilder dienen. Mit bundespolitischen Entscheidungen wie der Versteinerung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes sind wir davon leider meilenweit entfernt“, so Fenske abschließend.

Förderpraxis und Fahrverbote im Visier

Künftig müssen Fördermaßnahmen aber Besonderheiten des Busmittelstandes berücksichtigen, ergänzt der bdo Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V., Berlin. "Die heutigen Fördermaßnahmen haben große Flottenbetreiber im Fokus. Der Busmittelstand wird dabei zu wenig berücksichtigt. Wir brauchen unkomplizierte, praxistaugliche Förderprogramme, die auch auf klein- und mittelständische Unternehmen zugeschnitten sind", urteilt Anja Ludwig, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des bdo. Auch der Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA), Berlin, setzt sich für eine bedarfsgerechte Infrastrukturpolitik für Städte und Ballungsräume sowie eine rasche Flottenerneuerung älterer Taxen und Busse ein. Fahrverbote können und müssen in Deutschland vermieden werden, teilt der Herstellerverband mit. Dabei seien die Automobilhersteller BMW, Daimler und Volkswagen bereit, sich an dem geplanten Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ der Bundesregierung zu beteiligen. Der VDA plädiert zugleich für eine Versachlichung der Debatte rund um den Dieselskandal.

Digitalisierung kann ÖPNV optimieren

Und auch der Bitkom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. in Berlin-Mitte äußert sich zum Diesel-Gipfel von Bund, Ländern und Vertretern der Automobilbranche. „Wer die Schadstoffbelastung in unseren Innenstädten reduzieren und damit die Gesundheitsbelastung verringern will, muss zunächst einmal den automobilen Individualverkehr reduzieren. Durch intelligente Verkehrssteuerung kann Verkehr optimal gelenkt sowie Stau reduziert und verhindert werden. Wenn die Kommunen und ÖPNV-Anbieter die vorhandenen Daten endlich freigegeben und für Anwendungen der intelligenten Mobilität verfügbar machen, kann perspektivisch mit einem vergleichsweise geringen Aufwand die Verkehrs- und Schadstoffbelastung in den Städten deutlich reduziert werden. Wir müssen die Chance ergreifen und damit anfangen, Mobilität völlig neu zu denken, und zwar vernetzt und digital“, erklärt Bitkom-Präsident Achim Berg.

Auch Diesel hat laut bdo weiter Bestand

Der bdo stellt abschließend klar: Laut dem Umweltbundesamt hätte eine Umstellung aller Diesel-Busse auf elektrische Antriebe keine signifikante Auswirkung auf die Luftqualität. Eine entscheidende Rolle kommt daher auch mittelfristig weiterhin dem Diesel-Bus zu, der sowohl im ÖPNV als auch auf der Fernlinie noch ohne Alternative ist, so der Verband. Ein zu 60 Prozent ausgelasteter Reisebus verbrauche pro 100 Personenkilometer lediglich 1,4 Liter Benzinäquivalent. Zudem könnten Busse bis zu 30 Pkw ersetzen.