ÖPNV: Betriebsräte fordern PBefG-Änderung

Arbeitnehmervertreter senden offenen Brief an Bundestagsabgeordnete.
In Hildesheim scheiterte die Deutsche Bahn mit einem eigenwirtschaftlichen Antrag: Das städtische Unternehmen legte laut ver.di einen eigenen eigenwirtschaftlichen Antrag vor und bekam den Zuschlag, jedoch um den Preis der Absenkung der Arbeitsbedingungen. (Foto: Stadtverkehr Hildesheim SVHI)
In Hildesheim scheiterte die Deutsche Bahn mit einem eigenwirtschaftlichen Antrag: Das städtische Unternehmen legte laut ver.di einen eigenen eigenwirtschaftlichen Antrag vor und bekam den Zuschlag, jedoch um den Preis der Absenkung der Arbeitsbedingungen. (Foto: Stadtverkehr Hildesheim SVHI)
Anja Kiewitt

Betriebs- und Personalratsvorsitzende aus 193 privaten und öffentlichen ÖPNV-Unternehmen haben sich in einem offenen Brief an ihre Bundestagsabgeordneten im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur des deutschen Bundestages gewandt. Nach Mitteilung des Fachbereichs Verkehr der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - in Berlin fordern sie eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG).

Europäisches Recht sieht Wahlmöglichkeit vor

Hintergrund ist demnach, dass eine Kommune durch europäisches Recht zwar die Wahl hat, den Nahverkehr entweder auszuschreiben oder direkt an ein eigenes Unternehmen zu vergeben. Sie könne dazu Vorgaben zur Qualität und zu sozialen Bedingungen für die Beschäftigten machen, dazu gehöre auch die Übernahme der Beschäftigten. Die meisten Bundesländer haben laut ver.di zudem repräsentative Tarifverträge für den ÖPNV in Tariftreuegesetzen bestimmt.

Arbeitnehmerschutz ausgehebelt

Doch mit dem im deutschen Personenbeförderungsgesetz (PBefG) festgelegten „Vorrang eigenwirtschaftlicher Anträge“ werde das Vergabeverfahren abgebrochen und alle Vorgaben zum Arbeitnehmerschutz unwirksam. „Tarifgebundene private und kommunale Unternehmen haben keine Chance, mit eigenwirtschaftlichen Anträgen zu konkurrieren. Dieser ungleiche Wettbewerb findet ausschließlich über Sozialdumping statt. Wir befürchten eine Welle der Tarifflucht und eine massive Unterhöhlung des bisherigen Tarifgefüges. Dieses Ungleichgewicht widerspricht den Grundsätzen einer sozialen Marktwirtschaft“, so die Arbeitnehmervertreter in ihrem Schreiben.

Negativbeispiel Pforzheim

Ein Negativ-Beispiel sei der Pforzheimer Stadtverkehr (busplaner berichtete), wo durch einen eigenwirtschaftlichen Antrag der Deutschen Bahn AG, Berlin, über 200 Beschäftigte ihren Job verlieren. In Hildesheim (busplaner berichtete) sei die Deutsche Bahn mit einem eigenwirtschaftlichen Antrag gescheitert. Das städtische Unternehmen musste einen eigenen eigenwirtschaftlichen Antrag vorlegen und bekam den Zuschlag, jedoch um den Preis der Absenkung der Arbeitsbedingungen, berichtet ver.di. Auch zahlreiche andere private Unternehmen haben demnach bereits eigenwirtschaftliche Anträge gestellt, unter anderem in Kiel, Leverkusen, Hamm, Gotha, Esslingen, Oldenburg und Saarlouis. Einige Anträge wurden den Arbeitnehmervertretern zufolge abgelehnt, Bieter klagen jedoch dagegen.

1.600 Arbeitsplätze gefährdet

ver.di geht davon aus, dass aktuell die Arbeitsplätze von 1.600 Beschäftigten bedroht sind. Die Gewerkschafter weisen in ihrem offenen Brief darauf hin, dass in den kommenden drei Jahren die überwiegende Mehrzahl aller Neuvergaben im öffentlichen Nahverkehr ansteht, daher müsse sofort gehandelt werden. „Wir bitten Sie im Namen der 130.000 Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr und ihrer Familien dringend um Unterstützung. Bitte wirken Sie in Ihren Gremien auf eine schnelle Änderung des Personenbeförderungsgesetzes hin“, adressieren sie an die Abgeordneten.

Klarstellung im Gesetz gefordert

Die Betriebs- und Personalräte und die Gewerkschaft fordern die Streichung des Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehre, zumindest jedoch eine Klarstellung im Personenbeförderungsgesetz, dass auch eigenwirtschaftliche Antragsteller die kommunalen Vorgaben zu sozialen Standards und Beschäftigtenübernahmen sowie der Tariftreuegesetze einhalten müssen. Außerdem müsse in Ausschreibungsverfahren die Übernahme der Beschäftigten bei einem Betreiberwechsel auch im ÖPNV verbindlich vorgeschrieben werden.